Das neueste Buch von Armin Klein “Leadership im Kulturbetrieb
“Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kultureinrichtung sind ihr wichtigstes Potenzial”,
heißt es dort. Wenn sich die Führungsetagen (nicht nur im Kunst- und Kulturbereich) das zu Herzen nehmen, hat das Buch seinen Hauptzweck wohl schon erfüllt. Noch leben wir, was das Thema Leadership angeht, in der Vergangenheit, wie Armin Kleins Blick zurück in die Geschichte der klassischen Organisationstheorie zeigt. Klein skizziert in den ersten Kapiteln eine Entwicklung, die eigentlich schon lange abgeschlossen sein sollte. Die Organisation als Maschine, in der der einzelne Mensch zu funktionieren hat, ist eigentlich eine Sichtweise, die sich im Zeitalter der Industriellen Revolution herausgebildet hat. Die Arbeitsteilung, die diese Epoche auszeichnet und zur Entwertung des Individuums geführt hat, ist auch ein wichtiges Element des bürokratischen Systems. Auf wenigen Seiten beschreibt Klein die Herausbildung einer Struktur, die auch als maschinenartig beschrieben werden kann. Gut gefällt mir, dass er dabei nicht in den Chor derer einfällt, die die Bürokratie als seelenloses Monster verdammen, sondern gleichzeitig auch auf die Verdienste hinweist, denn es werde, so Klein, häufig übersehen,
“dass die Schaffung bürokratischer Organisationen in ihrer Entstehungszeit zweifelsohne ein höchst aufklärerischer, ja revolutionärer Akt war”.
Wer in solchen Strukturen arbeiten musste, der hatte zu funktionieren, was natürlich genau kontrolliert wurde. Erst im Laufe der Zeit machte man sich darüber Gedanken, wie die Rahmenbedingungen zu verändern seien, um die Arbeit erträglicher zu machen und so bessere Leistungen zu erzielen. Armin Klein beschreibt verschiedene Motivationstheorien, die dazu dienen sollten, mehr aus den Arbeitern herauszuholen.
Die klassische Organisationstheorie beruhe, so fasst Klein zusammen, auf einem mechanistischen Weltbild, das Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus seine Berechtigung gehabt haben mag. Unserer heutigen komplexen Welt könne sie aber nicht gerecht werden. Viele Kulturbetriebe verfügen noch heute über eine bürokratische Organisationsform, die, so Klein, ungeeignet ist, die Herausforderungen und Probleme von vor allem öffentlichen Kultureinrichtungen zu lösen.
Zurück zur Geschichte: erst Ende der 1930iger Jahre stellte Chester I. Barnard einen völlig neuen Ansatz vor, der die Organisation als ein kooperatives System ansah. Er leitete damit eine Entwicklung ein, an deren Ende nicht mehr die Organisation als Struktur das dazu passende Rollenverhalten vorgab, sondern das Individuum im Mittelpunkt stand. Das Kapitel “Die Organisation als Institution” ist nicht ganz leicht zu lesen, klar ist aber, dass es mit der reinen Zweckorientierung vorbei ist. Über das Konzept der Organisationskultur gelangt Klein dann zur “lernenden Kulturorganisation”, die über ständige Lernprozesse ihr Wissen permanent erweitert. Vor allem dem Chris Argyris und Donald A. Schön zugeschriebenen Konzept der lernenden Organisation widmet sich Klein ausführlich und liefert so Anregungen, sich auch über das Buch hinaus mit der Materie zu beschäftigen.
Wer dieses Kapitel liest, kann nachvollziehen, warum Klein davon überzeugt ist, dass der systemische Ansatz für Kulturbetriebe der richtige ist. Was aber bedeutet das für das Thema Leadership? Wie “führt” man eine Organisation unter der Prämisse, “die Menschen wollen einen Beitrag leisten und man kann ihnen dies zutrauen” (Zitat Chris Argrys)?
Die von ihm zusammengetragenen Merkmale einer permanent lernenden Organisation machen dann deutlich, wie weit wir davon noch entfernt sind. Da heißt es unter anderem:
“Lernende Organisationen lösen sich zunehmend von dem Steuerungsinstrument Organisationsstruktur und hier insbesondere von der Hierarchie.”
Wer weiß, wie Kulturbetriebe “organisiert” sind, weiß, wie schwierig das ist. Aber genau deshalb ist in meinen Augen die theoretische Herleitung so wichtig, bietet sie doch den Rahmen für das, was Klein dann im Praxisteil vorschlägt.
Ausgehend von der Frage, was “Führung” in diesem Kontext bedeutet, betrachtet Klein eingangs des zweiten Teils seines Buches Führung unter verschiedenen Gesichtspunkten:
- Führung als “Steuerung” der Kultureinrichtung
- Führung als Führereigenschaft
- Führung als Beeinflussungsprozess
- Führung als Managementsystem
Was aber ist nun das beste Führungssystem? Zwar schreibt Klein, dass es das nicht gebe,
“geht man allerdings von dem normativen Ziel aus, möglichst alle Mitarbeiter in den Prozess der Organisationsgestaltung und Zielerreichung einzubinden, um das Ideal einer zukunftsorientierten, “lernenden Kulturorganisation” zu realisieren, so ist sicherlich das Management by Objectives, also die Führung nach Zielvereinbarung bzw. längerfristig gesehen das Management by Systems zu dessen Realisierung am ehesten geeignet”.
Es gehe also um ein Managementprinzip, das das Individuum Verantwortung übernehmen lässt, gleichzeitig aber dafür sorgt, das alle an einem Strang ziehen. Gefordert ist ein dynamisches Gleichgewicht zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Zielen des Unternehmens. Diese Ziele sollten gemeinsam erarbeitet werden und finden ihren Niederschlag in Vision, Mission und strategischem Leitbild. Zwar handelt Klein das Thema auf weniger als zwanzig Seiten ab, allerdings liegt hierin wohl der Kern der praktischen Umsetzung von Leadership. Wer hier nicht seine Hausaufgaben macht, wird seine Defizite wohl spätestens bei den Zielvereinbarungen spüren. Im Kapitel “Zielvereinbarungen als Steuerungs- und Führungsinstrument” zeigt Klein, wie sich der Kulturbetrieb einen Rahmen zimmern, kann, der das von ihm favorisierte Management by Objectives bzw. Management by Systems möglich macht.
Auch hier gilt wieder: wer sich die Gegenüberstellung der zwei Ansätze “traditionelle Steuerung” und “Steuerung mit Zielvereinbarungen” anschaut, wird feststellen, wie weit der Weg noch für die meisten Kulturbetriebe ist. Wenn Sie sich aber in diese Richtung entwickeln wollen, dann finden Sie in diesem Kapitel sehr hilfreiche Informationen und Hinweise. Eine Handlungsanleitung bzw. Checklisten, die sich wahrscheinlich so mancher hier wünschen würde, enthält das Buch aber nicht. Dank der vielen Fragen, die Klein hier formuliert hat, werden Sie aber in die richtige Richtung gelenkt. Im Sinne des Anspruchs dieses Buches wären Checklisten aber auch der falsche Weg, denn wie gesagt: den “richtigen” Weg für Kulturbetriebe gibt es nicht.
Abgerundet wird das Buch mit einem eigenen Kapitel zum Thema Konfliktmanagement. Wer den Menschen und nicht die Struktur in den Vordergrund stellt, wird das Wissen um die Entstehung und das Lösen von Konflikten dringend brauchen. Wirkliche Unterstützung erfährt man auf den knapp zehn Seiten allerdings nicht, vielleicht dient es eher als Appetizer, um sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen. Wobei man zugeben muss: Literatur zum Thema Konfliktmanagement gibt es ja genug.
Armin Klein hat mit seinem Buch eine Vorlage geliefert, die die Kulturbetriebe nicht nur annehmen können, sondern es wahrscheinlich müssen, so sie die nächsten Jahre heil überstehen wollen. Die Welt ist zu komplex geworden, um den daraus resultierenden Herausforderungen mit Organisationsmodellen aus dem Zeitalter der Industriellen Revolution zu begegnen. Es lohnt sich also, einen oder mehrere Blicke in das Buch zu werfen.
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