Die Digitalisierung des Buches findet schon statt

Dass die Musikindustrie sich im Umbruch befindet. ist keine wirkliche Neuigkeit mehr. Die Zahl der unterschiedlichen Ansätze wieder Geld zu verdienen ist mittlerweile so groß, dass es schwer fällt, den Überblick zu bewahren.

In der Buchindustrie geht es (noch) viel ruhiger zu. Aber auch dort ist in den letzten Jahren einiges passiert, wie Rüdiger Wischenbart in der Wochenendausgabe des STANDARD schreibt (leider habe ich dazu keinen Link entdecken können).

Nachdem das elektronische Buch um die Jahrtausendwende herum seinen ersten Hype erlebt hat, erleben wir nach Ansicht von Wischenbart mit der Markteinführung des Kindle und anderer eBook-Reader einen neuen Versuch, uns das digitale Buch schmackhaft zu machen. Im Unterschied zu damals haben sich, so Wischenbart, unser Umgang mit Informationen und unsere Lesegewohnheiten verändert. Die Dominanz von Zeitung, Radio und TV sei gebrochen. Vor allem junge Menschen bilden sich ihre Meinung,

“indem sie bekannte Kolummnisten mit den Kommentaren ihrer Freunde, Kollegen oder Netzbekanntschaften vergleichen”.

Und noch etwas habe sich geändert, so Wischenbart:

“Für junge Leser wird der Zugang zur Information üblicherweise nicht mehr per Stück abgerechnet. Vielmehr bezahlt man für den Zugang selbst eine Art Abonnementgebühr, eine ‘flat rate’ für Internet oder Handy, über die man sich dann ohne weitere Kosten alle Informationen oder Unterhaltung holt, wann immer und wo immer man möchte.”

Interessant, dass die größten Informationskonzerne auf diesen Zug aufgesprungen sind und dieses Geschäftsmodell übernommen haben. So erwirtschaftet die frühere Thomson-Gruppe, die sich seit der Übernahme der Nachrichtenagentur Reuters Thomson Reuters nennt, nach den Angaben Wischenbarts

“mehr als 80 Prozent ihrer Einnahmen aus digitalen Publikationen und bevorzugt ganz entschieden Informationsdienste, die man im Abonnement Firmen oder Einzelkunden anbieten kann”.

Betrachtet man die zehn größten Verlagsgruppen, dann sehe man, so Wischenbart weiter, dass bereits zwei Drittel der Umsätze aus elektronisch vertriebenen Inhalten bzw. überwiegend digitalen Bildungsangeboten resultieren.

Im Unterschied zu vielen anderen Branchen wird dieser Bereich von europäischen Unternehmen dominiert. Für Wischenbart ist es dabei bemerkenswert, dass die Konzerne noch immer stark durch die Wurzeln ihres Herkunftslandes geprägt seien und außerdem – von Ausnahmen abgesehen – von starken Eigentümerfamilien geführt würden.

Die Verlage haben in diesem Jahr damit begonnen, die digitalen Lesegeräte zu promoten und versprechen, Bestseller künftig auch im dazu passenden Format anzubieten.

Für Wischenbart versteckt sich dahinter entweder eine Werbestrategie oder eine Fehleinschätzung, denn

“für einen – europäischen oder angelsächischen – Bestseller mit einer Auflage von 50.000 oder mehr Exemplaren sorgt der Druck auf Papier wohl noch auf viele Jahre hin für die einfachste und billigste Form der Verbreitung”.

Die digitale Verbreitung sei aber eher etwas für die Werke mit einer geringen Auflage, stellt Wischenbart fest, denn die Kosten für Papier, Druck, Vertrieb und Lagerhaltung würden mindestens die Hälfte des Ladenpreises eines Buches ausmachen.

Er sieht also eher in den Nischen ein Potenzial und verweist auf das Genre der Fantasy-Romane, die in China großteils online zur Verfügung stehen, weil die Geschichten, wie Wischenbart schreibt, für gedruckte Bücher einfach zu umfangreich wären.

Daraus leitet Wischenbart aber nicht das Ende des Buches ab, sondern eher die Entstehung “eine(r) neuen(n), auch wild wuchernde(n) Vielfalt der gleichzeitigen Wege und Möglichkeiten”. Einher werde damit der Niedergang der gewachsenen Geschäftsmodelle gehen, ist Wischenbart überzeugt und prognostiziert

“sehr unterschiedliche Strategien für Große und Kleine, für lokale Verlage oder thematisch spezialisierte Plattformen mit verstreuter Leserschaft”.

Vor allem die Kleinen, denen der Bestseller nicht gelingt, werden sich intensiv um ihr Lesepublikum kümmern. Für sie gelte es, die eigene Community zu gewinnen und zu pflegen, wie Wischenbart es formuliert. Wischenbart liegt sicher nicht falsch, wenn er die Brücke zur Vergangenheit schlägt:

“Wer möchte, kann sich da der Tradition der romantischen Salons zu Beginn des 19. Jahrhunderts besinnen – jetzt verstärkt durch die neuen Informationsmedien und das Internet.”

Die ersten digitalen Strukturen haben sich also bereits herausgebildet. Die eBook-Reader sind nun, wie Wischenbart glaubt, ein weiterer Hinweis, für eine Entwicklung, auf die wir nicht mehr warten müssen, sondern die bereits begonnen hat.

AutorInnen wie Alice Gabathuler oder Martin Gleissner, die ich jetzt hier erwähne, weil ich ihre Blogs lese, aber auch ein bekannter Schriftsteller wie Paulo Coelho haben die Zeichen der Zeit erkannt und betreiben eine ganz neue Form der Leserbindung. Aber auch Veranstaltungsformate wie das von Sabine Gysi initiierte Projekt Salonpalaver weisen in eine Richtung, in der AutorInnen und Publikum sich immer näher kommen.

Darüber hinaus gibt es dann Plattformen, auf denen die LeserInnen Empfehlungen aussprechen können (Amazon) oder sich über ihre Lektüre austauschen (z.B. Shelfari oder readme.cc). Rüdiger Wischenbart hat schon Recht, wenn er feststellt, dass auch für das Buch das digitale Zeitalter schon lange begonnen hat. Trotzdem bleibt es spannend, denn wir alle haben keine Ahnung, was die Zukunft bringen wird.


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Kommentare

6 Antworten zu „Die Digitalisierung des Buches findet schon statt“

  1. Ich bin völlig einverstanden damit, dass diese traditionellen Branchen das Internet als eine Quelle der Möglichkeiten und nicht als Gefahr betrachten sollen. Meiner Beobachtung nach führte es vor allem zur Vielfältigkeit. Früher haben die Medien und die Verkaufskanäle das Angebot stark beeinflusst und eingeschränkt. Jetzt können (noch) nicht bekannte Bands und Autoren sich ohne die Hilfe der „offiziellen“ Medien vorstellen; via Amazon kann man Bücher bestellen, die man in den lokalen Buchhandlungen nicht kaufen könnte.

  2. […]Veränderung ist auch in den traditionellen Branchen alltäglich. „Das digitale Zeitalter für das Buch hat schon lange begonnen“ – schreibt Christian Henner-Fehr im Kulturmanagement Blog.[…]

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  3. Dazu fällt mir noch ein nettes Portal ein: Kennst Du http://www.xinxii.com?
    Dort kann jeder sein e-Book vermarkten: “Schreiben, uploaden, Geld verdienen”, heißt es dort. Für die Autoren ist das Portal kostenlos, der Download kostet etwas.
    Den Themen sind dort keine Grenzen gesetzt, von der Strickanleitung bis zum Science Fiction-Roman ist dort alles zu finden.
    Es gibt ein Bewertungssystem und der direkte Austausch Autor-Leser ist über Kommentare möglich.

  4. Danke, das Portal kannte ich noch nicht, Karin. Das Problem bei all diesen Portalen ist aber, dass die potenziellen LeserInnen nur sehr schwer dorthin finden.

    Dabei könnte man das Problem relativ leicht umgehen, indem man Widgets anbietet, die sich in die eigene Website einbinden lassen.

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