Ich gebe es zu, das Fahrradfahren habe ich nicht erfunden und nachdem mir vor drei Jahren das Rad geklaut wurde, habe ich mir kein neues mehr zugelegt. Dieses Fahrrad zu kaufen, war gar nicht so einfach für mich, denn ich bin, viele werden es bereits ahnen, Laie auf diesem Gebiet. Natürlich erkundigte ich mich damals, um herauszufinden, was gerade aktuell war und bekam nicht nur einen Vortrag zu hören über die Vorzüge bestimmter Gangschaltungen und sonstiger technischer Finessen.
Am Ende kaufte ich ein Fahrrad, einfach ein Fahrrad. Die Teilnahme an irgendwelchen Radrennen war nie geplant, also brauchte ich auch nicht mehr. Und dass man egal, wofür man sich entscheidet, immer selbst und aus eigener Kraft in die Pedale treten muss (die elektrischen Dingens mal ausgenommen), das war mir klar.
In einer ähnlichen Situation befinden sich vermutlich viele Kultureinrichtungen, die vor nicht allzu langer Zeit im Social Web aktiv geworden sind und nun vor der Frage stehen, was sie denn mit Google+ machen sollen. Klevere Zeitgenossen wittern dahinter natürlich ein Geschäft und so habe ich heute bereits die erste Einladung zu einem (nicht ganz billigen) Seminar bekommen, in dem dann die Frage beantwortet wird, ob ich dort sofort loslegen soll oder besser abwarte.
Die meisten brauchen zur Beantwortung dieser Frage kein Seminar, weil Google sie noch gar nicht reingelassen hat in dieses Netzwerk. Aber irgendwann kommt der Moment und dann werden viele vor der Frage stehen: was nun?
Diejenigen, die derzeit schon testen dürfen, sind in der Regel Social-Media-ExpertInnen und beschäftigen sich aus beruflichen Gründen mit dem Social Web, seinen Entwicklungen und somit auch mit Google+. Es sind die, die sich, um zum Thema Fahrradkauf zurückzukommen, sehr wohl mit der Frage beschäftigen, ob sie die Gangschaltung von der Firma x oder der Firma y kaufen sollen.
Und manchmal kann man ja auch als Laie von deren Wissen profitieren und sich dann eine Gangschaltung zulegen, die einem das Treten in die Pedale zwar nicht abnimmt, aber doch zumindest erleichtert. Was gibt es nun also zu berichten von Google+?
Vorweg sei angemerkt, dass auf diesem Netzwerk, mit dem Google gegen Facebook antritt, jeden Tag etwas Neues passiert und es sich hier nur um eine Momentaufnahme handeln kann. Mit dieser quasi Entschuldigung fange ich gleich mit den negativen Punkten an. Da gibt es “Sparks”, eine von Google selbständig generierte Sammlung von Links zu einem von mir bestimmten Thema. Naheliegend, dass ich es mit dem Begriff Kulturmanagement versucht habe und eine Enttäuschung erleben musste. Lediglich ein Link wird mir von Google vorgeschlagen und den kenne ich schon, er führt zu meinem eigenen Blog.
Gut, Inhalte zu bestimmten Themen zu finden, dafür brauche ich nicht unbedingt Google+. Was aber wirklich ins Gewicht fällt ist das Fehlen von RSS und Tags. Die Postings der in das eigene Netzwerk eingebundenen UserInnen verschwinden also ähnlich schnell wie bei Facebook und Twitter im virtuellen Nirvana. Hier ist aber damit zu rechnen, dass Google bald Abhilfe schafft, insofern möchte ich darauf jetzt nicht groß herumreiten.
Gut gefällt mir das, was Google als Hangout bezeichnet. Dahinter versteckt sich die Möglichkeit, sich mit zehn Leuten zu einem Videochat zusammen zu tun. Worüber man sich dort unterhält, bleibt einem natürlich selbst überlassen, falls es aber langweilig werden sollte, lassen sich per Mausklick YouTube-Videos öffnen und gemeinsam anschauen bzw. -hören. Im Unterschied zu Skype, wo dann alle mit mir vernetzten UserInnen sehen, dass ich gerade anwesend bin, kann ich hier den Personenkreis einschränken.
Das geschieht über die sogenannten Circles, die wahrscheinlich interessanteste Neuerung, die Google+ zu bieten hat. Das nachfolgende Video erklärt das Prinzip:
Kurz gesagt, man kann UserInnen, die für einen interessant sind, in verschiedene Kreise verschieben, eine sehr einfache und gut funktionierende Lösung, die an die “Aspekte” in Diaspora erinnert. Ist so jemand in einem meiner Kreise, kann ich ab sofort seine Postings lesen. Ähnlich wie bei Twitter brauche ich dafür kein Okay, d.h. die Sache ist schnell erledigt. Ob die oder der Andere dann auch mich in einen Circle schiebt und so meine Postings lesen kann, bleibt ihr bzw. ihm überlassen.
Die Herausforderung besteht nun darin, das passende System für die eigenen Circles zu finden, denn auch auf Google+ habe ich das Problem, dass zuviel Content auf zu wenig Zeit stößt und ich mir überlegen muss, wie ich damit umgehe. Ob Sie nun themenorientierte Kreise anlegen oder zwischen Influencer und Fußvolk unterscheiden, liegt in Ihrer Hand. Eigentlich kennen Sie dieses Prinzip schon von den Listen auf Facebook, aber da das Anlegen solcher Listen dort nicht so ganz einfach war, haben die wenigsten solche Listen erstellt. Das hat Google eindeutig besser gelöst und so werden derzeit fleißig Circles erstellt und erprobt.
Was heißt das für Kultureinrichtungen? Im Augenblick noch gar nichts, denn es gibt derzeit auf Google+ noch keine Unternehmensseiten, wie wir sie von Facebook kennen. Und die Zahl der Kontakte bei den persönlichen Profilen scheint auf 5.000 beschränkt zu sein. Diese Erfahrung hat heute zumindest Werner Lippert vom NRW-Forum gemacht.
Ob und in welcher Form sich der Ein- oder Umstieg auf Google+ lohnt, lässt sich daher noch überhaupt nicht abschätzen. Fakt ist, die Usability ist, von Kinderkrankheiten abgesehen, sehr gut, die Seite sieht schick aus (Sie können das in meinem Profil sehen) und so spricht einiges dafür, dass sich Google+ etablieren wird. Das kann dazu führen, dass der Traffic auf Facebook nachlässt und Sie dort nicht mehr so viele UserInnen erreichen wie noch vor wenigen Tagen. Offen bleibt die Frage, wohin sich dieses Netzwerk entwickelt. Werden auf Google+ anderen Themen abgehandelt als auf Facebook oder Twitter? Derzeit sieht es nicht danach aus. Ich kenne einige UserInnen, die ihre Beiträge gleichmäßig auf Facebook, Twitter und Google+ verteilen. Über den Sinn und Zweck lässt sich streiten, zu vermuten ist aber, dass Google mit seinem Netzwerk eine weitere Anlaufstelle für viele UserInnen geschaffen hat. Neben Twitter und Facebook müssen Sie unter Umständen in Kürze auch auf Google+ achten und dort für Ihre Aktivitäten werben Gespräche führen. Das gilt vor allem für diejenigen, die bis jetzt ausschließlich auf Facebook gesetzt haben. Die Zeit, in der Facebook gleichzusetzen war mit Social Media, ist, so denke ich, seit ein paar Tagen endgültig vorbei (angemerkt sei, dass ich noch nie ein Befürworter dieses Ansatzes war), das Netzwerk wird an Bedeutung verlieren.
Wenn Sie nur über begrenzte (Zeit)-Ressourcen verfügen, dann müssen Sie vermutlich in Kürze Entscheidungen treffen, um sich nicht zwischen den verschiedenen Netzwerken und Plattformen zu verlieren. Was tun? Mein Rat wird Sie vielleicht überraschen, aber ich denke, spätestens jetzt sollten Sie auf ein Blog setzen und Netzwerke wie Facebook und Google+ als Zubringer dorthin verstehen. Natürlich werden Sie weiterhin auf Facebook, Twitter und/oder Google+ kommunizieren. Aber es sollte irgendwo eine Anlaufstelle geben, auf der Sie nicht ständig lesen müssen, was Sie nicht tun dürfen, sondern die Freiheit haben, das zu tun, was Ihnen wichtig ist. Sie müssen sich nicht, so Ihnen die Ressourcen fehlen, zu SpezialistInnen für Facebook oder Google+ entwickeln, sondern sich vor allem darum kümmern, Ihre Ziele zu erreichen. Die Frage, welche Gangschaltung die richtige ist, werden Sie sich erst dann stellen, wenn Sie Ihre Ziele höher stecken. Dafür bedarf es dann aber auch der entsprechenden Ressourcen. ;-)
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