Dass es der Musikindustrie schon mal besser ging, ist keine ganz neue Erkenntnis. Viele trauern den vergangenen Zeiten nach, in denen über den Verkauf von Schallplatten und CD enorme Umsätze erzielt werden konnten.
Mit dem Aufkommen des Internets hat sich für viele Player im Musikbusiness die wirtschaftliche Lage verschlechtert, auf der anderen Seite bietet es aber auch neue Möglichkeiten für Finanzierung, Marketing und Vertrieb. Theoretisch, denn in der Praxis bauen sich jede Menge Hürden auf und so hält sich die Zahl der Erfolgsstorys bis heute in Grenzen.
Die Herausforderung besteht darin, neue Geschäftsmodelle für die Musikwirtschaft zu entwickeln. Hier setzt der aktuelle Fördercall von Departure, der Kreativagentur der Stadt Wien an. Im Unterschied zu den klassischen Förderprogrammen, in denen die Produktion von Kunst gefördert wird, geht es hier um „Innovationspotenziale und neue Wertschöpfungsmöglichkeiten“.
Im Vorfeld zu diesem Call entstand ein White Paper, das als Grundlage dieses Förderwettbewerbs dient und die Aufgabe hat,
„rezente Entwicklungen dar(zu)stellen, Probleme (zu) analysieren und (…) eine Reihe von Innovationspotenzialen auf(zu)zeigen“,
wie Departure-Geschäftsführer Christoph Thun-Hohenstein in seinem Vorwort schreibt. Es soll Produkte, Prozesse und Dienstleistungen identifizieren,
„die zum einen eine neuartige Verknüpfung von bereits Bestehendem darstellen und zum anderen das Potenzial haben, nachhaltig marktfähig zu sein“,
formuliert es Peter Tschmuck, unter dessen Federführung das White Paper entstanden ist.
Nur auf diese Weise werden diejenigen, die sich der österreichischen Musikwirtschaft zurechnen lassen, überleben können, lautet der Grundtenor dieses Papers, das auch als PDF online zur Verfügung steht. Für den Publizisten Walter Gröbchen ist klar, dass die Innovation sich nicht von alleine einstellt, sondern die Branche ihre Hausaufgaben machen muss. Zwar sei nicht der Weg das Ziel, aber wer „unterwegs“ nicht auf Professionalisierung, Internationalisierung und Spitzenförderung setze, habe keine Chance, zur „A-Klasse der österreichischen Musikwirtschaft zu gehören.
Nun ist Innovation ein großes Wort. Wie sollte eine Idee aussehen, um sich am noch bis Oktober laufenden Call beteiligen zu können? Hilfreich ist in dieser Hinsicht Kapitel 1 des White Papers, in dem KünstlerInnen wie Wilfried Brandstötter, Susanne Kirchmayr oder Eva K. Anderson erklären, wo sie eigentlich aktuell Handlungsbedarf sehen? Letztere fordert unter anderem InformationsbrokerInnen, die den KünstlerInnen als eine Art Lotse zur Seite stehen:
„Konkret braucht es Leute, die in der Lage sind, weltweit Kontakte herzustellen und zu nützen. Leute, die innovative Ideen haben, wie man heutzutage Musik aus der Informationsflut hervorhebt und bekannt macht.“ (S.20)
Peter Tschmuck kann sich vorstellen, dass diese InformationsbrokerInnen in zweierlei Hinsicht eine Selektionsfunktion übernehmen. Einerseits für die KünstlerInnen, andererseits aber auch für die KonsumentInnen, denen auch geholfen wäre,
“wenn systematisch zu ihrem Musikgeschmack neue Angebote ausfindig gemacht und kommuniziert würden”. (S.24)
Als sogenannte Intermediäre gehören sie, so Peter Tschmuck, zu jenen AkteurInnen, die durch ihre Leistungen die Anbieter und Nachfrager von Musik zusammen bringen. Tschmuck, der sich in seinem eigenen Blog schon seit längerer Zeit mit Fragen der Musikwirtschaftsforschung beschäftigt, unterscheidet zwischen den alten und den neuen Intermediären und wünscht sich dafür auch “neue Verknüpfungen außerhalb der Musikindustrie”.
Das White Paper versucht, auf die vielen Bereiche, in denen Innovation stattgefunden hat oder stattfinden könnte, einzugehen und versucht, auch durch die vielen Interviews, die Vielschichtigkeit dieser Branche darzustellen. Am Ende, so fasst Tschmuck die vielen Beiträge zusammen, kristallisieren sich fünf Innovationsfelder heraus, es geht um Produkt-, Prozess, Dienstleistungs- Schnittstellen- und Netzwerkinnovationen. Hier setzt der Fördercall von Departure an, der noch bis zum 3. Oktober läuft und das Ziel hat, die Musikwirtschaft in der Stadt Wien zu stärken.
Das dies nicht so einfach ist, das zeigt der Beitrag des Medien- und Musikexperten Carsten Winter, der sich in seinem Beitrag mit der Situation der Musikwirtschaft in Berlin beschäftigt und deutlich macht, dass sich Innovation nicht planen lässt. Es sind höchstens die Rahmenbedingungen, aber die Beschreibung Berlins mit “arm, aber sexy” deutet eher darauf hin, dass hier kein politisches Konzept dahinter steht, ganz im Gegenteil.
So zeugt es von einer sehr realistischen Erwartungshaltung, wenn Christoph Thun-Hohenstein in seinem Vorwort schreibt:
“Es versteht sich von selbst, dass bahnbrechende Neuerungen immer willkommen sind, doch wäre es vermessen, solche von diesem Förderwettbewerb automatisch zu erwarten.”
Der von ihm verwendete Begriff der Zwischentöne passt da ganz gut.
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