Wenn Sie gelegentlich mein Blog lesen, werden Sie hier des öfteren Beiträge finden, bei denen es um Weblogs, Wikis, Social Networks und ähnliche Dinge geht. Wahrscheinlich verrate ich kein Geheimnis, wenn ich von mir behaupte, dass ich das Social Web und all die Tools, die in diesem Zusammenhang entwickelt wurden, als sehr nützlich für die Arbeit – nicht nur im Kunst- und Kulturbereich – ansehe. Allerdings besteht die Gefahr, dass man (ich eingeschlossen) sich in etwas hineinsteigert und gar nicht mitbekommt, dass alle anderen einem gar nicht mehr folgen (wollen). Um dieser Gefahr zu entgehen, versuche ich, bevor ich über eine neue Software oder ein neues Tool berichte, mir die Frage zu stellen, ob sich diese Instrumente dann auch wirklich einsetzen lassen? Natürlich heißt das nicht, dass ich damit warte, bis etwas im Mainstream angelangt ist, nein. Aber irgendwo muss der mögliche Nutzen zumindest erahnbar sein.
Wenn ich hier also über das Social Web schreibe und Tools vorstelle, mit deren Hilfe Sie mit Ihren KollegInnen oder Ihrem Publikum kommunizieren und interagieren können, dann setzt das ja voraus, dass die das auch wirklich wollen. Was helfen Ihnen Social Bookmarks, wenn sie außer Ihnen keiner nutzt? Auf die “Weisheit der Massen” brauchen Sie in so einem Fall dann nicht vertrauen. ;-)
Wie ist das also mit uns und dem Social Web? Wer nutzt diese Tools in welcher Weise und wer nutzt sie gar nicht? Dank Nina Simon bin ich auf ein ganz interessantes Tool aufmerksam geworden, das Forrester Research entwickelt hat. Mit dem von dieser Firma entwickelten Profiling Tool lässt sich herausfinden, auf welch unterschiedliche Art und Weise wir das Social Web nutzen. Forrester unterscheidet dabei zwischen sechs verschiedenen Gruppen, die Nina Simon in ihrem Blogbeitrag “Creative Profiling: Tools for Defining and Understanding Your Audience” so zusammenfasst:
- “creators (people who produce content, upload videos, write for blogs)
- critics (people who submit reviews, rate content, and comment on social media sites)
- collectors (people who tag sites, use del.icio.us, create RSS feeds and aggregates)
- joiners (people who join social networking sites like Facebook and LinkedIn but don’t create a lot of content)
- spectators (people who read blogs, watch Youtube videos, and visit social sites)
- inactives (people who don’t visit social sites)”
Das auf der Basis von Befragungen erstellte Profiling Tool ist nun sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, aber es gewährt schon einige interessante Einblicke, welche Auswirkungen Alter, Geschlecht und Herkunft haben. Zwar sind kleine Länder wie die Schweiz oder Österreich nicht extra angeführt, aber behelfen wir uns mit den Informationen, die über Deutschland zur Verfügung stehen.
Dort stellen die “inactives”, das sind diejenigen, die keine social sites besuchen, die größte Gruppe. Nur in den Altersgruppen bis 34 überwiegen die “spectators”. Diese Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie solche Seiten immerhin aufsucht, sich aber nicht aktiv an der Kommunikation beteiligt.
Wie man es auch dreht und wendet: diese beiden Gruppen bilden zusammen in jeder Konstellation die Mehrheit. Natürlich kann jemand, der sich auf YouTube ein Video anschaut, irgendwann auch auf einem Blog einen Kommentar abgeben und ist also nicht nur “spectator”, sondern gehört gleichzeitig auch zur Gruppe der “critics”. Daher sind in dieser Einteilung Mehrfachnennungen möglich. Nur bei den “inactives” logischerweise nicht.
Wenn Sie wissen, welche Besucherstruktur Ihre Kunst- oder Kultureinrichtung aufweist, haben Sie eine Ahnung, wie Web2.0-affin Ihr Publikum ist. Wenn Sie das Forrester-Tool nutzen, werden Sie wahrscheinlich erkennen, dass es mit der Partizipation noch nicht so weit her ist.
Nina Simon rät nun, nicht den Versuch zu unternehmen, das Publikum auf ein “höheres Level” zu bringen, also aus den “spectators” “joiners” zu machen:
“It would be strange to imagine talking the same way about learning styles–trying to push people out of their own modalities into preferred “higher-level” engagement types.”
Nein, Ihr Ratschlag lautet ganz anders:
“Instead of trying to push visitors to new heights, we should focus on providing content that accommodates the full range of user styles.”
Das heißt, es geht nicht darum, eine – in ihrem Fall – Ausstellung so toll zu gestalten, dass alle BesucherInnen zu “creators” werden, sondern es geht um die Frage:
“how do we make an exhibit so good that creators, joiners, collectors, spectators, and critics are included?”
Jede dieser Gruppen müssen wir eigentlich auf eine ganz spezielle Art und Weise ansprechen. Simon stellt fest, dass Museen derzeit vor allem die “creators” ansprechen, während es für die anderen Gruppen kaum eine adäquate “Ansprache” gibt.
“We rarely engage the critics, collectors, and joiners. Where do visitors get to vote on their favorite content? Which exhibits allow them to aggregate selections from a group? Which allow them to connect with other visitors socially?
Darauf sollten wir unser Augenmerk richten, so Simon. Das heißt nun nicht, dass wir uns vom partizipativen Ansatz verabschieden müssen. Aber wie so oft kann man auch hier konstatieren: weniger ist manchmal mehr.
Lassen wir den Menschen die Zeit, um sich mit dem Internet und den vielen Tools vertraut zu machen. Manche werden vielleicht irgendwann die Chance nutzen, sich aktiv einzubringen, andere nicht. Macht ja nichts. Vielleicht versuchen wir sie nicht davon zu überzeugen, dass das Social Web etwas ganz Tolles sein kann, sondern schaffen eine Umgebung, in der sie die Möglichkeit haben, das selbst zu erkennen. Im Sinne der Nachhaltigkeit wäre das wahrscheinlich eh der sinnvollere Weg.
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