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Wer in den Bereichen Kunst und Kultur tätig ist oder das beabsichtigt, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, einen Arbeitsplatz zu finden. In Zeiten leerer Kassen werden viele Stellen gestrichen, was vor allem für BerufseinsteigerInnen die Sache nicht einfach macht. Mit der steigenden Bedeutung von Social Media könnten sich aber neue Chancen für sie ergeben, denn in der digitalen Welt sind sie heimischer als die meisten lang gedienten MitarbeiterInnen in den Kultureinrichtungen.
Aber wie sieht das konkret aus? Entstehen hier ganz neue Jobs und lohnt es sich, sich mit Themen zu beschäftigen, die in den Universitäten teilweise noch gar nicht in den Lehrplänen zu finden sind? Ich habe Nina Riedel interviewt, die in Frankfurt (Oder) Kulturwissenschaften studiert und ihre Abschlussarbeit über die Erfolgsfaktoren von Crowdfundingkampagnen im Kunst- und Kulturbereich geschrieben hat. Den Einstieg in das Berufsleben hat sie nun in Form eines Praktikums bei einer Filmproduktionsfirma gefunden, in der sie im Bereich Social Media tätig ist und darüber hinaus die Crowdfundingkamapagnen betreut.
Frage: Du hast in Frankfurt/oder Kulturwissenschaften studiert und deine Abschlussarbeit über Crowdfunding geschrieben. Ist das ein Hinweis dafür, dass so Themen wie Social Media oder Crowdfunding mittlerweile an den Universitäten angekommen sind? Oder warst Du eher die Ausnahme?
Nina Riedel: Im Bereich Kulturmanagement stellt sich immer wieder die Frage nach neuen, innovativen Möglichkeiten. Social Media ist in diesem Bereich gerade eines der wichtigsten Forschungsthemen, vor allem weil es omnipräsent ist und einen direkten Draht zu den Fans, Unterstützern, Konsumenten und Beteiligten herstellt. Die sich dort bildende Community hat viel Potential, nicht nur in kreativer Hinsicht, sondern auch in finanzieller – für Kulturmanager eine unerschöpfliche Quelle. Das Thema Social Media wird an den Hochschulen mittlerweile gründlich analysiert und kritisch erforscht. Crowdfunding jedoch kommt an den Hochschulen gerade erst an. In der letzten Zeit mehren sich aber die Abschlussarbeiten und Seminare zu Crowdfunding-Themen. Eine richtige Ausnahme war ich also nicht mehr, aber eine der ersten an meiner Universität.
Frage: Du bist jetzt für Social Media und Crowdfunding verantwortlich. War das Dein Berufswunsch oder hat sich das ergeben?
Nina Riedel: Sowohl als auch. Durch diverse Projekte die ich bereits gemacht habe, spielt das Thema Kulturfinanzierung eine große Rolle in meinem Alltag und Crowdfunding ist nicht nur eines der Instrumente zur Finanzierung, sondern macht auch noch Spaß. Insofern war das schon mein Berufswunsch. Die Social Media Aktivitäten haben sich allerdings durch das Crowdfunding erheblich ausgeweitet und haben sich wohl eher ergeben.
Frage: Du bist in den letzten Monaten sehr aktiv im Social Web gewesen und hast dadurch vermutlich nicht nur Sichtbarkeit gewonnen, sondern Dir auch ein gutes Netzwerk aufgebaut. Hat Dir das bei der Jobsuche geholfen?
Nina Riedel: Erstaunlicherweise hat mir die Sichtbarkeit und vor allem die teilweise publizierte Abschlussarbeit im Netz mehr geholfen als etwaige Kontakte. Es war schon spannend zu sehen, wie sehr die theoretische Expertise im Crowdfunding mir Türen geöffnet hat und letztendlich dazu führte, dass ich jetzt mehrere Kampagnen betreue und bei weiteren Projekten mitkonzipiere.
Frage: Bleibt dieser Job hier eine einmalige Tätigkeit oder wirst Du in Kürze eine begehrte Crowdfundingexpertin sein, um die sich Firmen aus dem Kreativ- und Kulturbereich reißen werden? Mit anderen Worten: Haben wir es hier mit einem neuen Job zu tun?
Nina Riedel: Definitiv. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die beiden aktuellen Kampagnen nicht die einzigen bleiben werden. Gerade für Musik und Film stellt Crowdfunding eine vielversprechende Möglichkeit der Finanzierung dar, die allerdings zeitaufwendig ist und viel Engagement benötigt. Zeit, die ein Künstler oder Kreativschaffender vielleicht nicht hat oder die ich mit meinen Kenntnissen der Tools und Plattformen vielleicht verkürzen kann. Vor allem Beratungen sind ein gutes Mittel, um vielen Projektstartern zu helfen. Komplett betreuen kann man aber sicherlich nur einige wenige Kampagnen gleichzeitig, da eine intensive Auseinandersetzung und Identifizierung mit dem Thema notwendig ist, damit man mir glaubt was ich poste/schreibe/sage.
Frage: Ihr schließt jetzt gleich die erste Kampagne ab, vermutlich erfolgreich, und habt gerade die zweite begonnen. Worum geht es in dem Film und wie habt Ihr die Kampagne konzipiert?
Nina Riedel: In unserem Dokumentarfilm „The First Sea“ geht es um palästinensische Kinder aus dem Westbank Gebiet, die von israelischen Friedensaktivistinnen eingeladen werden, um in Israel das erste Mal in ihrem Leben das Meer zu sehen. Obwohl Israel und Palästina von drei Meeren umgeben sind, ist es den Kindern im Westbank Gebiet in der Regel nicht möglich zu einem dieser Meere zu fahren. Sie können von ihrer Veranda aus das Meer sehen, aber einfach hinfahren können sie nicht. Das Leben der Kinder dort wird von Krieg und Konflikten beherrscht, die sie noch gar nicht verstehen können. Es geht um Frieden, Grenzen und die Magie der ersten Male.
Wir sind drei Outreach Koordinatorinnen, die in Absprache mit der Produzentin Sarita Sharma und der Regisseurin Clara Trischler, die Kampagne konzipieren und durchführen. Dadurch, dass wir die Postproduktion finanzieren wollen, haben wir bereits Bildmaterial, welches wir verwenden können. Dies macht es uns recht einfach die Inhalte unseres Filmes zu transportieren. Bei diversen Meetings haben wir die gesamte Kampagne konzipiert. Unter anderem haben wir die meisten Texte vorbereitet, die Gegenleistungen durchdacht und Kommunikationsstrategien entwickelt. Wir arbeiten auf Konzeptebene eng zusammen, weil wir so das breiteste Spektrum an Meinungen und Ideen bekommen und schließlich soll „The First Sea“ möglichst viele Menschen begeistern und erreichen.
Frage: Du hast ja Deine Abschlussarbeit über die Erfolgsfaktoren von Crowdfunding geschrieben. Im ersten Projekt hat das ganz gut geklappt, auf welche Erfolgsfaktoren setzt Du jetzt beim zweiten Projekt?
Nina Riedel: Da unsere Kampagne auf IndieGogo läuft, versuchen wir auch ein internationales Publikum anzusprechen. Wir kommunizieren viel mit unseren Unterstützern und haben bereits ein ganz gutes Netzwerk. Vor allem durch spannende Hintergrundinfos, eine später online stehende, exklusive Gegenleistung und viel Engagement wollen wir überzeugen. Unsere Kampagne findet man auf Facebook, Twitter und natürlich auf Indiegogo. Wir freuen uns über jede Unterstützung.
Frage: Und wie geht es weiter? Welche Projekte habt Ihr in der Pipeline?
Nina Riedel: Wir arbeiten hier bei Kinomaton Berlin zurzeit an vielen spannenden Projekten. In Zukunft werden auch einige Filme produziert, die transmedial erreicht werden. Zum Beispiel Baltic Warriors, ein Dokumentarfilm über Aktivistengruppen aus 6 Ländern die sich für die ökologische Situation der Ostsee einsetzen. Weitere Filme laufen jetzt auf den Filmfestivals an oder sind in der Planungsphase.
Frage: Und zum Schluss: Würdest Du anderen empfehlen, sich wie Du auf so Themen wie Social Media, Crowdfunding oder Transmedia Storytelling zu konzentrieren?
Nina Riedel: Nicht jedes Projekt ist ein Crowdfunding-Projekt und auch nicht jedes Projekt kann den entscheidenden Erfolg in den Social Media Netzwerken generieren. Aber es lohnt sich definitiv die Möglichkeiten zu kennen und abschätzen zu können ob zum Beispiel Crowdfunding in Frage kommt. Ich finde gerade Kulturinstitutionen sollten sich diese Themen aneignen und ihre Arbeit innovativ und am Zeitgeist ausgerichtet konzipieren. Vor allem bei jungen Projekten oder jungen Zielgruppen kann transmedia Storytelling gut funktionieren und spannende Projekte hervorrufen. Und wer keine Zeit hat sich auf diese Themen zu konzentrieren, der kann mich gern kontaktieren. Ich helfe gern.
Danke für Deine Antworten!
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