wemakeit startet in Österreich: ist Crowdfunding das neue Marketing?

Für die meisten geht es beim Thema Crowdfunding nur um die Frage, wie sie das Geld zusammen bekommen, das sie für ihr nächstes Projekt benötigen. Aber ist das wirklich schon alles? Eröffnen sich hier nicht ganz neue Möglichkeiten, die Finanzierung eines Vorhabens im Kunst- und Kulturbereich mit dessen Bewerbung zu verknüpfen, so wie ich das vor ein paar Tagen schon in einem Blogbeitrag zu skizzieren versucht habe?

Wie sehen das die Crowdfundingplattformen? Verändert sich das Crowdfunding und wenn ja, was bedeutet das für die InitiatorInnen von Crowdfundingkampagnen und natürlich auch für die Plattformen selbst? Den gerade erfolgten Österreich-Start der in der Schweiz gegründeten Plattform wemakeit habe ich zum Anlass genommen, der Österreich-Chefin Simone Mathys-Parnreiter ein paar Fragen zu stellen.

© Miguel Dieterich

Kulturmanagement Blog: Ihr seid gerade in Österreich an den Start, lohnt sich das in so einem kleinen Land wie Österreich überhaupt?

Simone Mathys-Parnreiter: Natürlich. Es hat sich für uns auch in der Schweiz gelohnt und die ist ja bekanntlich deutlich kleiner. Österreich ist für uns sehr spannend: Es gibt viele sehr aktive Szenen, in denen es brodelt und zugleich ist Crowdfunding erst im Kommen. Ausserdem gibt es generell noch Entwicklungspotential in die thematische Tiefe, abgesehen von der geografischen Breite: Wie, wofür und von wem Crowdfunding genutzt werden kann. Zum Beispiel für Regionalentwicklung, am Land, als Markttest für etablierte Player, als Teil von Social-Business-Strategien etc.

Kulturmanagement Blog: Für viele ist Crowdfunding einfach eine neue Möglichkeit, die eigenen Projekte im Kunst- und Kulturbereich zu finanzieren. Statistisch gesehen ist die Aussicht auf Erfolg auch gar nicht so schlecht. Wie siehst Du die weitere Entwicklung? Wird es zukünftig schwerer werden, auf diesem Weg Projekte zu finanzieren oder können wir weiterhin davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Vorhaben das finanzielle Ziel erreicht?

Simone Mathys-Parnreiter: Was sich ändern wird, ist der Neuigkeitswert von Crowdfunding an sich. Derzeit hat man je nach Bereich, in dem man tätig ist, schon nur mal deswegen Aufmerksamkeit für eine Kampagne, weil Crowdfunding noch relativ neu ist. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem Crowdfunding eine gewissen Selbstverständlichkeit haben wird, für die Projekte wie für die Crowds – als Finanzierungsmöglichkeit, Vorverkauf, Markttest oder Partizipationsmodell. Daran werden sich die Projekte in Sachen Storytelling und Kommunikation anpassen müssen. Für stark auf Breitenwirksamkeit ausgelegte Projekte mag es enger werden, dafür werden sich die Crowds stärker daran gewöhnt haben, auf diesem Weg an Kulturprojekten zu partizipieren. Und direkte Kommunikation mit der eigenen Zielgruppe wird sich stärker als Must Do etablieren. Ich denke, dass sich dies unterm Strich nicht groß auf die Erfolgsquoten auswirken wird. Übrigens: Bei uns auf wemakeit erreichen im Schnitt 70% der Projekte ihr Ziel.

Kulturmanagement Blog: Vor allem kleinere Kulturbetriebe tun sich schwer Sponsoren zu gewinnen. Ist das Crowdfunding für diese eine lohnende Alternative oder lassen sich vielleicht sogar beide Instrumente verbinden? Ich denke dabei an Eure Kooperation mit dem Schweizer Unternehmen Swisscom.

Simone Mathys-Parnreiter: Beides – und es gibt auch noch ein drittes Szenario: Dass man Sponsoren leichter bekommt, wenn man mit einer erfolgreichen Crowdfunding-Kamapgne bewiesen hat, dass man ein interessiertes Publikum hat und vermag, dieses zu aktivieren. Das ist das, was Sponsoren interessiert – ihr „Reward“ ist schließlich meist Werbepräsenz.

Verbindungen von Crowdfunding und Sponsoring sind auf verschiedene Arten interessant. Zum Beispiel für Sachsponsoring von Rewards für Kampagnen, gerade derzeit, wo Sachunterstützung leichter zu bekommen ist als Geld. Dann gibt das Modell, Sponsoring und über Crowdfunding erwirtschaftete Gelder zusammenspielen zu lassen – wie bei unserer Kooperation mit der Swisscom in der Schweiz, dem Swisscom Music Booster: Die Swisscom hat einen Fördertopf für junge Schweizer Bands zur Verfügung gestellt und vergeben werden die Gelder über Kampagnen auf wemakeit. Sobald diese Kampagnen 30% ihres Finanzierungszieles erreicht haben, legt die Swisscom die nächsten 30% drauf (wenn der Betrag auch nach oben gedeckelt ist). Die letzten 40% müssen die Bands wieder selbst erfunden. So ist für die Swisscom sichergestellt, dass sie nur Bands unterstützen, die tatsächlich „dahinter“ sind und Publikum haben und dass sie als Sponsoren werbewirksam präsent sind. Letzteres können wir auf wemakeit mit einem eigenen Channel für den Music Booster sicherstellen.

Kulturmanagement Blog: Wer beim Crowdfunding erfolgreich sein möchte, darf mit der Bewerbung nicht warten, bis das Projekt fertig ist, sondern muss schon frühzeitig auf sich aufmerksam machen. Welche Auswirkungen hat das auf das Marketing von Kulturbetrieben?

Simone Mathys-Parnreiter: Positive. Bei Crowdfunding reicht es nicht, nach Fertigstellung eines wie auch immer gelagerten Projektes die breite Kommunikationskanone anzuwerfen (Pressemitteilungen, Flyer, Plakate etc.). Die Crowd – das Zielpublikum, die Menschen, für welche diese Kulturangebote da sein sollen – müssen früher in konzeptuelle Überlegungen und in die Kommunikation einbezogen werden. Das heisst, dass man nicht im Elfenbeinturm dahinwerkeln kann, sondern sich für seine Zielgruppe interessieren muss: sie wahrnehmen, ernst nehmen und einladen. Für mich heisst das zum Beispiel – was manche Institutionen machen, andere aber nicht – Vermittlung nicht als nachgelagertes To Do zu sehen, sondern konzeptuell von Anfang an mitzudenken. Wenn Crowdfunding ein Incentive für all das ist, ist das grossartig.

Kulturmanagement Blog: Was bedeutet das für die Plattformen? Müssen die den Schritt hin zum Marketing auch mitgehen und was könnte das im Hinblick auf deren Angebote bedeuten? Werden aus Anbietern wie wemakeit oder all den anderen Anbietern Marketingplattformen?

Simone Mathys-Parnreiter: Ja und nein. Marketing durch die Plattformen selbst halte ich nur für bedingt sinnvoll. Mit generischer Massenkommunikation ist es im Crowdfunding nicht getan. Jedes Projekt hat eine andere Crowd, die eine andere Sprache spricht und so persönlich wie möglich erreicht werden soll.

Ich kann mir vorstellen, dass Plattformen beginnen werden, Kommunikationsunterstützung als Zusatzleistungen anzubieten. Es gibt einen hohen Bedarf bei den Projekten und viel Know-How bei den Plattformen, das ist sozusagen aufgelegt. Wir unterstützen bei wemakeit ja persönlich bei der Planung der Kampagne, können aber dennoch nicht so weit gehen, wie etwa eine Agentur, die faktisch die Kampagne mit den Leuten gemeinsam macht. Hier wird sicherlich auch in Österreich ein Sekundärmarkt für Dienstleistungen rund um Crowdfunding heranwachsen und bestehende Kommunikationsagenturen werden das verstärkt in ihre Portfolios aufnehmen.

Kulturmanagement Blog: Hast Du für all diejenigen, die gerade ihre erste Kampagne planen, einen Tipp, was sie unbedingt vermeiden sollten?

Simone Mathys-Parnreiter: Nabelschau und glauben, dass Kommunikation ein Selbstläufer ist. Und als positiven Tipp: Love your crowd!

Kulturmanagement Blog: Danke für Deine Antworten! ;-)


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