Wien denkt weiter nennt sich ein Gemeinschaftsblog, für das laut Impressum Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorn verantwortlich zeichnet und das schon mit einigen prominenten GastbloggerInnen aufwarten kann.
“Das Projekt ‘Wien denkt weiter’ hat sich zum Ziel gesetzt, einen Katalog an Leitlinien und Maßnahmen zu erarbeiten, die die Kulturpolitik der Stadt Wien in Zukunft prägen sollen. Basis dafür ist das Thesenpapier ‘Kultur. Für Wien. Für morgen. Für fast alle’ “,
heißt es auf der Website. Mit dem Blog soll eine öffentliche Diskussion initiiert werden, die in den Kongress „Wien denkt weiter” mündet, der Mitte Juni 2010, also in gut einem Monat stattfinden soll. Eine schöne Idee, nur fürchte ich, wurde sie etwas spät begonnen, denn bis jetzt findet die Diskussion noch nicht statt. Was aber nicht nur an den InitiatorInnen liegt, schließlich hat das Blog auf Facebook bereits über 500 Fans und da wird schon die eine oder andere VertreterIn aus Kunst und Kultur dabei sein.
Oder es gibt zu diesem Thesenpapier nichts zu sagen? Wer sich die Thesen durchliest und auch die Mühe nicht scheut, sich die lange Version zu Gemüte zu führen, wird unter Umständen beeindruckt sein, was da für Vorstellungen existieren hinsichtlich einer Kulturpolitik 2020. Bei den meisten Punkten werde ich kaum etwas dagegen vorbringen können, etwa wenn darauf verwiesen wird, dass auch in Zeiten der Globalisierung die lokale Kunst nicht vergessen werden darf.
Das Problem dabei: solche Visionen sind ja nicht unbedingt neu, nur konnten sie noch nie wirklich umgesetzt werden. Warum? Häufig ist es das Geld, das fehlt. Eigentlich fast immer. Und wird nicht der Erfolg von Kulturpolitik letzten Endes daran gemessen, ob es gelingt, das Kulturbudget zu erhöhen bzw. zumindest das Level zu halten? Gut, so viel sind unserer Gesellschaft Kunst und Kultur Wert, mehr ist es einfach nicht. Die Reaktionen halten sich in Grenzen, wenn es Kürzungen gibt, meist kommen sie von den Betroffenen selbst, was verständlich ist.
Und weil es eigentlich fast immer um (fehlendes) Geld geht, gefällt mir diese eine These so gar nicht:
“Gegen Kommerz und Ökonomisierung der Kunst. Die Wiener Kulturpolitik bekennt sich zu einer soliden öffentlichen Finanzierung, die nicht dem Markt, sondern der Qualität verpflichtet ist!”
Diese Forderung ist so nicht haltbar und wenn man es genau nimmt, unsinnig. Punkt eins, eher ein Nebenschauplatz: Markt oder Qualität. ganz ehrlich, müssen wir immer noch über Markt und Qualität als Gegensatz diskutieren? Der Markt, das sind wir. Sie und ich. Wollen Sie sich nachsagen lassen, dass Sie als MarktteilnehmerIn für das Gegenteil von Qualität stehen? Wahrscheinlich werden Sie entgegnen, dass Ihnen vor allem die Qualität wichtig sei und der Markt völlig egal. Vermutlich werden das alle sagen, was erstens in Ordnung und zweitens ein Hinweis darauf ist, dass diese Unterscheidung so eigentlich nicht existiert. Schließlich gibt es ganz viele Märkte, auf denen Sie anzutreffen sind und trotzdem auf die Qualität schauen.
Viel wichtiger ist mir aber die Kernaussage dieser These, die da lautet: entweder Kommerz und Ökonomisierung der Kunst oder öffentliche Finanzierung. Ich glaube nicht an diesen Gegensatz, schließlich gab es schon immer Bereiche in Kunst und Kultur, die sich dem Kommerz verschrieben haben. Ja und? Ist es denn falsch, mit Kunst Geld zu verdienen? Ich finde nicht und stelle fest, dass die meisten den Kommerz nur solange verteufeln, bis sie selbst an die Futtertröge gekommen sind.
Bleibt die Ökonomisierung. Was habe ich mir darunter eigentlich vorzustellen? Ökonomisierung und Kunst, damit verbinden wir die Vorstellung, dass die Kunst unter die Räder von betriebswirtschaftlichen Erwägungen kommt und es nur noch um Effektivität und Effizienz geht. Effektivität und Effizienz, das wollen wir anscheinend nicht. Oder vielleicht doch? Christian Dries schreibt in seinem Artikel “Ökonomisierung – ja,bitte!“:
“Ökonomisierung bedeutet zunächst nichts anderes als Rationalisierung, Effizienzsteigerung und Leistungsorientierung. Wer konsequent ökonomisch handelt, erledigt seine Arbeit so, dass er das selbe oder ein besseres Resultat in kürzerer Zeit und mit verbesserten Mitteln erreicht. Durch den Einsatz neuer Technologien etwa, durch Arbeitsteilung oder besseres Zeitmanagement. Der Gewinn ist übrigens jedes Mal – freie Zeit. Zeit für andere Tätigkeiten oder all die schönen Dinge jenseits der Arbeit.”
Das möchte ich eigentlich schon. Und auch das, was Dries für die Universitäten vorschlägt, was sich aber sehr gut auf Kunst und Kultur übertragen lässt:
“Was wir wirklich brauchen, klingt auf den ersten Blick paradox, ist es aber nicht. Wir brauchen eine neue Hochschulökonomie des Überflusses und der Verschwendung – sparsam, effizient und entschlackt auf der strukturellen Ebene, mit stimulierender und entfesselnder Wirkung auf Spitzenforschung und Lehre. Mit zahlreichen Oasen der Nutz- und Zwecklosigkeit, Spielwiesen der Wissenssuche. Ohne den permanenten ökonomischen Druck durch Drittmitteljagd, Mittelkürzungen und Effizienzdenken im Nacken.”
Ich denke, die Unterscheidung zwischen der strukturellen Ebene und der inhaltlichen Arbeit ist wichtig. Ein Kunstwerk entsteht nicht auf Basis von Kosten-Nutzen-Rechnungen, beim Drumherum schadet es aber nicht, wenn auf Effektivität und Effizienz geachtet wird. Ganz im Gegenteil: darum geht es, wenn man “erfolgreich” sein will, denn, um es mit den Worten von Adam Thurman zu sagen:
“(…) there is a difference between loving to act and running a theatre.”
Oder, wie ich es in meinem Beitrag “Von Cafehäusern und der Kunst” formuliert habe:
“Kunst braucht nicht nur den Traum, sondern auch den Businessplan.”
Deshalb ist es in meinen Augen wichtig, dass im Kunst- und Kulturbereich nicht nur künstlerische Projekte gefördert werden, sondern verstärkt auch in die Infrastruktur investiert wird. Das ist in vielen profitorientierten Branchen ganz selbstverständlich, warum also sollte das nicht auch im Kunst- und Kulturbereich möglich sein? Und noch ein letzter Punkt: es ist zwar schön, dass alle gegen die Ökonomisierung der Kunst sind. Tatsache ist aber, dass die finanzielle Situation für die meisten KünstlerInnen mehr als trostlos ist. Wäre es nicht an der Zeit, bei geförderten Projekten darauf zu achten, dass die Mindeststandards in Sachen Bezahlung eingehalten werden? Die Tiroler Kulturinitiativen (TKI) haben dankenswerterweise Honorarrichtlinien für freie KulturarbeiterInnen zur Verfügung gestellt.
Nun können KulturpolitikerInnen natürlich entgegnen, dass dafür nicht genügend Geld da sei. Das mag sein, aber dagegen kann man ja was tun, Stichwort Ökonomisierung.
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