Oper außerhalb der Oper scheint zu boomen

Kino
© Gerd Altmann; Pixelio

Im letzten Sommer hatte ich noch eine Presseaussendung zitiert, in der es hieß, Live-Übertragungen von Opernaufführungen in Kinos wären für selbige kein Geschäft. Nun lese ich, dass mehr als 11.000 ZuschauerInnen die Live-Übertragung von „Lucia di Lammermoor“ aus der Metropolitan Opera New York in deutschen und österreichischen Kinos sehen wollten. Der erste Auftritt von Anna Netrebko nach ihrer Babypause ist sicher ein nicht zu unterschätzender Faktor, aber es ist trotzdem eine Leistung, wenn die Liveübertragung in 27 ausverkauften Kinosälen über die Bühne geht. Und das bei Ticketpreisen von rund 40 Euro (ich beziehe mich dabei auf mein letztes Blogpost, denn die Darstellung der Ticketpreise ist alles andere als transparent).

Die Idee der Met im Kino scheint Anklang zu finden und ich bin gespannt, ob andere Opernhäuser auf diesen Zug aufspringen und entsprechende Kooperationen eingehen.

Gar nicht mehr aus dem Haus müssen Fans der Berliner Philharmoniker, die nicht auf das Kino, sondern mit der Digital Concert Hall auf das Internet setzen. Für knapp zehn Euro ist man schon dabei.

Eine interessante Entwicklung, die dazu führen könnte, dass sich das Image der Kunstsparte Oper ziemlich verändert. Warum gehen Leute statt ins Opernhaus ins Kino oder schauen sich die Liveübertragung vor ihrem Bildschirm an? Geht es ihnen vielleicht gar nicht so sehr um die Oper an sich, sondern um die Stars? Seien wir ehrlich: „Lucia di Lammermoor“ mag eine schöne Oper sein, aber so ein Renner ist sie nun auch wieder nicht. Ist es also der Starkult, der uns in die Kinos treibt oder entsteht in den Kinos eine neue Form von Gemeinschaftsgefühl, das die Leute anspricht? Wie meint Herbert Kloiber, der die Live-Übertragungen in Deutschland und Österreich organisiert:

„Die hohe Bild- und Tonqualität sowie die Begeisterung darüber, einem unvergesslichen Ereignis beizuwohnen, haben sich herumgesprochen.“

Ist der Opernkonsum am PC dann auch ein „unvergessliches Erlebnis“? Oder läuft die Übertragung nur noch nebenbei? Stehen wir bügelnd im Wohnzimmer und hören uns nebenbei live ein Klavierkonzert von Schuhmann an?

Und auch nicht ganz unwichtig: wie reagieren Opernhäuser bzw. Orchester, die nicht so weltbekannt sind wie die Met oder die Berliner Philharmoniker, auf diese Entwicklung? Versuchen sie auch, ein Stück vom Kuchen abzubekommen oder sind diese neuen Einkommensquellen nur den „Großen“ vorbehalten?  Ich bin gespannt, was sich da in den nächsten Monaten alles tut.

Update: Auch die New York Times beschäftigt sich mit dem Thema: „Verdi With Popcorn, and Trepidation


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10 Antworten zu „Oper außerhalb der Oper scheint zu boomen“

  1. Interessant wäre es noch zu erfahren, was das für Leute sind, die das Angebot nutzen. Sind es solche, die lieber in die Oper gehen würden, es sich aber nicht leisten können oder denen die Met einfach zu weit weg ist? Oder erreicht man über diese Kanäle tatsächlich auch Personen, die bislang gar keine Berührung mit der Oper hatten?

    Ich vermute, es geht hierbei vor allem häufigen Opernbesuchern darum, den großen Ereignissen beiwohnen und mitreden zu können. Gesetzt den Fall, diese Vermutung stimmt, dann werden es kleinere, unbekanntere Einrichtungen sehr schwer haben, von diesem Kuchen ein nennenswertes Stückchen abzubekommen. Ein Stadttheater bekommt einfach nicht diese Aufmerksamkeit. Es sei vielleicht denn, es setzt auf spektakuläre Provokation um der Aufmerksamkeit Willen. Das wäre künstlerisch allerdings höchst unseriös.

  2. Stimmt, das würde mich auch interessieren, wer diese Angebote nutzt. Wär das nicht Thema für eine Diplomarbeit?

  3. Interessante Frage des Kulturbloggers: Einerseits ist es eine schöne Entwicklung, wenn Kultureinrichtungen ihre Veranstaltungen auch in die Kinos bzw. ins Web bringen. Andererseits bedeutet das eine ernste Konkurrenz zu lokalen Anbietern („Stadttheater“), die bisher eine Art „Monopol“ hatten.

    Ich vermute mal, dass auf längere Sicht nur die großen, glamourösen Einrichtungen (Opern) überleben werden und dafür neue Kunstformen (Happenings…) aufkommen werden, die den Live-Charakter an kleineren Standorten aufrechterhalten helfen.

    Aus der Sicht der Kunst mag das vielleicht komisch klingen, aus wirtschaftlicher Sicht ist es das nicht: Wer nicht mit der Scala oder der Met konkurrieren kann, verlegt sich halt auf andere Marktsegmente und bleibt so im Geschäft.

  4. So ein Szenario wäre möglich, Matthias. Das würde bedeuten, dass die mittlere Ebene (die der Stadttheater) wegfällt und wir nur noch die „big player“ und die „kleinen Nischenanbieter“ haben werden. Der Vielfalt der Angebote tut das zwar nicht unbedingt gut, aber nachdem tendenziell das Angebot die Nachfrage übersteigt, könnte man dann von einer Art Marktbereinigung sprechen.

  5. Kann mich den Meinungen und Vermutungen der Vorredner nur anschließen: auch ich würde tippen, dass es sich dabei vorwiegend um ein ohnehin schon Opern- und Kino-affines Publikum handelt und der Starfaktor eine große Rolle spielt. Allerdings würde ich die Frage der „Marktbereinigung“ und wo diese Übertragungen stattfinden etwas differenzierter betrachten.

    Die Übertragungen aus der Met finden allesamt in Kinos statt, die schon auf digitale Projektion umgestellt haben. Das heißt, dass diese eine Investition – auf unterschiedlichste Art und Weise finanziert – im sechstelligen Bereich getätigt haben. Wenn ich recht informiert bin, sind das auch live Übertragungen, so dass diese Kinos darüber hinaus auch eine meist via Satellit hergestellte Kommunikations-Verbindung haben müssen, die ebenfalls teuer ist. Sprich: auch diese Übertragungen können sich nur große, finanzkräftige Kinos, zumeist Ketten, leisten, da die kleinen lokalen Kinos häufig noch gar nicht digitalisiert sind. Ist also doch wieder eine Veranstaltung für die großen Städte, insofern sind die „Stadttheater“ (noch?) nicht direkt bedroht.

    Für mich zeigt diese Entwicklung zwei Trends auf, die ich derzeit als wichtig und teilweise spannend erachte: der Trend zu hochqualitativen Übertragungen, wie es die Met in den Kinos und die Berliner Philharmoniker im Internet vormachen. Für renommierte Kultureinrichtungen ist das der einzige Weg vorwärts, schraddelige Übertragungen in Youtube-Qualität sind da nur rufschädigend und werden das Publikum vergraulen. Insofern bieten digitale Aufnahme- und Übertragungstechnologien in HD-Qualität und höher interessante Möglichkeiten für Kultureinrichtungen, ihr Publikum über andere Kanäle zu erreichen und neue Zielgruppen hinzuzugewinnen. Zum zweiten verweist dies auch auf den nicht so spannenden „Starrummel“: meiner Meinungn nach funktioniert dieses Modell nur für die ganz großen Namen. Zu den bereits genannten könnte man z.B. auch noch die Bayreuther Festspiele mit ihrem 2008’er live stream hinzufügen.

    Die Met-Übertragungen werden immer wieder gerne als Paradebeispiel für den sogenannten „alternative content“ angeführt, durch den Kinos höhere Einnahmen erzielen können, womit letztlich die Digitalisierung der Leinwände finanziert werden soll. Angesichts dessen, was ich als interessierte Beobachterin, die an den Rändern der Filmindustrie arbeitet, über die Vertriebsstrukturen in der Kinobranche mitbekomme, lässt das nichts Gutes erwarten. Ich denke, es steht eine „Hollywoodisierung“ der Verhältnisse bevor, wo zwar beispielsweise alternativer Content wie Met-Opern weltweit in den Kinos übertragen werden, lokale Opern-Produktionen aber gar keine Chance auf eine ähnliche Distribution erhalten. Wenn dann in den Kinos von Berlin und Brandenburg die Met-Opern zu sehen sind, aber die 3 hervorragenden Opernhäuser Berlins nicht alle weiter existieren können, dann ist auch nicht so richtig was dazu gewonnen. Bitte nicht falsch verstehen: ich will hier gar keine Kausalkette zwischen Opernübertragungen im Kino und Opernschließungen herstellen, sondern nur auf die Gefahr hinweisen, die dieses System für die Bühnen ohne die ganz großen Namen mit sich bringt.

  6. Habe die Antworten von Matthias und Christian gerade noch mal gelesen und festgestellt, dass wir ein ähnliches Ergebnis vorher sagen. Sorry, ist schon ein bisschen spät und das Hirn müde ;-)

    Ich könnte meine Bedenken auch zugespitzt so formulieren, dass ich, nachdem Hollywood das Kino so dominiert, nicht auch noch vor allem amerikanische und Salzburger Operninszenierungen sehen will. Ich will die Kultur quasi um mich rum haben und nicht per Satlink importiert und vor die Nase gesetzt bekommen…

  7. @Jennifer: gerade Dein letzter Absatz drückt wohl alle Bedenken in komprimierter Form aus. Ob sich diese Opernübertragungen für die Kinoindustrie lohnen, vermag ich nicht zu beurteilen, da kenne ich mich nicht aus. Ich weiß z.B. nicht, ob es sich bei denjenigen, die sich Opern im Kino anschauen, um regelmäßige Kinogänger oder um eine für das Kino neue Zielgruppe handelt.

    Zum Musikbereich: die Übertragungstechniken sind zwar mittlerweile sehr gut, aber halt auch ziemlich teuer. Daher werden sich das derzeit nur die großen Betriebe, sprich „Met“, Berliner Philharmoniker, etc. leisten können.

    Aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich nur um die Übertragungsqualität geht. Ich habe mir z.B. vor kurzem die Online-Übertragung dieser Veranstaltung der Duisburger Philharmoniker angehört. Da war vor allem das Dabeisein wichtig, neben der Musik natürlich.

    Das ist so eine Ebene, denke ich, die auch für Kulturbetriebe ohne klangvollen Namen möglich ist. Man muss nur Ideen haben…

  8. […] bin ich mir jetzt nicht ganz sicher, ob z.B. die “Met im Kino” (mehr dazu hier) als Marktneuheit zu bezeichnen ist? Oder ob es sich um ein ergänzendes Angebot handelt? Wenn […]

  9. […] der Met, bei denen die Ticketpreise recht hoch sind (siehe dazu mein Blogpost “Oper außerhalb der Oper scheint zu boomen“), konnte man hier also kostenlos Oper im Kino […]

  10. […] von Opernaufführungen in verschiedene Kinosäle als Geschäft erwiesen (siehe dazu mein Blogpost: Oper außerhalb der Oper scheint zu boomen). Mit den Berliner Philharmonikern und dem Philadelphia Orchestra setzen nun zwei Orchester auf das […]

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