Würden Sie sich, so Sie auf Facebook aktiv sind, Ihre Fans kaufen und knapp 40 Euro für 1.000 neue Facebook-Fans ausgeben? Das ist, wie man in einem Artikel auf DerWesten nachlesen kann, auf Ebay der aktuelle Durchschnittspreis für ein solches Angebot. Wahrscheinlich werden Sie das entrüstet von sich weisen und es ähnlich unethisch finden wie die in diesem Beitrag zitierte Facebook-Beraterin Annette Schwindt.
Mir geht es übrigens nicht anders, auch ich würde so ein Ansinnen wohl entrüstet ablehnen. Warum? Weil wir ja immer behaupten, Social Media funktioniere ganz anders als das klassische Marketing. So wird Annette Schwindt in dem oben verlinkten Artikel mit der folgenden Aussage zitiert:
“Man kann das alte Marketingdenken nicht einfach auf Social Media übertragen (…). Nicht die Anzahl der Fans ist wichtig, sondern der Grad an Interaktion mit ihnen.”
Und die finde man bei Ebay noch nicht im 1000er-Pack, so die Schlussfolgerung in dem Artikel. Aber ist das wirklich so? Ich muss gestehen, ich weiß nicht, wie man sich als Fan kaufen lassen kann, aber ich vermute, gegen meinen Willen kann man mich nicht dazu zwingen, Fan von z.B. einem Unternehmen zu werden. Ich weiß auch nicht, ob ich mich dafür bezahlen lassen kann, Fan eines Unternehmens zu werden, von Gewinnspielen und ähnlich Goodies mal abgesehen. Wenn aber 1.000 Fans 40 Euro Wert sind, dann kostet der einzelne Fan 4 Cent, d.h. reich werde ich als solcher sicher nicht.
Die Firma Digital Online Media hat sich auf das Experiment eingelassen und bei premiumfbfans.com Fans geordert. Bis jetzt hat sich aber noch nichts getan, d.h. es stellt sich die Frage, ob man sich seine Fans wirklich kaufen kann oder ob das nicht eine Betrügermasche ist, auf die man nicht hereinfallen sollte?
Aber nehmen wir mal an, ich kann mir meine Fans kaufen. Ist das nun wirklich ein Unterschied zu denen, die ich mit Hilfe von GoogleAds, der Facebook-Werbung oder auch dem klassischen Inserat auf meine, in diesem Fall Facebookseite locke? Und vor allem: ist es nicht eine Illusion zu glauben, wer meine Seite “liked” ist automatisch ein Fan von mir und kauft meine Produkte oder besucht meine Veranstaltungen?
Eigentlich ist das Anklicken des “like-it”-Buttons doch nur der Hinweis darauf, dass mich die UserIn wahrgenommen hat und mir nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Von einer Fanbeziehung sind wir, so würde ich behaupten, noch weit entfernt, allerdings sollten wir an dieser Stelle die Frage klären, wer oder was sich hinter einem Facebook-Fan verbirgt? Eigentlich ist das doch nur jemand, der durch das Anklicken signalisiert, dass ein grundsätzliches Interesse besteht. Allerdings wissen wir nicht, wie dieses Interesse aussieht? Handelt es sich z.B. um ein weltbekanntes Museum, dann möchte ich durch diese Verbindung vielleicht nur meinen “Freunden” signalisieren, dass ich kunstaffin bin. So wie manche ganz bestimmte Bücher auf dem Tisch platzieren, bevor Besuch kommt. D.h. ich schmücke mich mit der Reputation dieses Museums und werte mich selbst dadurch auf.
Vielleicht erwarte ich mir aber auch einen finanziellen Vorteil davon, Fan einer Seite zu werden. Nehmen wir das Beispiel der Deutschen Bahn, die im letzten Herbst ihr Chefticket via Facebook verkauft hat. Wer hier Fan der Deutschen Bahn wurde, tat das nicht aus Liebe und Zuneigung zum Unternehmen, sondern um an ein billiges Ticket zu kommen. Auch die Idee, Filme über die Fanseite anschauen zu können, geht in eine in meinen Augen monetäre Richtung (siehe dazu auch : Cinema goes Facebook)
Ich darf an dieser Stelle noch einmal das Zitat von Annette Schwindt wiederholen:
“Man kann das alte Marketingdenken nicht einfach auf Social Media übertragen (…). Nicht die Anzahl der Fans ist wichtig, sondern der Grad an Interaktion mit ihnen.”
Sie sehen schon: bis jetzt stimmt das so nicht. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele Seitenbetreiber Facebook (noch) nicht verstehen. Das ist der Tenor eines Interviews mit Annette Schwindt, nachzulesen im Blog von Matthias Schwenk. Schwindt spricht in diesem Zusammenhang von einer “neuen Art der Alphabetisierung” und fordert, dass man erst die Grundprinzipien von Social Media begreifen müsse, um die Möglichkeiten von Facebook & Co. sinnvoll nutzen zu können. Aber der oft geforderte Dialog findet nicht statt, schreibt Uwe Knaus in einem Kommentar zu diesem Interview und findet dafür mehrere Gründe. Neben der fehlenden Kompetenz ist auch Facebook selbst daran Schuld, denn sollte sich mal so etwas wie ein Dialog entwickeln, verschwindet der recht schnell wieder von der Bildfläche und lässt sich nur mühsam wieder aufspüren.
Wenn aber Facebook gar nicht unbedingt der richtige Ort für Interaktion und Dialog ist, dann stellt sich die Frage, ob es nicht doch Sinn macht, Fans zu kaufen und sie via Facebook dorthin zu “locken”, wo ich mit ihnen wirklich interagieren oder Gespräche führen kann? Das entspricht dann nicht unbedingt dem Grundverständnis des Social Web, aber Uwe Knaus hat schon Recht, wenn er fragt, wo diese Gespräche auf Facebook denn stattfinden? Tun sie das nicht und wird die eigene Pinnwand eher wie ein Lautsprecher verwendet, dann geht es doch nur darum, dass meine Nachrichten gehört werden und manche sie für interessant halten und darauf reagieren. Dann wären wir wieder bei den alten Prinzipien und könnten auch die alten Regeln anwenden.
Natürlich geht es auch anders, gar keine Frage. Dan Robles hat das in seinem Beitrag “The 3 Steps To Social Profits” recht anschaulich beschrieben (siehe dazu auch mein Blogpost Social Media oder Geld ist nicht alles) und hält darin fest, dass sich gekaufte Fans auf der monetären Ebene durchaus rechnen können. Das Ziel, “social capital” zu generieren, lässt sich so allerdings nicht erreichen. Aber darum geht es ja gar nicht immer, wie das Beispiel Deutsche Bahn zeigt.
Update: Rechtsanwalt Thomas Schwenke beschäftigt sich in einem Blogbeitrag mit der Frage, ob der Kauf von Fans eigentlich erlaubt ist? Sein Urteil fällt eigentlich recht eindeutig aus, was heißt: Finger davon lassen!
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