Dass Crowdfunding derzeit boomt, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Die in den letzten Monaten entstandenen Plattformen lassen eine Art Goldgräberstimmung entstehen, die viele auf die Idee bringt, das für die Realisierung des eigenen Vorhabens fehlende Geld auf diese Weise zu beschaffen. Die im letzten Jahr auf Kickstarter eingesammelten 100 Mio. $, in den Medien oft und gerne erwähnte Projekte wie “Stromberg” oder “Hotel Desire” und eine oftmals fast euphorische Berichterstattung lassen den Eindruck entstehen, auf diesen Plattformen liege das Geld und warte nur darauf abgeholt zu werden.
Da ist es hilfreich, wenn sich auch ein paar Stimmen zu Wort melden, die sich kritisch mit dem Thema Crowdfunding auseinandersetzen, so wie dies Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre in einem in der Tageszeitung “Der Standard” veröffentlichten Artikel getan haben, der den schlichten Titel “Crowdfunding” trägt. Darin hinterfragen die beiden Autorinnen das “Erfolgsmodell” und melden vor allem demokratiepolitische Bedenken an. Aufhänger ist für die beiden Autorinnen das Pilotprojekt der Hamburg Kreativ Gesellschaft mit der Crowdfunding-Plattform Startnext. Die von beiden gemeinsam initiierte regionale Crowdfundingplattform Nordstarter funktioniert derzeit wie jede klassische Crowdfundingplattform, also ohne öffentliche Förderungen. Was aber ist, so fragen die Autorinnen, wenn öffentliche Förderungen davon abhängig gemacht werden, ob sich auch genügend private UnterstützerInnen gefunden haben? Eine solche Kombination sei aus ökonomischer Sicht zu hinterfragen, wenn die Vergabe einer Förderung nicht auf einem schlüssigen wirtschaftlichen Konzept basiere, sondern auf “emotionsgeleitete(n) Mausklicks nach Ansicht eines Werbevideos”. Auf demokratiepolitischer Ebene bemängeln Mayerhofer und Mokre,
“dass hier Steuergelder nach den Präferenzen einiger Privatpersonen vergeben werden, die zu dieser Machtstellung in keiner Weise demokratisch legitimiert sind”.
Sowohl in diesem Fall als auch bei der steuerlichen Absatzbarkeit von Spenden habe die öffentliche Verwaltung bzw. Politik keine Möglichkeit, diese Entscheidungen zu beeinflussen. Zwar seien im Unterschied zur Steuerabsetzbarkeit von Spenden, beim Crowdfunding mehrere Personen (die UnterstützerInnen) in den Prozess eingebunden, aber es sei ein Irrglaube, so schreiben Mayerhofer/Mokre, dass mehr Partizipation mehr Demokratie bedeute. Diese Sichtweise beruhe auf einer Verwechslung, denn
“Demokratie besteht nicht in der Teilnahme einiger oder sogar vieler an Entscheidungen, sondern in der – mindestens potenziellen – Beteiligung aller Betroffenen, im Konkreten also aller SteuerzahlerInnen, die zugleich diejenigen sind, denen die finanzierten Projekte in irgendeiner Form zugutekommen sollten”.
Ich gestehe, ich sehe das etwas anders. Ich halte nicht nur die Annahme, mehr Partizipation bedeute mehr Demokratie, für falsch (d.h. in diesem Punkt stimme ich mit den Autorinnen überein), sondern behaupte, dass Partizipation grundsätzlich nicht automatisch etwas mit Demokratie zu haben muss. Partizipative Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen eines Ausstellungsprojektes zum Beispiel sind vom Thema Demokratie recht weit entfernt, auch das Thema Mashups lässt sich nur schwer damit in Verbindung bringen.
Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob Crowdfunding eigentlich eine partizipative Form der Beteiligung an einem Projekt ist? Wenn die finanzielle Form der Unterstützung eines Vorhabens, verbunden mit einer Gegenleistung, bereits ein partizipativer Akt ist, dann müsste ja auch eine Sponsoringkooperation in die Kategorie Partizipation fallen. Sollten wir uns im Fall von Crowdfunding-Projekten nicht auch darauf beschränken, vom Austausch von Leistung und Gegenleistung zu sprechen? Zumindest steuertechnisch gesehen wird das so gehandhabt, denn das, was da an Geld reinkommt, wird als Einnahme betrachtet und entsprechend versteuert.
Wer aber trotzdem auf der demokratiepolitischen Ebene das Thema Crowdfunding diskutiert und behauptet, dass hier einige wenige Privatpersonen mit Hilfe ihres Geldes entscheiden, was in den gesellschaftlich relevanten Bereichen Kunst und Kultur realisiert wird, der mag diesen Ansatz als negativ empfinden, lässt aber dabei einige Punkte unberücksichtigt.
Erstens sollte jemand, der aus den öffentlichen Fördertöpfen kein Geld erhält, jederzeit die Möglichkeit haben, sich auf diesem Weg Geld zu beschaffen. Es gibt genügend Kunstsparten und Projekte, die keine Chance auf öffentliche Unterstützung haben und das aus Gründen, die demokratiepolitisch vermutlich wesentlich bedenklicher sind.
Zweitens resümiert Michael Wimmer in seinem Buch “Kultur und Demokratie“:
“In ihrem Kern (…) rankt sich die staatliche Kulturpolitik (Anm. in Österreich) um die Aufrechterhaltung eines ursprünglich auf imperiale Repräsentation gerichteten Kulturbetriebes im demokratisch verfassten Kleinstaat Österreich.” (S.376)
und attestiert dem Kulturbetrieb in Österreich,
“als ein isomorphes System an den Ansprüchen demokratischer Mitentscheidung und Mitwirkung vorbei ins Leere zu laufen”. (S.391)
Von einem demokratiepolitischen Idealzustand sind wir also – zumindest in Österreich – weit entfernt, einerseits belegbar durch die ungleiche Verteilung der Fördergelder und andererseits durch die immer wieder erlebbare Möglichkeit der Beeinflussung von außen (dieses von Tanja Ostojić gestaltete Plakatmotiv gefiel der Kronenzeitung während der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 nicht und wurde nach entsprechenden Protesten nicht mehr gezeigt).
Vor diesem Hintergrund mag jede/r selbst entscheiden, wo die größeren Bedenklichkeiten auftauchen. Eigentlich geht es aber gar nicht um die Frage, ob nun die staatliche Kunstförderung “besser” sei als Crowdfunding oder umgekehrt. Wir haben es hier mit zwei höchst unterschiedlichen Finanzierungsinstrumenten zu tun, die sich in meinen Augen sehr gut ergänzen. Es gibt eine Vielzahl von Vorhaben, für die Crowdfunding nicht das passende Finanzierungsinstrument ist. Ebenso gibt es auch Projekte, die keine Chance auf öffentliche Gelder haben, sondern auf Crowdfunding angewiesen sind. Ihre UnterstützerInnen haben dabei sehr unterschiedliche Beweggründe. Wenn Elisabeth Mayerhofer und Monika Mokre schreiben,
“(w)enn sich kein genügend großes Publikum zur Eigenfinanzierung einer künstlerischen Produktion findet, so ist es auch unwahrscheinlich, dass sich zum gleichen Zweck genügend Kleinmäzene finden”,
dann liegen sie damit nicht unbedingt richtig. Ich selbst unterstütze via Crowdfunding Projekte, ohne sie zu besuchen oder daran teilzunehmen. Weil sie in meinen Augen wichtig sind. Oder einfach gut. ;-)
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