© A. Dreher; Pixelio
Schon in meinem letzten Blogbeitrag vor Weihnachten hatte ich ja einen kleinen Ausblick auf das nun angelaufene Jahr gewagt und vor allem finanzielle Probleme vorausgesagt. Finanzielle Probleme, die laut SPON vor allem den Theatern drohen.
“Jemand muss das System komplett neu denken und neu aufbauen”,
schreibt Anke Dürr darin und verweist auf die Forderung eines Modells nach belgischem oder niederländischem Vorbild von Matthias Hartz. Ob mehrjährige Förderungen für KünstlerInnen allerdings die Lösung sind, wage ich zu bezweifeln, denn einerseits ist dadurch nicht mehr Geld vorhanden und zweitens muss ja zumindest ein gewisses Maß an Infrastruktur vorhanden sein. Aber auch die kostet. In meinem Beitrag “Theaterfinanzierung: geht es auch ohne Förderungen?” habe ich einen anderen Vorschlag gemacht. Zumindest für die, die mit den Förderungen nicht mehr auskommen.
Aber was bringt das Web 2.0 für den Kunst- und Kulturbereich? Frank Tentler hat in seinem Blog Echtzeitgeist ein ganz spannendes Experiment gestartet. Mit dem Beitrag “20 experten 10 social web trends…und deine Meinung!” bringt er nicht nur seine Prognosen ein, sondern auch die anderer ExpertInnen. Crowdsourcing auf Expertenebene und das schöne dabei ist: jede/r kann sich (noch) daran beteiligen, für ein paar Expertenstimmen ist noch Platz.
Eines der zehn Themengebiete dreht sich um Kultur 2.0, aber eigentlich lässt sich die Unterscheidung so gar nicht durchführen, denn selbstverständlich betreffen Themen wie Social Marketing oder Mobile Web auch den Kunst- und Kulturbereich. Aber welches Thema wird uns an der Schnittstelle Kunst, Kultur und Web 2.0 im gerade begonnenen Jahr besonders beschäftigen? Klarer Favorit auf Platz eins ist für mich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Weise sich der Einsatz von Social Media lohnt? Connie Bensen bezeichnet das Jahr 2010 als “The Year of Social Media ROI” und schreibt:
“Social Media will shift from being experimental to mainstream. Larger organizations can’t justify embracing it without having it meeting their business objectives.”
Das gilt natürlich auch für Kulturinstitutionen. Egal ob der Intendant oder der Praktikant mit den Social Media-Aktivitäten begonnen haben. Twitter, Facebook und Weblogs sind in fast jeder Kultureinrichtung mittlerweile ein Begriff. Die sich weiter verschärfende finanzielle Situation wird die experimentelle Phase, in der sich viele Kulturbetriebe noch befinden, beenden. Gerade sie können es sich nicht mehr leisten, vor sich hin zu twittern und zu schauen, was dabei rauskommt. Während Hagen Kohn (VioWorld) in Frank Tentlers Beitrag der Ansicht ist, das Web 2.0 werde Auswirkungen auf deren Öffentlichkeitsarbeit haben, gehe ich einen Schritt weiter. Social Media wird nur dann etwas bringen, wenn es das ganze Unternehmen durchdringt, das wird auch dazu führen, dass der Community Manager an Bedeutung gewinnen wird. In einem anderen Blogpost hat Connie Bensen folgende Gleichung aufgestellt: Community Manager + Sales Funnel = ROI
Das heißt, die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Marketing werden sich grundlegend verändern, Social Media wird nicht dazu dienen, nett mit den Zielgruppen Konversation zu betreiben, sondern entweder dazu beitragen, neue Einnahmen zu erzielen oder die Ausgaben zu senken (siehe dazu die Präsentation “Basics Of Social Media Roi” von Oliver Blanchard). Das geschieht nicht unbedingt aus dem Wissen heraus, was Social Media alles sein kann, sondern aus der schieren Not. Aber letzten Endes bringen gerade Krisenzeiten Innovationen hervor. Insofern erweist sich die Wirtschafts- und Finanzkrise unter Umständen als Glücksfall für den Kunst- und Kulturbereich, auch wenn das jetzt zynisch klingen mag.
Zu spät sind damit sicher all diejenigen, die wissen wollen, wie man ein Facebook-Profil oder einen Twitter-Account einrichtet. Das was danach kommt, ist entscheidend. Was machen Sie mit den verschiedenen Kanälen? Abwarten geht nicht, denn wer die diversen Netzwerke nutzen möchte, braucht Ressourcen. Und die kosten Geld, das nicht mehr da ist.
Ist es denn überhaupt möglich, mit Hilfe von Social Media Geld in die Kasse zu bringen? Frank Tentler ist sich da ganz sicher, denn Kulturbetriebe haben etwas, was andere häufig nicht haben. Er spricht in seinem Blogpost vom
“fehlenden Verständnis für die Möglichkeiten der Vermarktung dieses Contents. Kaum ein Kulturbetrieb hat sich darüber bisher Gedanken gemacht, oder gar Businessmodelle dazu entworfen. Ebenso fehlt Wirtschaftsunternehmen die Weitsicht, diesen Content für ihre eigene Werbung zu nutzen. Und natürlich werden sie dazu auch keine Empfehlung ihrer Agenturen bekommen, da diese befürchten, Umsätze zu verlieren.”
Die Ausgaben zu reduzieren oder neue Einnahmen zu generieren, daran misst sich der Erfolg von Social Media. Und hier gilt es anzusetzen, wenn Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen erfolgreich sein sollen. Wie lässt sich der Content so aufbereiten, dass er für andere, z.B. Sponsoren, interessant wird? Interessant scheint dieser Weg unter anderem deshalb zu sein, weil die UserInnen immer häufiger mobile Devices verwenden, um auf das Internet zuzugreifen und dort eine wesentlich höhere Zahlungsbereitschaft besteht.
Um hierbei Erfolg zu haben, sind gute Konzepte und sehr gute Qualität gefragt. Die Berliner Philharmoniker schaffen es, über ihre digital Concert Hall Einnahmen zu lukrieren, nicht so guten bzw. bekannten Orchester bleibt dieser Weg verschlossen. Was aber nicht heißt, dass es für sie keinen Weg gibt. Nur muss in diesem Fall erst eine Community aufgebaut werden, denn für etwas, was ich nicht kenne und einschätzen kann, werde ich wohl kaum Geld ausgeben. Ist das Vertrauen aber da, dann steht eigentlich jeder Kultureinrichtung der Weg offen, mit Hilfe von Social Media zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Allerdings muss davor erst investiert werden, denn eine Community entsteht nicht in 14 Tagen.
Und wie sieht es mit dem Einsparungspotenzial aus? Wer auf Social Media setzt, weil das billiger ist als ein Werbespot oder ein Inserat, wird schnell enttäuscht sein. Social Media ist nicht billiger, vor allem am Anfang nicht. Die verschiedenen Tools können aber dazu führen, dass einzelne Arbeitsprozesse gestrafft und damit billiger werden. Wikis, RSS, Social Bookmarking und Online-Tools zum gemeinsamen Erstellen von Texten und Tabellen lassen sich vermutlich in den meisten Kultureinrichtungen einsetzen und führen, konsequent und richtig eingesetzt, zu Einsparungen. Wer schon mal eine Stunde nach etwas gesucht hat, was sich irgendwo in den Lesezeichen oder in einer Email versteckt, weiß, was ich meine. Diese Form der Kollaboration erfordert unter Umständen auch eine neue Unternehmenskultur, auch und gerade in Kultureinrichtungen. Aber auch das muss kein Schaden sein.
Das heißt, wir werden im nächsten Jahr gewaltige Veränderungen erleben. Mit Hilfe einer klugen Strategie und dem Wissen um die Möglichkeiten des Social Web haben Kulturbetriebe aber die Chance, die Krise nicht nur gut zu überstehen, sondern sich neu aufzustellen. Intern und extern.
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