Vor einem knappen Monat hat sich Marcel Weiss auf dem netzwertig-Blog die Frage gestellt, “Wie Musiker in Zeiten des Internets Geld verdienen (können)“. Aus ökonomischer Sicht betrachtet, und das war seine Herangehensweise, lässt sich sehr leicht erklären, warum der Preis für die digitale Kopie eines Musikstücks bei Null liegt.
Aber, so Weiss:
“Während die Erstellung einer digitalen Kopie keine Kosten verursacht, kostet die Aufnahme eines Musikstücks selbst durchaus etwas.”
Für Weiss bleiben zwei Wege, um die Produktionskosten decken zu können:
- eine Kulturflatrate oder
- “eine anderweitige Querfinanzierung”, wie er es nennt.
Von der Kulturflatrate hält Marcel Weiss nicht so viel, die Gründe dafür hat er in einem eigenen Blogpost zusammengefasst. Anders sieht das Wolfgang Michal, der auf Carta von den “(übertriebenen) Sorgen des Marcel Weiss” spricht.
Es ist zugegeben nicht leicht, hier eine eindeutige Position zu beziehen, ich persönlich stehe einer Kulturflatrate aber eher skeptisch gegenüber. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich als Internetnutzer fürchte, im Laufe der Zeit für die diversen Contentbereiche eine Flatrate bezahlen zu müssen, egal ob ich die Angebote nutze oder nicht. Und abgesehen von der Tatsache, dass wir es bis jetzt noch immer geschafft haben, aus jeder kleiner Regelung im Laufe der Jahre ein bürokratisches Monster zu schaffen. Eine Flatrate muss auf der einen Seite eingehoben werden, das ist kein so großes Problem, wie Wolfgang Michal richtig feststellt. Es ist, technisch gesehen, auch kein Problem, diese eingenommenen Gelder an die – bleiben wir beim Beispiel Musik – MusikerInnen auszuzahlen, denn es lässt sich ja leicht messen, wessen Werke wie oft genutzt worden sind.
Das Problem liegt auf einer anderen Ebene. Es muss nämlich geklärt werden, wer eigentlich alles als MusikerIn gelten darf. Wenn man sich anschaut, nach welch unterschiedlichen Kriterien man in den verschiedenen Ländern als KünstlerIn bezeichnet wird, dann steckt da viel Arbeit darin. Nicht dass es unmöglich ist, aber die Hausaufgaben müssen erst einmal gemacht werden.
Außerdem müsste das Verhältnis zwischen geförderter und nichtgeförderter Musik geklärt werden, denn die Entwicklung von Musik findet nicht nur, um es mal vorsichtig zu formulieren, in Hitparaden statt. Müssen sich dann KünstlerInnen für die Flatrate oder für die Förderung entscheiden? Oder gibt es Mischmodelle, etwa anteilige Rückzahlung der Förderung bei kommerziellem Erfolg? Also ganz so einfach wie Wolfgang Michal das Modell der Flatrate darstellt, ist es leider nicht.
Marcel Weiss spricht außerdem aber noch von einer “anderweitigen Querfinanzierung”. Für ihn heißt das, MusikerInnen müssen Produkte entwickeln, die – im Gegensatz zur digitalen Kopie – ein wertvolles Gut darstellen, für das die Leute bereit sind, Geld zu zahlen. Weiss nennt in diesem Zusammenhang Konzerte, Merchandising und ähnliche Dinge. Das heißt, so Weiss:
“Gekauft wird letztlich das knappe Gut (VIP-Zugang, die schöne Verpackung als Souvenir für’s Regal, das Merchandising), die Musikaufnahme ist die Zugabe. Nicht umgekehrt.”
Das mag für den populären Musikbereich funktionieren, aber nicht jede MusikerIn gibt Konzerte bzw. verkauft T-Shirts. Was ist z.B. mit den hochspezialisierten StudiomusikerInnen, die entscheidend zum Erfolg eines Albums beitragen, die aber eigentlich niemand kennt?
Wie aber können mögliche Alternativen aussehen? Beim Nachdenken über mögliche Lösungsansätze ist mir Spot.us eingefallen, ein Modell aus dem Journalismus-Bereich. Vereinfacht gesagt geht es darum, dass JournalistInnen erst dann einen Beitrag recherchieren und schreiben, wenn sich genügend Leute gefunden haben, die den Beitrag vorfinanzieren (das Prinzip habe ich in meinem Beitrag “Artikel durch Crowdfunding finanzieren” genauer beschrieben). Im Musikbereich fällt mir dazu die Gruppe Marillion ein, die sich ihr aktuelles Album von den Fans vorfinanzieren ließ. Aber auch hier gilt natürlich die Einschränkung, dass dazu ein entsprechender Grad an Reputation vorhanden sein muss, damit die Fans ein Album kaufen, bevor es produziert worden ist.
Interessant ist dieser Ansatz aber allemal, denn er verlässt den rein ökonomischen Raum und bringt ein neues Kriterium ins Spiel, den Fairness-Gedanken. Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang ein Interview mit dem VWL-Professor Armin Falk in der ZEIT. Die Verhaltensökonomie stellt, so Falk, das Modell vom Homo oeconomicus in Frage und zeigt anhand von Beispielen, dass wir nicht immer vollkommen rational handeln, um unseren Nutzen zu mehren. Fairness bezeichnet Falk als ein Grundbedürfnis von uns, das viele unserer Entscheidungen beeinflusst.
Wie hilfreich, dass es angesichts der Finanzkrise gerade um den Fairnessgedanken geht. Vielleicht gelingt es ja, diesen Aspekt mehr in unser Bewusstsein rücken zu lassen? Dafür erhält man wohl derzeit viel Zustimmung, alleine an der Umsetzung wird es hapern, denn erwartet wird so was wie eine Systemumstellung. So quasi von oben verordnet: ab sofort sind wir alle fair. Darauf werden wir wahrscheinlich lange warten können. Aber eigentlich müssen wir darauf gar nicht warten, denn der Vorteil bei diesem Ansatz ist: man kann damit einfach beginnen, egal ob im Musikbereich oder anderswo.
Auf den Musikbereich und die digitale Kopie bezogen heißt das: ich habe die Möglichkeit, entsprechende Beträge an die MusikerInnen zu überweisen. Ob das nun ein fix vorgegebener Betrag ist oder ob ich die Summe frei wählen kann (so wie das Radiohead versucht hat), das muss man ausprobieren. Die Voraussetzung dafür ist in meinen Augen aber auf alle Fälle ein möglichst hohes Maß an Reputation, über das die MusikerIn verfügen muss.
Und dann fehlt nur noch ein entsprechendes Tool, mit dem sich die Transaktionskosten senken lassen, denn die sind, obwohl die Transaktion digital erfolgt, immer noch erschreckend hoch.
PS: der VWL-Professor Ernst Fehr beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Fairness-Gedanken in der Ökonomie und hat jede Menge Publikationen dazu auf seiner Website veröffentlicht.
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