Als vor zwei Tagen alle Welt auf das neueste Apple-Produkt wartete, ließ ich mich auch von der Neugierde anstecken und klickte einen der Streams an, über die man direkt die Präsentation des iPad verfolgen konnte. Rund 25.000 UserInnen waren über diesen Stream live dabei, ich vermute, es gab noch viele andere Streams mit ebenfalls stolzen Zuseherzahlen. Aber ich muss gestehen, so neugierig war ich dann doch nicht und nachdem es dort keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten gab, war ich schnell wieder weg.
Dieses Erlebnis passt ganz gut zur aktuellen Runde der NPO-Blogparade, in der David Röthler die Frage gestellt hat, ob die synchrone Live-Kommunikation im Internet Nonprofit-Einrichtungen etwas bringen kann? Live heißt in dem Fall, etwas wird in Echtzeit übertragen. Live vor Ort wäre etwas anderes, denn mir würden mehr Sinnesorgane zur Verfügung stehen.
Im Fall der Apple-Präsentation kam noch ein weiterer Punkt dazu, ich durfte nur passiv zusehen. Kommunizieren konnte ich aber nicht. Zumindest in Ansätzen war das vor kurzem bei der Teilnahme an einem Webinar möglich. Der Chat, der mir zur Verfügung stand, funktionierte allerdings nur bilateral zwischen mir und einem Assistenten des Vortragenden. Multilaterales Kommunizieren war nicht möglich.
Und noch ein Erlebnis fällt mir dazu ein, nämlich die mittlerweile berühmte Vodafone-Pressekonferenz. Bei der gab es zwar keine Kommunikationsmöglichkeit zwischen mir und dem Pressekonferenzteam, dafür konnten die Online-“BesucherInnen” aber miteinander kommunizieren.
Das heißt, wir haben es mit drei unterschiedlichen Formen der Live-Übertragung zu tun:
- die klassische Live-Übertragung ohne Rückkanal
- Live-Übertragung mit Rückkanal, dort aber nur 1:1 Kommunikation möglich
- Live-Übertragung ohne Rückkanal, dafür Kommunikationsmöglichkeit der ZuseherInnen untereinander
Bringt die Live-Kommunikation den Nonprofit-Einrichtungen was, hat David Röthler gefragt. Schauen wir uns doch erst einmal die drei Beispiele an. Haben diejenigen, die auf der Bühne standen, etwas davon gehabt? Apple hat sicherlich von diesem Hype profitiert, gelang es doch, die Neugierde nach dem neuen Produkt so zu steigern, dass die Zuschauerzahlen für die dann sehr traditionelle Präsentation verglichen mit der Resonanz einer 08/15-Präsentation gewaltig waren. Der Computerkonzern schaffte es damit also, Aufmerksamkeit zu erregen.
Wie aber sieht es aus, wenn ein Museum oder ein Theater auf diese Weise z.B. das kommende Jahresprogramm präsentiert? Genügt es, die Präsentation des Intendanten oder Direktors live via Internet zu übertragen, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erhalten? Wahrscheinlich nicht. Damit das funktioniert und die UserInnen in diesem Fall einfach nur zusehen und zuhören, bedarf es, neben der Qualität des Produktes, vor allem einer sehr hohen Reputation und einem entsprechend großen Netzwerk. An die weltweite Aufmerksamkeit, die Apple erregt hat, wäre wahrscheinlich nur ein Michael Jackson herangekommen. Auch die Live-Übertragung des letzten U2-Konzertes auf YouTube hatte so eine Dimension, vermute ich.
Aber es muss ja nicht weltweit sein. Funktionieren wird diese Form der Live-Kommunikation immer dann, wenn ich innerhalb der Zielgruppe, die ich erreichen möchte, eine hohe Reputation genieße und es dank meines großen Netzwerks auch schaffe, die Aufmerksamkeit auf das “Event” zu lenken. Je kleiner die Zielgruppe, desto mehr fallen die Kosten für die Live-Übertragung ins Gewicht, d.h. hier gilt es die Kosten-Nutzen-Relation im Auge zu behalten.
Kommen wir zu Beispiel zwei, dem Webinar, bei dem ich als UserIn mit einer Person aus dem Veranstalterteam chatten kann. Für mich persönlich war dieses Erlebnis völlig unbefriedigend, was aber auch an der Qualität der Inhalte lag. Wären die Inhalte interessant und entsprechend aufbereit gewesen, dann hätte ich wohl damit leben können. Aber dieses Manko kann auch zum Vorteil werden, wenn dieses Format beispielsweise dazu dient, Menschen in Not- oder Extremsituationen anzusprechen. Es gibt dann einerseits allgemeine Informationen, die an alle kommuniziert werden. Gleichzeitig haben die einzelnen TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich im bilateralen Chat an eine Vertrauensperson zu wenden. Für den Kunst- und Kulturbereich fällt mir dafür allerdings kein Beispiel ein. Vielleicht haben Sie ja eine Idee?
Kommen wir zu Beispiel drei, der Vodafone-Pressekonferenz, die online übertragen wurde und die man als UserIn auch über seinen Facebook-Account kommentieren konnte. Eigentlich keine schlechte Idee, so lange die Stimmung positiv ist. Schlägt diese allerdings um und es ist niemand da, der hier einzugreifen versucht, dann kann daraus ein richtiges Fiasko werden. Ich möchte jetzt aber nicht darüber spekulieren, ob es in diesem Fall gelingen hätte können, mäßigend einzugreifen und die Katastrophe zu verhindern. Tatsache ist aber, dass sich die Veranstalter der Pressekonferenz um diesen Kommunikationskanal gebracht haben. Obwohl sie lobenswerterweise Kanäle zur Verfügung gestellt haben, über die die UserInnen sich austauschen konnten.
Vielleicht war die Kommunikation mit den UserInnen auch geplant und klappte aus irgendwelchen Gründen nicht? Auf alle Fälle bietet es sich in einem solchen Fall an, einerseits mit den UserInnen zu kommunizieren und andererseits sich diese auch untereinander austauschen zu lassen. Aber auch in diesem Fall gilt: ich muss über die entsprechende Reputation und Netzwerke verfügen, damit meine Live-Übertragung auch wahrgenommen wird. Sonst passiert das, was vielen auch in der offline-Kommunikation passiert, zum Beispiel bei Pressekonferenzen: man ist (fast) alleine.
Ludger Brenner spricht in seinem Beitrag zur aktuellen NPO-Blogparade einen interessanten Punkt an, nämlich die Frage, ob sich mit solchen Aktionen, also mit Live-Übertragungen der Bekanntheitsgrad steigern lässt? Ja und Nein. Ohne Reputation und Netzwerk klappt es, vermute ich, nicht. Wer noch nicht über das entsprechende Standing verfügt, wird das auf sich gestellt nicht schaffen. Das heißt, ich müsste mir zumindest so etwas wie ein Zugpferd suchen. Habe ich eine hohe Reputation, dann werde ich ein solches Format vermutlich nutzen können, mich noch mehr ins Gespräch zu bringen bzw. auf mein Anliegen hinzuweisen.
Aber natürlich kann ich die Live-Übertragung als eine Form der Kommunikation innerhalb meiner Community einsetzen. Jedes Theater, Orchester, Museum, etc. kann auf diesem Weg einerseits informieren und sich aus der Information ergebende Fragen zu beantworten versuchen. Gleichzeitig ermögliche ich mit Hilfe z.B. eines öffentlichen Chats die multilaterale Kommunikation. Sehr spannend ist, was Hannes Jähnert in seinem Beitrag zur Blogparade schreibt. Für ihn stellt die Live-Kommunikation via Internet eine Möglichkeit gemeinsamer Kreativität dar. Videokonferenzen, Chats oder Second Life bieten, so ist er überzeugt, die Möglichkeit, verrückte, assoziative Spinnerei zu kultivieren. Wichtig ist aber auch hier natürlich die Möglichkeit der multilateralen Kommunikation.
Das heißt, Live-Kommunikation eignet sich sehr wohl für Kunst- und Kultureinrichtungen (wie auch ganz generell für NPO) als ein Instrument, um einerseits Informationen zu streuen und einen Rückkanal zur Verfügung zu stellen. Andererseits eignen sich die diversen Tools auch für den gedanklichen Austausch auf multilateraler Ebene. Szenarien gibt s dafür jede Menge. Sie reichen vom Vereinbaren von Terminen über gemeinsames Brainstorming bis zur Vorstellung von neuen Ideen oder Programmen.
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