Weblogs: “Kaum einer verlinkt mehr”

Vernetzung
© Gerd Altmann; Photoopia

Bernd Röthlingshöfer hat gestern auf Twitter geschrieben:

“Blogs als vernetzte Publikationsform sind tot, kaum einer verlinkt mehr.”

Meine erste Reaktion darauf war: nein, Bernd Röthlingshöfer täuscht sich. Aber ganz falsch ist seine Beobachtung nicht.  “Kaum einer verlinkt mehr” lautet der Vorwurf. Wie ist es also um die Verlinkung der Blogs bestellt? Haben sie als “vernetzte Publikationsform” wirklich schon ausgedient und ist es sinnvoller, sich auf Facebook und Twitter zu konzentrieren?

Natürlich hängt eine Antwort darauf ganz stark von den Zielen ab, die man mit seinen Social Web-Aktivitäten erreichen möchte. Fakt ist aber, dass wir im Social Web derzeit eine Entwicklung erleben, die auch Auswirkungen auf das Bloggen hat bzw. haben wird. Om Malik hat schon im August auf Gigaom einen Beitrag veröffentlicht, der den aufschlussreichen Titel “The Evolution of Blogging” trägt.

Darin stellt Malik fest, dass sich die Form der Inhalte verändert hat, denn

“Today most of us walk around with newfangled smartphones that are nothing short of multitasking computers, essentially content creation points. And they’re networked, which means creating and sharing content is becoming absurdly simple to do. With the increased number of content creation points –- phones, camera, Flip video cameras, Twitter -– we are publishing more and more content.”

Die Inhalte, die wir so produzieren und an andere weitergeben, werden immer kleiner, Malik spricht von der “atomization of content”. Sollen diese Informationsschnipsel einen Sinn ergeben, müssen sie dem entsprechenden Kontext zugeordnet werden, sonst verlieren sie ihren Wert. Das heißt, sie müssen irgendwo wieder zusammenlaufen.

Und das möglichst zeitnah, denn was sich auch verändert hat: wir produzieren die Infos zeitnah, wir verschicken sie zeitnah und wir wollen sie auch möglichst schnell zusammenfügen können. Am Ende kommt etwas heraus, was wir als Echtzeit-Kommunikation bezeichnen. Möglich ist das derzeit am ehesten auf Facebook. Und die Weblogs?

“There was a time when casual, personal blogging was your way to communicate with your friends on the web. Via posts, commenting, and blogrolls, bloggers formed niche communities on the web to socialize with each other”,

hat Sarah Perez schon im letzten Sommer in einem Beitrag auf ReadWriteWeb geschrieben. Heute haben, so schreibt sie, Facebook, FriendFeed oder Twitter diese Rolle übernommen. Partizipation sei dort sehr viel leichter als auf einem Blog möglich. Steht am Ende dieser Entwicklung also das Ende der Blogs? Nicht unbedingt, denn, um Sarah Perez noch einmal zu zitieren,

“although the social participants on these sites are often more active in socializing than they are in blogging, there’s still that need to stake out your own piece of real estate on the web”.

Ob das dann aber unbedingt Blogs sein müssen, diese Frage lässt sie offen. Damit sie diese Rolle spielen können, müssen sie sich also verändern oder weiterentwickeln, so wie sich auch unsere Gesellschaft verändert, wie Om Malik schreibt:

“As a society, we are entering an increasingly narcissistic phase, enabled by web technologies…The evolution of blogging platforms needs to match these societal and demographic changes.”

Wenn wir mit Facebook aber schon eine Plattform haben, die diesen Veränderungen gerecht wird, warum brauchen wir dann überhaupt noch Blogs? Was für Sarah Perez das “own piece of real state on the web” ist, ist für Malik der Vorteil, auf einem Blog über das eigene Datenmaterial verfügen zu können. Womit er nicht ganz unrecht hat, denn während Sie die gesamten Inhalte Ihres Blogs ohne große Mühe exportieren können, ist das auf Facebook ein Ding der Unmöglichkeit.

Anbieter wie Tumblr oder Posterous sind nach Maliks Überzeugung auf dem richtigen Weg, denn,

“real-time social collaboration is a powerful force, and blogging, if it wants to move further forward, needs to embrace it”.

Um am Ende auf den Tweet von Bernd Röthlingshöfer zurück zu kommen. Ich denke, Blogs haben als “vernetzte Publikationsform” noch lange nicht ausgedient. Ganz im Gegenteil. Sie können das persönliche Hub sein, an dem die Informationsatome zusammengefügt werden, die eigenen und natürlich die der anderen, die für mich und meine Dialogpartner Relevanz besitzen.

“The best place to provide that context is now in blogs”,

ist Om Malik überzeugt. Zusammenhänge herzustellen heißt aber auch, die Verbindung zwischen den verschiedenen “Atomen” herzustellen. Möglich ist das nur mittels Verlinkung, d.h. nicht weniger, sondern mehr Links sind nötig (allerdings sind das immer seltenerLinks auf  Blogs, denn der Content findet mittlerweile auf andere Weise den Weg ins Social Web). Nötig, damit Sie und Ihr Blog überhaupt wahrgenommen werden. Ein Blog ohne Links und damit ohne Anbindung an das, was Malik “real-time social collaboration” nennt, ist entweder ein liebenswerter Anachronismus oder rausgeworfenes Geld.


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10 Antworten zu „Weblogs: “Kaum einer verlinkt mehr”“

  1. Es ist mir ein Rätsel, woher Menschen wie Röthlingsdörfer ihre schon pseudoreligiös anmutenden Statements nehmen. Die Blogs, die ich regelmäßig lese, verlinken eher zu viel in beliebig erscheinenden Blogrolls, in denen man dann irgendwann nur noch verloren die witzigsten Namen anklickt. Oder sie verlinken Blogs, die pro Halbjahr mal einen Beitrag schreiben, das frustriert ebenfalls.

    Auch innerhalb der Texte fehlen selten Links. Diejenigen, die ihre Quellen nicht angeben oder sich ein via XY sparen, machen das meist aus Unwissen und sind dankbar für einen Hinweis durch die Leser. So erlebe ich das.

    Und dann beobachte ich, zumindest bei textaffinen Leuten, gerade bei Twitter eine Müdigkeit und Rückkehr zum Blog. Oder Twitter und Facebook werden genutzt das Blog bekannter zu machen. Denn der Bedarf an Tiefe und Relevanz ist da.

    Wie gesagt, völlig subjektiver Eindruck, wahrscheinlich lese ich nicht Röthlingsdorfers untersuchte Blogs.

  2. Irgendwie ist es doch paradox, dass auf der einen Seite festgestellt wird, dass die Inhalte zunehmend atomisiert, also kleiner werden, und andererseits der Vorwurf im Raum steht, dass nicht mehr verlinkt wird. Ich glaube, dass die Verlinkung zunehmend automatisiert wird (Tagging-Verfahren, automatisierte Anmeldeprozeduren, etc…) und deshalb weniger explizit wird. Gerade deshalb gewinnt im heutigen Internet die Verlinkung jedoch einen sehr viel größeren Stellenwert als dies noch zu Zeiten des (damals noch nicht so genannten) Web 1.0 der Fall war. Wenn aber Atomisierung der Inhalte und (zunehmend bessere) Verlinkungen zusammenkommen, wird das Versprechen realisiert, das eigentlich am Anfang dieser neuen Textform steht: Hypertext.

    1. @Medienblogger: auf den Punkt gebracht, danke!

  3. Hallo Christian,

    auch meine Reaktion ist: Bernd Röthlingshöfer täuscht sich. Zumindest die Blogger, die ich lese, verlinken die genannten Artikel und Quellen.

    Twitter, Facebook & Co. werden m.E. die ‘richtigen Blogs’ nicht ablösen, sie dienen mehr als Such- und Empfehlungsdienste – und eben auch für den ‘Treppen-Flur-Small-Talk’ :-) (positiv gemeint!)

    In Kleinbloggersdorf tauchen immer noch neue Blogger auf, und ich sehe das Ende der Fahnenstange keinesfalls erreicht – im Gegenteil, wir stehen m.E. erst am Anfang einer spannenden Entwicklung …

    … und gerade weil _gute_! Artikel häufiger ‘retweetet’ werden und darüber hinaus noch bei Friendfeed, Facebook u.v.a.m. auftauchen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die “Perlen” auch auf meinem Radar erscheinen :-)

    Den ‘Twitter- und Friendfeed-Empfehlungen’ verdanke ich bereits viele gute Artikel und Hinweise, die ich sonst nicht gefunden hätte. Diese Form der ‘sozialen Vernetzung’ möchte ich deshalb nicht mehr missen.

    :-) Rainer

  4. Diese Debatte haben wir immer wieder, in schöner Regelmäßigkeit. Dahinter steckt für meine Begriffe das richtige Gefühl, dass sich das Mediengefüge irgendwie verändert, aber kann es nicht richtig greifen und macht es dann an der Frage der Verlinkung der Blogs fest.

    Meiner Meinung nach läuft gerade etwas anderes ab: Wir erleben eine allmähliche Professionalisierung bei den Online-Medien, in deren Folge die eher privaten, kleinen Blogs an Einfluss und Bedeutung verlieren.

    In den USA ist das schon sehr deutlich sichtbar. Man muss sich nur mal die Mühe machen, den Traffic von TechCrunch mit dem von Bloggern wie Robert Scoble oder Louis Gray zu vergleichen. Da liegen inzwischen Welten dazwischen, während noch vor wenigen Jahren alles viel dichter beisammen war.

    Zu diesem Thema gibt es von mir in Kürze einen Artikel auf Carta, er ist nur jetzt wo ich diesen Kommentar hier schreibe, noch nicht veröffentlicht.

  5. @Rainer Helmes: Ich sehe das ähnlich wie Du, glaube aber, dass sich auch die Blogs verändern werden. Ein “richtiges Blog” heute wird sich von dem der Zukunft stark unterscheiden. Nicht ohne Grund sind Plattformen wie Posterous derzeit so in.

    Dazu kommt das, was Matthias Schwenk beschreibt. Auf der einen Seite erleben wir Blogs, die mehr und mehr in Facebook-, FriedFeed- oder Twitterstrukturen aufgehen. Nicht ohne Grund gibt es bereits Themes im Twitterdesign.

    Und auf der anderen Seite werden manche Blogs größer und größer, das Beispiel TechCrunch passt da sehr gut.

    1. Wie sieht “das Blog der Zukunft” Deiner Meinung nach aus?

      Posterous gefällt mir auch sehr gut. Es ist ein wunderbares Werkzeug für “den schnellen Artikel zwischendurch” :-)

  6. @Rainer Helmes: ich denke, auf der einen Seite werden die Blogs schneller (wie Du richtig schreibst), dynamischer, kurz, sie passen sich an Facebook und Twitter an. Blogs werden auch ein Tool sein, mit dem man in Echtzeit kommunizieren kann. Der Unterschied zu den Plattformen: man ist sein eigener Herr.

    Im Unterschied dazu passiert das, was Matthias Schwenk angesprochen hat, die Professionalisierung der Online-Medien. Wenn ich mir heute die Online-Ausgaben diverser Tageszeitungen anschaue, dann haben die mittlerweile Permalinks, man kann kommentieren, Du findest Links, Videos, etc.

    Das, was wir heute als Blog kennen, was so dazwischen steht, verschwindet dann nach und nach.

    1. Im Gegensatz zu Twitter können Blogartikel ausführlich formuliert werden; das ist natürlich aufwendiger, als eben mal 140 Zeichen in die Welt zu schicken ;-)

  7. […] sich Entscheider klar machen, wo es hin geht. Gefunden habe ich das Video bei Christian. Ich verlinke ihn gerne hier . Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden […]

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