© Gerd Altmann; Pixelio
Manchmal geht es mir wie mit meiner Diplom- bzw. Magisterarbeit. Man fängt ein Thema an und je mehr man liest und recherchiert, desto mehr neue Erkenntnisse ergeben sich, die es wiederum notwendig machen, mehr zu lesen und zu recherchieren.
Um es kurz zu machen: ich bin an einem Beitrag mit dem Titel “The Death of the Curator” hängengeblieben, den Pete (sorry, ich war zu blöd, den Nachnamen irgendwo im Blog zu finden) vor ein paar Tagen auf seinem New Curator Blog veröffentlicht hat. Er fragt sich darin, ob die Idee einer von ZeitungsleserInnen kuratierten Ausstellung zeitgenössischer Kunst, wie sie The Guardian und die Saatchi Gallery gerade realisieren, das Ende der Kuratorentätigkeit einläutet?
“Crowdsourcing the curatorial decisions of an exhibition. The process of museums has been brought to the lowest common denominator, pitched somewhere between reality TV and youtube’s most-viewed list”,
heißt es in seinem Artikel. Museen bezeichnet der Autor als “old media”, genauso wie Print oder TV. Der Unterschied: den Museen geht es noch nicht so schlecht wie vor allem den Printmedien. Beide kommunzieren aber nach dem “individuals-to-individuals”-Prinzip:
“Old media does this with celebrity and personality as intermediates that we consume”,
wie Pete schreibt. Im Internet erleben wir hingegen den “individuals-as-social”-Ansatz und die “alten” Medien haben bis jetzt darauf keine Antwort gefunden. Opfer dieser Entwicklung sind vor allem die Journalisten, für deren Bezahlung keine funktionierenden Geschäftsmodelle mehr existieren. Zwar ist es bei den Kuratoren noch nicht so weit, aber, so die Schlussfolgerung des Blogposts, sie sollten wachsam sein, damit ihnen nicht das gleiche Schicksal wie den Journalisten droht, denn
“Suddenly, your art history or archaeology degree isn’t looking so important, your museum post-grad may not be enough and your years of experience don’t mean much in the world of facemuseumtube when your job can be done by a thousand unpaid contributors.”
Ich sehe das nicht so pessimistisch, weder bei den Journalisten noch bei den Kuratoren. Ganz im Gegenteil: ich habe schon vor längerer Zeit einen Beitrag (“Was das Internet von der Kunst lernen kann“) geschrieben, in dem ich die Meinung vertreten habe, dass die Kuratoren eher an Bedeutung gewinnen werden. Das gilt übrigens auch für die Journalisten, obwohl sich die Rahmenbedingungen für die meisten von ihnen tagtäglich verschlechtern.
Warum? Das Geschäftsmodell der Printmedien funktioniert nicht mehr, daher werden auch hier die Rufe nach staatlicher Unterstützung immer lauter. Dass die Printmedien diese nicht verdient haben und es keinen Sinn macht, eine sterbende Branche mittels öffentlicher Gelder noch länger am Leben zu erhalten, davon ist Jeff Jarvis überzeugt. In seiner fiktiven Rede an Senator Kerry weist er darauf hin, dass die Printmedien genug Zeit zur Verfügung hatten, um sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen.
“I suppose, they did not want to disrupt their comfortable, powerful, and profitable monopolies. But that responsibility was theirs. Is it not ours, as taxpayers, to make up for their lost time”,
lautet sein Resumee.
Die Situation hat sich aber auch deshalb verändert, weil wir als LeserInnen uns oftmals nicht ernst genommen fühlen. Wir mussten dankbar sein, dass wir etwas zu lesen bekamen und erkannten, dass wir vor allem dann wertgeschätzt wurden, wenn wir die Werbung neben dem Text beachteten. Im Social Web ist niemand mehr auf solche Strukturen und Modelle angewiesen und dank der Tools, die uns zur Verfügung stehen, brauchen wir keine Journalisten mehr, die uns informieren, sondern wir übernehmen das selbst. Wie das dann aussieht, beschreibt Matthias Schwenk in seinem Beitrag über Robert Basic neueste Idee Buzzriders, in der dieser partizipative Ansatz konsequent verfolgt wird.
Ich denke, viele solcher Projekte (z.B. auch spot.us) entstehen aus einer Unzufriedenheit heraus. Aber irgendwann wird das Pendel wieder umschlagen, vermute ich. Steve Rubel spricht vom digitalen Kurator, der uns dabei unterstützt, uns in der Menge an Informationen zurechtzufinden und bezieht sich dabei auf den Ausstellungskurator, der die gleiche Aufgabe im Kunst- und Kulturbereich übernimmt.
“The call of the curator requires people who are selfless and willing to act as sherpas and guides. They’re identifiable subject matter experts who dive through mountains of (digital ) information and distill it down to its most relevant, essential parts.”
Mag sein, dass die Kuratoren zurückgedrängt werden, weil man auch hier auf Crowdsourcing setzt und obendrein noch Kosten sparen kann. Und es wird uns wie eine Befreiung vorkommen, wenn wir endlich “selbst” entscheiden können, was wir sehen dürfen. Aber auch hier, so meine Vermutung, werden wir irgendwann froh sein, wenn uns jemand an die Hand nimmt und uns aufregende und neue Dinge zeigt.
Es ist eine Frage des Vertrauens. Die Printmedien haben unser Vertrauen größtenteils verloren. Bleibt die Frage, ob die Museen den gleichen Weg zu Ende gehen müssen oder ob sie aus den Fehlern anderer lernen können?
Am Ende wird es Journalisten geben, denen wir vertrauen. Und Kuratoren. Allerdings werden die Strukturen um sie herum ganz anders aussehen (müssen).
Update: Ein interessantes Blogpost zu diesem Thema hat Jeff Jarvis auf seinem Blog BuzzMachine geschrieben. Titel: “Death of the curator. Long live the curator“
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