Museumsguide: Audiokärtchen statt App

Nubart ist ein “Audioguide”, den die BesucherInnen über ihr eigenes Smartphone nutzen können. Der Zugang zu den Inhalten erfolgt via QR-Code, eine App-Entwicklung oder die Anschaffung von Hardware sind nicht nötig.

Eine kleine Karte als haptischer Stellvertreter für das eBook

Manche Ideen sind gut und haben es doch schwer, sich durchzusetzen. Gründe dafür gibt es viele. Unter Umständen ist die Technologie noch nicht ausgereift oder wir Menschen sind nicht bereit, uns von unseren Gewohnheiten zu trennen. Wobei eigentlich beide Punkte nicht auf das spanische Startup Digital Tangible zutreffen. 2013 von Rosa Sala, Jordi Pérez und Simon Effing gegründet, hatte das Unternehmen eine in meinen Augen sehr gute Geschäftsidee. “Wir wollten”, erinnert sich Rosa Sala, “dass man eBooks physisch verkaufen, verschenken oder auch sammeln kann”. So entstand die Idee, kleine Kärtchen zu produzieren, über die man dann das eBook erhalten konnte.

Screenshot von der Label-Seite seebook.eu

Ich selbst habe mir so etwas immer gewünscht. Ich hätte oft gerne ganz bestimmte eBooks verschenkt. Aber jemandem einen Gutschein zu schicken, auf dem nur ein Eurobetrag steht und ihm oder ihr dann auszurichten, dass sie doch bitte ein ganz bestimmtes Buch kaufen sollten, widerstrebt mir bis heute. Deshalb habe ich in meinem ganzen Leben nicht ein einziges eBook verschenkt.

“Wir haben drei Jahre lang alles nur Denkbare getan, um diese Idee, die übrigens Alle immer sehr gut fanden, erfolgreich umzusetzen”, so Sala, die damals CEO des Startups mit Sitz in Barcelona war. “Aber es hat nicht funktioniert. Die Buchhändler, die daran am meisten interessiert sein sollten, haben uns kaum unterstützt.”

Auch mit Hörbüchern funktionierte es nicht, erzählt die promovierte Germanistin von ihrem nächsten Versuch, den Buchmarkt zu erobern. “In Spanien waren Hörbücher damals noch ziemlich unbekannt und die Versuche in Deutschland, Hörbücher zu streamen, sind gescheitert, weil die Kundschaft weiter auf die CD setzte. Der Grund: ‘Die lassen sich viel besser einpacken!’”

Aber dank Simon Effing verfügte das Unternehmen zu jenem Zeitpunkt schon über eine ganz interessante Technologie. Das selbst entwickelte Light Online Content Protection-System (LOCP) erlaubte einen kontrollierten und nicht übertragbaren Zugang zu einem digitalen Inhalt, ohne die UserInnen mit lästigen Log-Ins zu nerven. So habe man eine eigene Social-DRM-Lösung entworfen, die man Kunden heute immer noch anbiete. “Darüber hinaus hatten wir”, so Sala, “ein eigenes System zur Aufnahme und Darstellung von komplexen User-Daten aufgebaut und wir verfügten über ein eigenen CMS, das sich besonders für Audiofiles eignete”.

Angesichts der Frage, wie es nun weitergehen könne, erinnerte sie sich an einen schon Jahre zurückliegenden gemeinsamen Besuch mit einem Pärchen im Picasso-Museum in Barcelona. Die meinten damals, dass sie statt eines Leihgerätes viel lieber eines der Kärtchen hätten. Diese wären nicht nur praktischer, sondern auch ein schönes Souvenir, das man später zuhause an die Kühlschranktür kleben könne.

“Ich habe diese Bemerkungen damals ad acta gelegt, aber nach dem Floppen von der eBook- und Hörbuchkarten wurde sie plötzlich wieder präsent”, erinnert sich Sala an diesen Moment.  Und so entstand die Idee, Museen diese Karten anzubieten. Unter dem neuen Label “Nubart” bewarb das Unternehmen seinen Audioguide im Scheckkartenformat bei den Museen und konnte in Spanien gleich einige Museen als Kunden gewinnen. Dieser Erfolg motivierte das Team, auch andere Märkte in Angriff zu nehmen und so öffnete im letzten August eine Dependance in Berlin. Von hier aus sollen nun die Museen im deutschsprachigen Raum angesprochen werden.

Die Inhalte werden auf das eigene Mobilgerät gestreamt

Warum gefällt mir die Idee dieses Audio Guides so? Wir alle wissen, dass wir uns im Moment in einer Art Umbruchphase befinden. Die App in ihrer jetzigen Form wird es vermutlich nicht mehr lange geben. Wir nutzen sie zwar sehr gerne auf unseren mobilen Endgeräten, verlassen uns aber auf immer weniger Apps (siehe dazu meinen Beitrag “Apps im Kulturbereich: das sollten Kulturbetriebe wissen“). Außerdem hat Colleen Dilenschneider herausgefunden, dass die BesucherInnen kultureller Angebote nur selten vor oder während ihres Besuchs eine App nutzen. Es kommt für die Kultureinrichtungen aber noch schlimmer:

“(.) the ones who do use an organization’s app do not experience a significant increase in visitor satisfaction.”,

schreibt sie in ihrem Blogbeitrag “Are Mobile Apps Worth It For Cultural Organizations“. Das bedeutet: Wer zum Beispiel eine App in einer Ausstellung nutzt, um mehr über die ausgestellten Objekte und das Thema der Ausstellung zu erfahren, profitiert davon anscheinend gar nicht so sehr. Zumindest in den USA, wo die Befragung durchgeführt wurde.

Bleiben die Museumsguides. Sie verursachen allerdings recht hohe Kosten, denn das Museum muss sich bei dieser Variante nicht nur um die Inhalte kümmern, sondern auch um Anschaffung und Wartung der Hardware.

Der Nubart Audio-Guide braucht weder App noch Museums-Guide, sondern setzt auf die Kärtchen, die den Zugangscode für die Inhalte enthalten.

Die bekomme ich zum Beispiel an der Kasse, scanne dann mit meinem Smartphone den QR-Code ein und gelange so auf eine mobile Website, auf der die Inhalte für die Ausstellung zu finden sind. Beworben wird die Anwendung zwar als Audio-Guide, aber grundsätzlich lassen sich auch Videos, Karten oder auch PDFs in die Tour einbauen. Die Inhalte liegen auf den Servern des Unternehmens (was das Erstellen von Nutzerstatistiken ermöglicht.) und werden von dort gestreamt.

Das bedeutet, die BesucherInnen müssen auf diese Inhalte zugreifen können. Im Idealfall verfügt das Museum über ein freies WLAN. Alternativ sollte eine gute Netzabdeckung vorhanden sein. Nachdem die Roamingkosten in der EU seit ein paar Monaten der Vergangenheit angehören, ist das für EU-Bürger kein Problem mehr. Für den Fall, dass beide Varianten nicht möglich sind, bietet das Unternehmen auch eine Offline-Variante an.

Auf Augmented- oder virtual Reality-Anwendungen muss das Museum bei der Audio-Karte zwar verzichten. Aber dafür bedarf es keiner Marketingaktivitäten, um die App im App-Store zu bewerben oder den Audio- oder Multimediaguide gegen Gebühr oder eine Sicherheitsleistung zu verleihen. Die Nubart-Kärtchen können entweder kostenlos oder gegen einen frei wählbaren Betrag abgegeben werden. Vielleicht findet sich auch ein Sponsor, der die gebrandete Karte für Werbung in eigener Sache nutzt.

Ich denke, diese Lösung ist vor allem für die kleinen und mittelgroßen Museen interessant, die weder das Geld noch das Know-How für Konzeption und Entwicklung einer App haben und ihren BesucherInnen trotzdem etwas anbieten wollen. Natürlich kann ich schon heute Chatbots für die Führung durch das Museum nutzen (siehe dazu den Beitrag von Angelika Schoder: “ChatBots als interaktive Guides im Museum”). Aber erstens haben da vermutlich viele Museen selbst (noch) Vorbehalte. Zweitens gibt es vermutlich so wie mich viele Museumsbesucher, die während des Besuchs einer Ausstellung lieber zuhören als mitlesen (Dieser Einwand stimmt nur zum Teil, auch über den Messenger lassen sich Audio-Files abrufen).

Fazit: Der Audio-Guide per Karte ist eine eher niederschwellige Lösung. Museen, die sich dadurch angesprochen fühlen und es eher haptisch mögen, sollten einen Blick auf die Website des Unternehmens werfen.


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13 Antworten zu „Museumsguide: Audiokärtchen statt App“

  1. Super Idee, gefällt mir grandios. Mich persönlich spricht die ebook-Idee sehr an, muss recherchieren, ob das noch angeboten wird. Sehr innovativ und für meine Kunden interessant, die ihre Bücher auf diesem Weg anbieten könnten.

  2. Haha, mir hat die Idee mit den eBooks auch total gut gefallen. Diese Variante existiert noch, allerdings sind dort nur spanische eBooks zu finden. Hier findest Du den Katalog.

  3. rgl

    Finde ich sehr spannend. Es gibt ja Museen in Berlin, die keine Tickets ausgeben, sondern Bons aus einer Supermarkt-Kasse. Da fehlt mir dann jedesmal der haptische Beweis, dass ich dort war. Ich sammle Tickets. Auch der Audio-Book-Ansatz gefällt mir sehr gut. Ich frage mich bei jedem Audio-Guide, den mir ein Museum anbietet, wie lange es diese Technologie noch geben wird ;-)

  4. Wir Menschen sind halt doch Sammler und Jäger. ;-) Aber wir sammeln nicht einfach so, sondern verbinden damit z.B. Erinnerungen, die diesen Dingen dann erst ihren Werte verleihen. Du hast es ja recht schön beschrieben. Für mich gilt das im Museum, aber bei eBooks würde ich das auch sehr schön finden.

  5. Hubertus Kohle

    Großartige Idee. Dass der Buchhandel so etwas nicht als Steilvorlage annimmt, ist mir ein Rätsel und zeigt nur wieder den Unwillen zur Erneuerung an.

  6. Wir begleiten aktuell eine Porträt-Ausstellung mit QR Codes. Jede/r Besucher/in bekommt beim Ticketkauf einen Flyer mit dem Code, der auf unsere Webseite führt, wo die Biografien (über 100 Seiten) eingebunden sind, die unmöglich in der Ausstellung plakatiert werden könnten. Da wir die Inhalte auch übers Web zugänglich machen, können Besucher/innen im Anschluss nachlesen, oder sich auf den Besuch vorbereiten. Für Schulen ist es ein beliebtes Infomaterial. Dadurch genierieren wir monatlich rund 1.000 Seitenzugriffe, die wir sonst nicht hätten, und wir brauchen keinen Audioguide. Kann mir also gut vorstellen, dass diese Konzept angenommen wird!

  7. Der Vorteil der Kärtchen liegt darin, dass die Besucher digitale Spuren hinterlassen und man so Daten gewinnt. Eure Variante gefällt mir auch gut und ist auf alle Fälle kostengünstig. Und in GA sieht man ja auch, woher ein User kommt.

    1. Ein zusätzlicher Vorteil der Kärtchen ist, dass das Museum sie verkaufen kann. Auf diese Weise gewinnt das Museum die Investition schnell zurück und kann sogar etwas für neue Projekte dazu verdienen.

  8. Eine schöne Idee, danke fürs Vorstellen. Besonders für E-Books finde ich das klasse, komisch, dass sich manche gute Ideen nicht durchsetzen. Für den Museumsbereich finde ich es aber noch einfacher, per QR-Code auf der Museumswebsite entsprechende Dateien zu hinterlegen. Dann kann das Museum die Zugriffe auch erheben und die Flyer, Kärtchen, etc. kann man ja auch selbst drucken. Audioguides und Museumsapps finde ich inzwischen überflüssig. Das wiederum hilft kleinen Museen, für die es schon schwer genug ist, Gelder für die Produktion von Audiodateien aufzutreiben.

    Viele Grüße,
    Marlene

    1. Ja, so geht das natürlich auch. Mit den Kärtchen bringst Du noch ein haptisches Element ins Spiel. Hinzu kommt, dass die Daten auf dem Nubart-Server liegen und es statistische Auswertungen gibt. Und Du kannst theoretisch für die Nutzung des Angebots Geld verlangen.

  9. Ich finde aber, dass man sich nicht ausschließlich auf die Endgeräte der Besucher verlassen sollte. Es gibt durchaus noch Smartphone-Verweigerer oder was macht man mit Besuchern, deren Akku vom Smartphone nur noch 15% hat?
    Um eigene Leihgeräte kommt man da meiner Meinung nach nicht rum. Ansonsten finde ich das einen guten Ansatz!

    1. Ein paar Geräte zur Verfügung zu stellen, kann schon Sinn machen. Der Vorteil: Man muss in diesem Fall keine teuren Geräte kaufen und nach ein paar Monaten weiß man, wie dieses Angebot angenommen wird. Danach kann man immer noch ein paar Geräte dazukaufen.

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