Die Duisburger Philharmoniker stellen ihr Blog ein


© Helge Haibach ; Pixelio

Gerade aus dem Urlaub zurückgekommen hat mich die Nachricht erreicht, dass die Duisburger Philharmoniker ihr Blog einstellen. Mit ihrem Projekt “Philharmonie 2.0” hatten sie Social-Media-Geschichte geschrieben, waren sie doch die erste große Kultureinrichtung im deutschsprachigen Raum, die sich auf Social Media einließ. Und letzten Endes waren es die Duisburger Philharmoniker, die den Anstoß zur stARTconference gaben.

Im letzten und abschließenden Blogpost “Da Capo al fine – 3 Jahre Bloggeschichte” heißt es:

“Hinter den letzten Noten folgt in einer Partitur meistens ein dicker Taktstrich – hier ist das Stück eigentlich zu Ende. Manchmal aber hat der Komponist das Bedürfnis nochmal die Anfangstakte bis zu einem gewissem Punkt zu wiederholen und um unnötige Wiederholungen nicht neu schreiben zu müssen, schreibt man in solchen Fällen einfach “Da capo al fine” in die Partitur. Das “Da capo” in unserem Fall bedeutet: Wir sind weiterhin über Facebook,  Twitter und unsere erweiterte Webseite mit aktuellen Nachrichten für euch da, das Blog selbst aber ist nach drei erfolgreichen Jahren an diesem Punkt Geschichte.”

Ich habe das Blog gerne gelesen und nachdem dort erst vor wenigen Wochen eine Blogparade gestartet wurde, in der es um die Zukunft des Konzerts ging, kam dieses Ende für mich überraschend. Der Vergleich des Blogs mit einem Musikstück, das in der Tat irgendwann einmal zu Ende geht, hinkt in meinen Augen. Das Blog war der Außenauftritt der Duisburger Philharmoniker im Social Web und wenn dieses Blog nicht mehr fortgeführt wird, hört nicht ein einzelnes Stück auf, sondern die Philharmoniker verschwinden aus meinem Sichtfeld und werden von mir zukünftig entweder gar nicht oder nur noch bruchstückhaft wahrgenommen.

Auf Twitter und Facebook gibt es keine Blogparaden, d.h. ein Austausch, der mehr als zwei Sätze umfasst, ist nicht mehr möglich. Ich habe immer wieder betont, dass ein Blog in meinen Augen das Zentrum aller Social-Media-Aktivitäten sein muss. Hier kann ich schalten und walten, hier kann ich entscheiden, ob und wenn ja, welche Werbung zu sehen ist. Ich muss nicht krampfhaft auf möglichst viele Like-it’s spekulieren, damit ich auch genügend Zugriffe habe.

Natürlich muss ein Blog nicht in alle Ewigkeit  weitergeführt werden, auch dieses Blog hier wird irgendwann einmal sein Ende erleben. Aber das macht doch nur dann Sinn, wenn es in irgendeiner Form weitergeht, wenn es z.B. neue Formen der Kommunikation gibt. Aber einfach so aufzuhören heißt eher zu verschwinden. Natürlich lässt sich auch über eine Website auf kommende Veranstaltungen hinweisen, aber Interaktion ist auf diese Weise nicht möglich.

Mir fällt in diesem Zusammenhang eine schon etwas ältere Präsentation von Jeremiah Owyang ein, in der er die Entwicklung der klassischen Website in Richtung einer “social corporate website” beschreibt. Die Duisburger Philharmoniker gehen nun genau in die entgegengesetzte Richtung. Schade…


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16 Antworten zu „Die Duisburger Philharmoniker stellen ihr Blog ein“

  1. Nach einem Hinweis auf dem blog von Axel Kopp hab ich vor zweiWochen mein wordpress-blog mit meiner website verknüpft. Das erschien mir sinnvoll. Wer Lust hat, kann mal gucken, wie das aussieht:

    http://theater-neu-ulm.de/cmsroot/blog!

    1. Das ist wirklich ein WordPress-Blog?

  2. Es wäre interessant, die Gründe zu kennen. Die häufigst genannten Gründe sind: 1. Unterschätzter Aufwand. 2. Überzogene Erwartungen (die allzu oft von Agenturen geschürt werden). Vielleicht auch die falsche Strategie? Wie richtig angemerkt wurde, sollte das Blog im Zentrum der Social Media-Aktivitäten stehen.

  3. Hatte mir dasselbe gedacht, als ich die Meldung heute las. Schade. Interessant wären tatsächlich die Gründe.

  4. Was ich sagen kann:
    -es liegt nicht am Geld. Seit Jahren liegt ein Business-Konzept in den Schubladen der Verantwortlichen, dass eine Finanzierung langfristig sichern würde. Zudem gibt es in Duisburg viele Kulturfreunde, die das Projekt “Philharmonie 2.0” sehr schätzen und fördern würden
    -es liegt nicht an Strategie und Team. Das Strategiepapier der “Philharmonie 2.0” ist schon 2008-2009 entstanden und diente erfolgreich als Grundlage vieler Folgeprojekte. Hier die Kurzfassung als Präsentation: http://slidesha.re/re4sCY . Das Team selbst ist hochprofessionell und wird von anderen Kulturbetrieben immer wieder mit Kusshand gebucht (s. z. B. http://chorverband.posterous.com/ . Das ist eine vielbeachtete Medienproduktion des Teams, die sie leider in dieser Form nie in Duisburg machen durften)
    -es liegt nicht am Erfolg, wie schon 2009 der Intendant in einem Interview feststellte: http://bit.ly/pFFLu7

    Dennoch wurde über ein Jahr hinweg systematisch das Projekte “Philharmonie 2.0” kastriert und das Ende des Blogs ist der logische Todesstoss.

    Mich würden die Gründe ebenfalls sehr interessieren.
    Unter http://bit.ly/nljHYx sammle ich alle aktuellen Meldungen und Informationen dazu.

  5. Nachdem die Gründe für die Schließung des Blogs nicht genannt werden, kann man doch davon ausgehen, dass damit etwas erreicht wurde, was der Orchesterleitung nicht so ganz ins Konzept passt. Zwar heißt es in Franks Google+-Beitrag, Intendant Wendel habe gemeint, das Projekt “Philharmonie 2.0” habe keinen Erfolg gebracht, aber ich vermute, es hatte zuviel Erfolg und bot denen eine Plattform, die eigentlich gar nicht so sichtbar sein sollten. Besonders interessant wird es aber, wenn dann der Kulturdezernent via Facebook ausrichten lässt, für ihn sei das alles nur Schwachsinn und er werde sich persönlich darum kümmern, dass diese “Erfolgsgeschichte” weiterlaufen werde.

    Schwachsinn ist vermutlich der richtige Begriff: es geht um ganz viele Dinge, aber ganz sicher nicht um Social Media. Hier finden Machtkämpfe statt, die sich auch an ganz anderen Dingen entzünden könnten. Schade, dass darunter das Orchester und das Webteam leiden müssen.

    1. Ich befürchte, du bringst das auf den Punkt.

      Die Duisburger Philharmoniker geben selbst in ihrem “Harakiri 2.0” noch ein “Best Practice”.

  6. Noch so ein Effekt, der offensichtlich nicht beachtet wurde:
    Früher las man solche Nachrichten mit beeindruckenden Fotos/Videos auf der ganzen Welt im Blog, heute im Zeitungs-Regionalteil > http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/der-wunschkandidat-1.1726756

  7. @Frank Tentler: aber auch das kann Absicht sein. ;-) Verabschieden wir uns doch von der Vorstellung, dass Dinge immer zum Besten eines Unternehmens geschehen. Im Projektmanagement sprechen wir von den Zielkonflikten. Mit denen haben wir es hier offensichtlich auch zu tun…

  8. Philip

    @Frank den Beitrag der Rheinischen Post kann man allerdings auch auf der ganzen Welt lesen ;-)

    1. @Philip: Theoretisch, ja. Aber wer tut es? Hinter einer Social-Marketing-Strategie steht immer auch eine Influencer-Akquise, ein CRM und eine transmediale, ziel- und zielgruppenorientiert User-Ansprache. So wie bei “Philharmonie 2.0” der Duisburger Philharmoniker. Das war kein “Spass-Projekt”, sondern erfolgreiches Kulturmarketing-2.0 vom Feinsten.

      So hat zum Beispiel gestern eine kleine Online-Umfrage ergeben, dass nicht einer wusste, dass morgen die neue Spielzeit mit neuem GMD und einem tollen Programm beginnt. 2008-2010 war das anders, da hier via Web und Social Marketing schon sehr früh diese Informationen verstreut und von den vielen Fans weitergeleitet wurden.

      Nur weil etwas im Web steht, heisst das nicht, es wird wahrgenommen.
      Bei 99% des Web-Contents ist das aber auch ein Segen.

  9. Eine sehr bedauerliche Entwicklung. Ohne die Institution und die handelnden Personen zu kennen, hier ein Erklärungsansatz, wie ich ihn in der Praxis schon erleben durfte: Solche Projekte haben von Anfang an nicht nur Freunde, sondern auch Gegner. Läuft ein Projekt mit Erfolg an, verhalten sich die Gegner still und werden regelrecht unsichtbar.

    Sie sind aber nicht weg, sondern warten auf ihre Gelegenheit, das Projekt irgendwann torpedieren zu können und dessen Einstellung zu betreiben. Sie wollen es grundsätzlich nicht und lassen sich im Zeitablauf auch nicht durch dessen Erfolg umstimmen. Eher noch scheint das diese Menschen davon noch mehr zu überzeugen, dass die Sache irgendwie wieder aus der Welt muss…

  10. […] bewegen lassen. Wahrscheinlich wird eher das Gegenteil eintreten, wie Christian Henner-Fehr (»[…] einfach so aufzuhören heißt eher zu verschwinden«) und Frank Tentler (»Nur Sender kann man orten«) in ihren Beiträgen […]

  11. […] wird derzeit noch eifrig diskutiert. Lesenswert meines Erachtens vor allem die Stellungname von Christian Henner-Fehr (einschließlich der anschliessenden Kommentare) und die Beiträge von Frank Tentler, der als […]

  12. Ich schreibe gerade an meinem Studienheft “PR 2.0 – Public Relations im Social Web” für den ILS-Fernlehrgang “Social Media Manager/in” und werde diese dacapo-Entwicklung als “best worst case” einbringen.

    Jenseits aller internen Gründe sinalisiert die Entscheidung ein Unverständnis für die Idee eines Blogs als Herzstück der Social-Media-Kommunikation. Die Zersplitterung in einzelne Kanäle auf fremdgehosteten Seiten wie YouTube, Facebook oder Twitter kann meines Erachtens für eine im Social Web etablierte Organisation wie diese keine Weiterentwiclung, sondern nur ein Rückschritt sein.

    Naja, so lernen wenigstens noch ein paar Fernstudierende etwas dadurch.

  13. […] Ja, das ist schon bitter. Sehr, sehr bitter. Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll oder beides zugleich oder einfach nur ein „Pah“ ausstoßen soll. Vielleicht weiß der neue Intendant nicht, dass die Duisburger DAS Orchester des Internets im Jahr 2009 ff. waren. Aus dem Projekt „Philharmonie 2.0“ entstand die stART-Conference und daraus wieder das stARtCamp – ein Format, das deutschlandweit bis zu den ersten Lockdowns Ableger in Deutschland hatte. Anstatt dass man damals die Impulse weiterhin aufnahm und entwickelte schaltete man „Dacapo“ ab, das war 2011, fuhr die Tätigkeiten bei Facebook und Twitter zurück – man postet automatisch nur noch die Inhalte der Webseite – und verloren die damals durchaus rege Fangemeinde. Die wir damals übrigens fast alleine mit Twitter und Blog aufgebaut haben, Facebook kam damals erst später nach Deutschland. Übrigens habe ich das „Lied von der Erde“, das heute aufgeführt wurde, auch nur der Plakat mitbekommen. Nicht über Facebook oder Instagram oder so. Es hat sich bewahrheitet, was Christian Henner-Fehr schrieb: […]

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