“eye“; By piotr ilowiecki (CC-Lizenz)
Wer auf Facebook mehr als eine Handvoll Kontakte hat, erkennt recht schnell, dass es unmöglich ist, all ihre Beiträge und Kommentare zu lesen. Gleiches gilt natürlich auch für Twitter und diverse andere Kanäle. Während wir uns im Fall von Twitter selbst behelfen und entweder Listen erstellen oder die Tweets nach Hashtags durchsuchen, nimmt uns Facebook diese Arbeit ab und filtert die Nachrichten, die eigentlich alle für uns gedacht sind. Facebook versucht, die für uns relevanten Nachrichten zu entdecken und braucht dafür natürlich irgendwelche Kriterien. Nicht ganz überraschend präsentiert uns Facebook die Beiträge derer, mit denen wir häufig kommunizieren und interagieren. Alle anderen müssen leider draußen bleiben.
So ähnlich ist das auch bei Amazon. Die Software merkt sich, was Sie interessiert bzw. was Sie irgendwann einmal gekauft haben und versorgt Sie umgehend mit Vorschlägen, die sich an Ihrem bisherigen Verhalten orientieren. Überlegen Sie sich also gut, was Sie dort kaufen, denn aus der jeweiligen (Produkt)-Ecke kommt man nur schwer wieder heraus. Für mich heißt das zum Beispiel: ich bekomme seit einigen Wochen das Buch “Social Media im Kulturmanagement” angeboten, den Tagungsband der letzten stARTconference. Lösen lässt sich dieses “Problem” wahrscheinlich nur, indem ich das Buch bei Amazon kaufe, was ich aber nicht tun werde, denn dieses Buch befindet sich in meinem Besitz.
Aber diese Form der Belästigung hat auch etwas Gutes an sich. Amazon macht mich mit diesen Hinweisen darauf aufmerksam, dass sich UserInnen mit ähnlichen Interessensgebieten für dieses Buch interessieren bzw. es kaufen. So nervig die Hinweise sind, gleichzeitig zeigen sie mir aber an, dass dieses Buch wahrgenommen bzw. gekauft wird. Womit wir bei der Kehrseite der Medaille sind, denn es gibt jede Menge Situationen, in denen ich möchte, dass die Aufmerksamkeit auf mein Produkt oder meine Dienstleistung gelenkt wird. Jede Kultureinrichtung hat ein Interesse daran, in den personalisierten Newsfeeds möglichst vieler Menschen aufzutauchen, egal ob auf Facebook, Twitter oder auch in den Rankings der Suchmaschinen. Nur so werden meine Aktivitäten überhaupt wahrgenommen, nur so erhalte ich die Aufmerksamkeit, die ich brauche, um z.B. meine Publikumszahlen zu erreichen.
Das Filtern von Informationen bzw. die damit verbundene Personalisierung hat also Vor- und Nachteile oder, um das schon in der Überschrift verwendete Zitat von Paracelsus zu bemühen: “die Dosis macht das Gift”. Entdeckt habe ich dieses Zitat bei Mario Sixtus, der in einem Beitrag für den Elektrischen Reporter ein recht düsteres Szenario dieser Entwicklungen zeichnet, die uns, wie er sagt, vom Meinungspluralismus in den Autismus führen (ab Minute 8:00).
Eli Pariser spricht in diesem Zusammenhang von der filter bubble, die deshalb so gefährlich ist, weil sie von uns unbemerkt zur Anwendung kommt. In seinem TED-Vortrag erzählt er, dass er sich politisch als progressiv bezeichnen würde, aber trotzdem Interesse an den Ansichten und Meinungen konservativ denkender Menschen hat. Nur, so merkte er eines Tages, würden diese Meinungen in seinem Facebook-Newsfeed gar nicht mehr auftauchen.
Sortiert jemand die Meinungen anders denkender Menschen gezielt aus, so ist das eine bewusste Entscheidung. Facebook, Google & Co. fragen uns aber nicht, ob wir das wollen oder nicht, sondern lassen die Algorithmen entscheiden. Pariser schlägt verschiedene Maßnahmen vor, um sich gegen diese Bevormundung zu wehren. Am wichtigsten scheint mir aber das Wissen um diese Mechanismen zu sein, denn wie gesagt: einerseits sind wir ob der schleichenden Beeinflussung empört, andererseits aber setzen wir auf genau diese Mechanismen, damit sich unsere Angebote besser verkaufen lassen.
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