Wie war das noch in den Anfangszeiten des Internets. Die meiste Zeit war man offline und arbeitete am PC und nach einer gewissen Zeit warf man dann das Modem an, wählte sich ins Internet und schaute, ob neue Mails eingelangt waren. Heute sieht das etwas anders aus: Menschen, die am PC arbeiten, checken mehr als 50 Mal ihre Mailbox, nutzen 77 Mal den Instant Messenger und besuchen mehr als 40 Websites. Diese Zahlen hat Sarah Perez für ihren Beitrag Info Overload auf ReadWriteWeb einer Studie des Forschungsunternehmens Basex entnommen.
Der Umgang mit all diesen Tools führt zu einem Produktivitätsverlust, durch den ein Schaden von rund 650 Mrd. Dollar entsteht. Entstanden ist er durch die Nutzung der Tools, die eigentlich unsere Produktivität verbessern sollten. Nur die wenigsten widerstehen der Versuchung, die eingegangene Email sofort zu lesen. Schließlich könnte sie ja wichtig sein.
Mit jedem Kommunikationstool wächst die Herausforderung, nicht völlig von ihnen vereinnahmt werden. Da haben wir die Social Networks wie Xing oder Facebook, Blogs, die wir entweder selbst betreiben oder lesen oder Skype. Neu hinzugekommen sind in letzter Zeit noch Twitter und Friendfeed, zwei Angebote, die auf der einen Seite sehr nützlich sein können, auf der anderen aber wahre Zeitfresser sein können.
Jetzt habe ich aber nur Beispiele aus der Welt des WWW gebracht. Außerdem lesen wir Tageszeitungen, Fachzeitschriften, gehen zu Veranstaltungen und treffen andere Menschen. Überall saugen wir Informationen auf, mit denen wir in irgendeiner Form umgehen müssen.
Bezogen auf das Internet beschreibt Sarah Perez unsere gegenwärtige Situation recht treffend:
“It seems we’re at a crossroads – there’s so much information, but not enough filters. We can either drown in the lost productivity time sink that is the internet or we can swim…swim for our lives. The question is: how?”
Ein häufig anzutreffender Ansatz ist es, Routinen, also feste Regeln zu entwickeln, die es uns ermöglichen, mit der Informationsmenge klar zu kommen. Manchen fällt es leichter, diese festen Abläufe zu entwickeln und dann auch einzuhalten, anderen fällt es schwerer. Manche behelfen sich damit, dass sie die Verbindung zum Internet kappen, andere sind so diszipliniert, dass das kein Thema für sie ist. Ob angeboren oder erlernt, wir alle benötigen Strukturen, um uns in der Welt der Informationen zurecht zu finden.
Nicht alle von uns sind Multitasker wie Louis Gray, der kein Problem damit hat, neben seiner Arbeit auch noch den Fernseher laufen zu lassen. Ich zum Beispiel schaffe das nicht. Wenn ich mich konzentrieren muss, dann läuft bei mir kein Twitter oder Friendfeed. Und die Email werden eh nur noch alle paar Stunden abgerufen. Manche nutzen dann noch Programm wie Darkroom, um beim Schreiben nicht abgelenkt zu werden, aber das ist dann doch zumindest für mich zu viel des Guten.
Aber ich kann mich natürlich nicht ständig “einsperren” und bin auch nicht davon überzeugt, dass das sinnvoll ist. Perez hat Recht, wenn sie fordert, dass wir lernen müssen, mit der Ablenkung umzugehen. Wir alle fanden es toll, als mit dem Internet das starre Prinzip der Linearität aufgehoben wurde. Aber nun gilt es auch für uns, einen Modus dafür zu finden. Ein schönes Beispiel ist der Umgang mit Friendfeed. Dort erfahre ich nicht nur, was meine “Freunde” von sich geben, sondern gleichzeitig auch deren Freunde.
Wer hier versucht, Informationen chronologisch und systematisch abzuarbeiten, der wird scheitern. Nicht ohne Grund bezeichnen viele das, was über Twitter, Friendfeed oder ähnliche Kanäle kommuniziert wird, als ein “Grundrauschen”. Manches davon nehme ich wahr, anderes rauscht an mir vorüber. Dieses Rauschen ist aber in meinen Augen wichtig, denn wenn ich an einer bestimmten Stelle genauer hinhöre, kann ich wertvolle Informationen und Anregungen erhalten.
Das heißt, wir müssen Systeme entwickeln, um den größtmöglichen Nutzen aus diesem ständigen Informationsfluss ziehen zu können. Das Managen von Informationen wird mehr und mehr zu einer Schlüsselkompetenz. Nur wie kann das funktionieren?
“Create your own filters”,
schlägt Perez vor. Diese Filter können technischer Art sein, indem ich eben nur zu bestimmten Zeiten meine Emails oder die RSS-Feeds lese. Eine andere Möglichkeit ist es, sich auf andere Menschen zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass sie die wichtigsten und interessantesten Informationen zu bestimmten Themen finden. Der Begriff des “digital curator” gefällt mir in dieser Hinsicht sehr gut.
Das bedeutet, hier werden neue Dienstleistungen entstehen, die mir zu den Informationen verhelfen, die ich auch wirklich benötige. Derzeit befinden wir uns in einer Experimentierphase und niemand weiß, wozu diese ganzen Kanäle wirklich gut sind. Vielleicht lachen wir in ein paar Jahren über unsere Versuche, uns über die diversen Kanäle auszutauschen?
Aber ganz ehrlich: es macht schon Spaß, diese Tools einzusetzen und sich mit Menschen auszutauschen, die man sonst nie kennenlernen würde.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen