“Architecture of Participation”

Museum und das Internet als Marketing- oder Kommunikationsinstrument, das scheint zumindest im deutschsprachigen Raum (noch) nicht wirklich zusammen zu passen. Jörn Borchert, Ausstellungsberater und Betreiber des Blogs “Kulturelle Welten“, schätzt die Situation im Interview auf Karin Janners Kulturmarketing Blog so ein:

“Aus meiner Sicht als Ausstellungsberater und –besucher spielt das Internet im Marketing von Museen kaum eine Rolle, nehmen wir einmal einige der großen Museen mit mehr als 100.000 Besuchern im Jahr aus.”

Wer dann nach Museen sucht, die Web2.0-Tools einsetzen, wird erst recht enttäuscht. Warum das so ist? Jörn Borchert hat dafür keine Erklärung, fragt sich aber zu Recht, warum beispielsweise in Portugal so viele Museen ein Weblog betreiben?

Vielleicht liegt es ja daran, dass die Museen im deutschsprachigen Raum sich noch als Bildungsanstalt verstehen und somit das Verhältnis zwischen Museum und Publikum ein anderes ist als etwa im angelsächsischen Raum, wo die Museen schon seit längerer Zeit mit dem Web2.0 experimentieren.

Eine der VordenkerInnen ist Nina Simon mit ihrem Blog Museum 2.0. Wer mein Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich immer wieder gerne Anregungen von ihr aufgreife und auf sie und ihr Blog verweise. Via Museum Audience Insight bin ich nun auf auf einen Artikel gestoßen, in dem sie ihre Gedanken zum Thema Museum und Web2.0 sehr anschaulich zusammenfasst. In “Discourse-in-the-Blogosphere” geht Simon der Frage nach, was Museen vom Web2.0 lernen und wie sie es nutzen können.

Lernen deshalb, weil für sie Museen und das Web etwas gemeinsam haben:

“Like museums, the Web is traditionally a place where authorities distribute content to visitors. But the Web has been taken over by new platforms that have radically changed content distribution.”

Dadurch hat das Web2.0 aus den BesucherInnen UserInnen gemacht, ein Prozess, den sie auch den Museen empfiehlt. Es geht um Partizipation und das Web2.0 dient ihr dabei als Vorbild (“architecture of participation”).

Daher ist die Verwendung von Web2.0-Tools auch keine Entscheidung des Designs, sondern eine des Vertrauens.

“All museum endeavors require a certain element of trust in visitors—that they will take their role seriously and respectfully. But the integration of 2.0 requires ‘radical trust’ in visitors’ abilities to create and judge, not just receive, museum content. When you design for the we, you must trust visitors to use the exhibits as they see fit—not as you do”,

lautet die Schlussfolgerung von Nina Simon. Vielleicht kann sie mit dieser Einstellung und ihren Ideen auch unsere Museen motivieren?


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Kommentare

7 Antworten zu „“Architecture of Participation”“

  1. Schön, dass Du das Thema aufgreifst!

    Die Liste der portugiesischen Museumsblogs hat mich auch beeindruckt.

    Es gibt ja im Web alles Mögliche zu finden, für mich zugänglich sind allerdings nur Inhalte in einer Sprache, die ich halbwegs verstehe.
    Daher weiß ich so ungefähr um den Zustand des Online-Marketing/ Web 2.0 in deutsch- englisch- und französischsprachigen Ländern, dann ist es aber auch schon aus mit meiner Weisheit…

    Interessieren würde mich natürlich sehr, was da in anderen Ländern so los ist… aber internationale Untersuchungen sind schwer anzustellen…
    Zur allgemeinen Bereitschaft, Web 2.0 zu nutzen (da sind ja sicher ein paar Untersuchungen aufzutreiben) kommt natürlich dazu, in welcher Rolle sich ein Museum in dem entsprechenden Land sieht – und ob die Partizipation dort schon eine Rolle spielt. Denn bevor Web 2.0 technisch umgesetzt werden kann, muss die Partizipation mal “als Geisteshaltung vorhanden sein” (das hat auch irgendjemand im Rahmen meiner Interviewreihe Interviewreihe eingeworfen, würde ihn/sie gerne, nennen, weiß aber nicht mehr, wer es war…)
    Gibt es Erfahrungen? Weiß jemand, wie Web 2.0 in polnischen, spanischen, japanischen Museen genutzt wird? Und ob sich dadurch die Beziehung des Museums zu ihren Besuchern verändert hat…?

    Natürlich sind viele Museen hierzulande mit dem Partizipationsgedanken überfordert. Bei gar nicht so wenigen hat man das Gefühl, dass sie ihr Publikum nicht mal richtig wahrnehmen, da ist von Partizipation noch lange, lange keine Rede.
    “Die wissenschaftliche Qualifikation und randseitige Publikationen sind da immer noch wichtiger”, stellt dazu auch Jörn Borchert im Interview fest.

    Aber bei vielen Museen ist es einfach auf Unwissenheit und fehlende personelle Kapazitäten zurückzuführen, dass sie das Internet und insbes. Web 2.0 nicht oder kaum nutzen.
    Zur Unwissenheit: Einen Grund sehe ich darin, dass in der Ausbildung der KulturmanagerInnen dieses Thema sehr stiefmütterlich behandelt wird (und deren Aufgabe ist es ja, Museen in diese Richtung zu beraten, nicht die der ausstellenden Künstler oder der Wissenschaftler…).
    Auch in der Weiterbildung gibt es hier nicht sehr viele Angebote – zu nennen ist aber die jährlich im Mai stattfindende Konferenz “museums and the internet” , die vom Landschaftsverband Rheinland organisiert wird.

    Das Blog von Nina Simon lese ich auch gerne.
    Danke für den interessanten Artikel von ihr!
    (Dazu eine rechtliche Frage: Darfst Du den eigentlich einfach zum direkten Download auf Dein Blog stellen oder solltest Du nicht lieber den Blogbeitrag verlinken, in dem der Download-Link ist? Ich habe nämlich im Artikel keinen Hinweis auf eine cc-Lizenz gefunden…?)
    Und interessieren würde mich auch, aus welchem Buch der stammt (das könnte ja überhaupt ein interessantes Werk sein!), denn im pdf sieht man ja auch die Original-Seitenzahlen, und die sind irgendwo im Bereich der 200…

  2. Danke für den Hinweis auf den Download-Link. Eigentlich hatte ich auch vor, den direkten Link zu setzen, aber aus irgendeinem Grund ist mir da ein Fehler unterlaufen. Ich deponiere solche Dokumente zwar zur Sicherheit auch bei mir, aber verlinken sollte man eigentlich auf das Original, unabhängig von der cc-Lizenz.

    Zu den Museen: ja, es stimmt schon, dass es oft an Ressourcen fehlt. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass das auch sehr gerne als Ausrede verwendet wird. Ich bin jetzt zwar kein Museum, schaffe es aber trotzdem, ein Blog zu betreiben. Und ich bekomme dafür weder von irgendjemandem Geld noch hat der Tag bei mir mehr als 24 Stunden.

    Das gilt auch bzgl. der Unwissenheit. Weiterbildung ist ja nicht verboten, insofern kann man sich ja mit dem Internet beschäftigen. Oder man setzt sich mit ExpertInnen zusammen und erarbeitet gemeinsam mit denen ein Konzept, das dann umgesetzt wird. Dafür stehen wir doch gerne zur Verfügung, oder? :-)

  3. Zum Thema Blog betreiben:
    auch ich kriege das hin mit meinem Blog… aber ich mache es für mich, und drum ist es mir egal, dass ich nicht dafür bezahlt werde. Ich für mich weiß schon, was ich davon habe.

    Aber Du musst doch zugeben: Bloggen (und dann noch zusätzlich Kommentare beantworten, in anderen Blogs kommentieren, Blogeinträge bekannt machen.. alles, was halt sonst noch dazu gehört) kostet ganz schön viel Zeit, und wenn ich es nicht für mich mache, sondern für das Museum, in dem ich angestellt bin und wahrscheinlich eh nicht besonders gut bezahlt werde… schaut das wieder anders aus…

    Weiß nicht, wie viele Angestellte oder freie Mitarbeiter es in Museen gibt, die dafür ihre Freizeit opfern und bis Mitternacht Beiträge verfassen…
    Ich denke eher: Es muss “von oben” kommen, das heißt, der Direktor oder Leiter muss begreifen, was Web 2.0 bringt und es muss dafür ein Budget für die Ausführenden geben – es sei denn, er bloggt selbst…

    Zur Zusammenarbeit mit ExpertInnen:
    Dazu muss man aber erst mal selbst ein bisschen was über das Thema Internet und die Möglichkeiten, die es bietet, wissen. Sonst kommt man ja gar nicht auf die Idee, Experten zu beauftragen. Womit auch ;-)

    Aber Du hast recht, Weiterbildung ist ja nicht verboten ;-)
    Und je mehr Leute sich dafür interessieren, desto mehr Weiterbildungs-Angebote wird es geben. Irgendwann werden dann, hoffe ich, auch die Kulturmanagement-Studiengänge dieses Thema aufgreifen. Es wird also besser werden…

    Noch was zur Weiterbildung: Da geht es auch um Prioritäten. Für die meisten Kulturleute (oder auch Wissenschaftler) ist das Thema Web 2.0 einfach ein Randthema. Wichtig für sie ist die Weiterbildung im eigenen Fachgebiet. Und die wird sicher immer höhere Priorität habe als die Auseinandersetzung mit dem Internet.

    Da könnten wir auch gleich weiter über die Stellenausschreibungen/ Anforderungsprofile von leitenden Angestellten im Museumsbereich diskutieren. Da ist ein Dr. im Fachgebiet und x Publikationen zum Thema verlangt, aber keinen interessiert es, ob der Typ irgendwelche Ideen oder Erfahrungen in Richtung Kulturvermittlung, Besucherorientierung und Marketing hat…

  4. Danke für Deinen langen Kommentar, Karin. das Blogschreiben sehe ich etwas anders wie Du, wenn ich mich nicht täusche. Für mich ist das Blog hier meine Marketingabteilung. :-) Natürlich bekomme ich fürs Bloggen kein Geld, aber über das Blog kann man neue Kontakte knüpfen, neue Aufträge lukrieren etc. Also als reinen Zeitvertreib würde ich das nicht sehen. Klar ist aber, dass man das nur machen kann, wenn es einem Spaß macht. Aber Arbeit und Spaß muss sich ja nicht ausschließen…

    Richtig ist, dass die Beschäftigung mit dem Internet nicht das Privatvergnügen einer einzelnen MuseumsmitarbeiterIn sein kann, sondern vom ganzen Haus gewollt sein muss. Wenn alle anderen im Haus das nicht wollen, dann sollte man da tunlichst die Finger von lassen.

    Thema Geld: Normalerwesie ist die Bezahlung in Museen gar nicht so schlecht, verglichen mit anderen Kunstsparten. Von daher weiß ich nicht, ob das ein Argument ist. Wenn die Bezahlung schlecht ist, fehlt die Motivation aber für jede Art der Tätigkeit. Das ist dann ein generelles Problem.

    Interessant, dass Du die Weiterbildung im eigenen Fachgebiet ansprichst. Ich versuche eigentlich immer, eher Ergänzungen vorzunehmen. Also nicht die nächste Weiterbildung in Projektmanagement, sondern etwas, womit ich das Spektrum erweitern kann, Controlling etwa. Aber da hat wohl jeder seinen eigenen Zugang.

    Wichtig ist aber, dass wir uns überhaupt weiterbilden. Es ist halt nicht so einfach, weil der Arbeitgeber die Fortbildung meist nicht zahlt und die Zeit knapp ist. Wenn es aber irgendwie geht, kann ich eigentlich jedem Weiterbildungen empfehlen. Es muss ja nicht jedes Jahr sein, alle drei bis fünf Jahre sind genug.

  5. Die Sache mit dem Web 2.0 ist nicht nur für Museen ein großes Problem. Robert Scoble hat unlängst ja die Startups sowohl der Demo Fall 08 als auch der TechCrunch50 scharf kritisiert und deren Websites für unzulänglich erachtet. Er hat dafür ordentlich Prügel aus der Community bezogen, lag im Kern aber richtig.

    Mir zeigt das, dass der Umgang mit der Öffentlichkeit im Internet keineswegs so einfach und selbstverständlich ist, wie wir Early Adopters oft meinen. Nicht nur Museen tun sich da schwer, auch junge Technologiefirmen – und das gleich reihenweise.

    So leicht uns selbst also das Bloggen fällt, so wenig dürfen wir das pauschalisieren und von allen anderen einfordern. Damit will ich aber nicht sagen, dass sich Museen keine Mühe geben sollten. Diese Häuser haben ja meist einen größeren Stamm an Mitarbeitern und sollten somit auch jemanden in ihren Reihen finden, der Begabung für und Spaß an der “Herausforderung Web 2.0” hat.

  6. @Christian:
    Zum Blogschreiben: Ich glaube, das hast Du falsch aufgefasst – ich denke, wir beide schreiben unsere Blogs aus demselben Grund.

    Mit “Ich für mich weiß schon, was ich davon habe” habe ich nichts anderes gemeint, als dass ich persönlich von meinen Blogs genug zurück bekomme.
    Natürlich schreibe ich sie nicht zum reinen Zeitvertreib – so viel übrig habe ich davon auch nicht ;-) sondern aus Selfmarketinggründen.
    Und ich würde das auch absolut jedem, der halbwegs gerne schreibt und was zu erzählen hat, raten, zumindest wenn er freiberuflich tätig ist. Denn was mir in den letzten Monaten an interessanten Kontakten, Jobangeboten usw. passiert ist geht weit über das hinaus, was sich in meiner bloglosen Zeit getan hat…

    Aber es ist ein Unterschied, ob ich als Freiberufler unter meinem Namen ein Blog schreibe – aus besagten Gründen – oder ob ich das als Museumsmitarbeiter für das Museum mache. Das würde ich ohne Bezahlung nicht machen.
    Außer, ich kann das irgendwie als Selbstdarstellungsplattform nutzen, was vielleicht für die ausstellenden Künstler interessant wäre, aber für den Marketing/PR-Menschen im Hintergrund, der das Ganze zum Laufen bringt, weniger.
    Oder es ist mein eigenes Museum…
    Wenn die beiden Fälle nicht zutreffen, muss eine Bezahlung für den Museumsblogger her. Und die gibt es nur, wenn “von oben” der Wert des Bloggens erkannt wird und ein Budget dafür bereitgestellt wird.

    @Matthias:
    “…dass der Umgang mit der Öffentlichkeit im Internet keineswegs so einfach und selbstverständlich ist, wie wir Early Adopters oft meinen…”
    Ja, das muss man immer wieder bei all dem bloggen, getwittere, der Nutzung von immer neuen Tools bedenken: Der Großteil der Unternehmen kennt das Zeug nicht – was vielleicht gar nicht so schlimm ist, denn der Großteil der Kunden/ Besucher kennt es auch nicht…
    Aber irgendwann…

  7. @ Karin: ok, dann habe ich Dich nur falsch verstanden. Klar, dass ein Museumsmitarbeiter nicht umsonst Weblogs mit Inhalten füllen soll. Im Endeffekt ist das eine Arbeit wie jede andere. Die PR-Verantwortlichen machen das ja auch nicht umsonst.

    @ Matthias: Ja, Du hast schon Recht. Das ist alles nicht so einfach mit dem Web2.0. Von daher bin ich gespannt, ob das irgendwann mal alles selbstverständlich ist? ;-)

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