© Petra Bork ; Pixelio
Ich schätze das Social Web und vor allem Blogs ungemein, denn es ist faszinierend zu beobachten, wie sich bestimmte Themen langsam auszubreiten beginnen und plötzlich an den verschiedensten Orten Diskussionen darüber entstehen. Mein Thema ist zur Zeit die Frage, ob und wenn ja, wie Social Media und der Return on Investment (ROI) zusammen passen. Auslöser ist die Beobachtung, dass die Social Media im Kunst- und Kulturbereich noch nicht adäquat mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden. Oft ist es die PraktikantIn, die halt noch jeden Tag neben ihrer “normalen Arbeit” 30 Minuten “Social Media macht”, was immer das dann auch heißen mag.
Meine Idee: ich glaube, dass man den EntscheidungsträgerInnen die Bedeutung von Social Media leichter vermitteln kann, indem man versucht, ihnen den “Wert” von Social Media zu verdeutlichen. Eine der wichtigsten Kategorien, in denen dieser Wert bestimmt werden kann, ist das Geld. Warum macht es Sinn, den Wert von Social Media monetär darzustellen? Erstens betrachte ich Social Media als Querschnittsmaterie, die in den verschiedenen Unternehmensbereichen (Marketing, Kommunikation, etc.) zum Einsatz kommt, in denen Geld eine wichtige Rolle spielt. Zweitens ist Geld die Ressource, die in den Kulturbetrieben meist schmerzlich vermisst wird. Es gilt also genau abzuwägen, wofür man seine Mittel einsetzt.
Der letzte Treffpunkt KulturManagement (Link Folien / Aufzeichnung), in dem ich mit Stefan Parnleiter-Mathys über dieses Thema diskutieren durfte, hat mich ein ganzes Stück weiter gebracht und erfreulicherweise zu einigen Blogbeiträgen geführt. Auf ein paar Punkte möchte ich hier reagieren.
Wenn Christian Holst seinen Kommentar zu Axel Vogelsangs Blogpost “Return on Investment für Social Media?” mit der süffisanten Bemerkung “Wenn man sich ernsthaft um den ROI sorgt, sollte man besser keine Kultur machen, sondern zum Immobilienmakler o.ä. umschulen” enden lässt, dann weiß ich nicht, ob ich das wirklich ernst nehmen soll, gratuliere ihm aber zu seinem Arbeitgeber, der wahrscheinlich mit dem oben abgebildeten Glas Münzen auskommt, um seine Spielzeit erfolgreich über die Bühne zu bekommen. Da mal ein Griff ins Glas, dann wieder ein paar Münzen reingeworfen, so einfach lässt sich ein Kulturbetrieb finanziell “steuern”. Da ist es doch nett, wenn man außerdem auf den Social Media-Kanälen des Hauses nett plaudern und anregende Gespräche führen kann. Was das kostet, was das bringt? Ach, wer wird denn so kleinlich sein, schließlich reden wir von Kunst. Und eben von Social Media.
Ist Rechnen im Social Web erlaubt?
So beschäftigt sich Claudia Heydolph in einem Blogpost mit der Frage, ob sich Social Media-Content rechnen könne? In ihrem Beitrag findet sich ein Video-Interview mit dem Sprecher des Stuttgarter Linden-Museums Martin Otto-Hörbrand, aus dem hervorgeht, dass es im Social Web nicht um finanziellen Gewinn geht, sondern eher um immaterielle Werte wie etwa Wissen und Aufmerksamkeit. Daran anknüpfend stellt Heydolph, dass gerade im Bereich von Kunst und Kultur der finanzielle Aspekt nicht überwiegen sollte. Die Kommunen müssten sich, so schreibt sie, ein Museum als “kultur- und sinnstiftende Kapitalanlage ohne Gewinnaussichten” leisten wollen. Das alles ist unbestritten.
Aber mit so etwas wie dem ROI zu arbeiten, heißt nicht, dass ich aus meinem subventionierten Haus nun eine kommerziell ausgerichtete Goldgrube mache. Auch wenn ich nicht auf Gewinn aus bin, so muss ich doch mit den begrenzten Mitteln sorgsam umgehen, um weiter kultur- und sinnstiftend wirken zu können. Das eine schließt das andere in meinen Augen nicht aus. Sorgfältig mit den begrenzten Ressourcen umzugehen heißt, ich muss abwägen, was ich mit meinem Budget mache? Lasse ich Plakate drucken, schalte ich Inserate oder bin ich im Social Web aktiv? Auf welcher Basis entscheide ich mich für einen Mix aus Plakat, Inserat und Social Media oder setze ausschließlich auf einen Kanal? Niemand tut das im beruflichen Kontext, ohne sich vorab zu überlegen, was ihm oder ihr das bringen könnte. Warum gibt es die Tweetups oder eben auch den Treffpunkt KulturManagement? Beide kosten nichts und Claudia Heydrich merkt treffend an, dass sich so etwas nicht direkt rechnen kann. Kann es auch nicht, aber mit solchen Formaten sind bestimmte Erwartungen verbunden. Sie sind ein Baustein in einem hochkomplexen Gefüge, an dessen Ende derjenige, der nicht über unbegrenzte Ressourcen verfügt, auch auf sein Geld schauen muss.
“Seitdem die digitale Revolution alles in Algorithmen messbar gemacht hat, muss alles sofort messbar sein,” schreibt Heydrich und kritisiert damit den Wahn, alles sofort in ein Zahlengefüge pressen zu wollen. Ich frage mich auch oft, warum manche Kennzahlen so wichtig sind und welche Rolle sie eigentlich spielen? Facebook & Co sind in meinen Augen Instrumente, die bei der Umsetzung einer Strategie zum Einsatz kommen können, im Bereich Marketing, PR oder sonstwo. Auf dieser übergeordneten Ebene will und muss ich sehr wohl wissen, ob ich mehr investiere als am Ende wieder reinkommt. Das heißt, es gilt die Frage zu beantworten, ob meine Strategien, mit deren Hilfe ich Einnahmen in einer bestimmten Höhe lukrieren wollte, auch wirklich aufgegangen sind. Womit wir bei einem weiteren wichtigen Punkt sind: Der ROI lässt sich nicht vorab bestimmen, sondern steht erst im Nachhinein fest. Und das, wie gesagt, nur auf einer übergeordneten, wenn man so will, aggregierten Ebene. Darunter haben wir es mit vielen einzelnen Punkten (oder auch Leistungsindikatoren) zu tun, die zwar in irgendeiner Form messbar sind. Wir müssen aber erst herausfinden, ob diese Kennzahlen überhaupt in unsere Karte hineinpassen? Ich schaue mir zwar sehr viele Kennzahlen an, allerdings helfen mir nur die wenigsten weiter. Ich halte mich hier also eher zurück, versuche aber immer wieder auf einer übergeordneten Ebene zu überprüfen, ob es sich lohnt, was ich da mache. Ich denke, diese Frage muss nicht nur ich beantworten, sondern all diejenigen, die mit den begrenzten Ressourcen Zeit und Geld auskommen müssen.
Mit Zahlen die Welt trivialisieren?
Dabei spielen Zahlen eine wichtige Rolle. Aber, so schreibt Patrick Breitenbach in seinem Beitrag “Auf der Suche nach dem heiligen ROI des Social Webs“: Zahlen verführen uns, “die Welt in der wir leben all zu leichtfertig zu trivialisieren”. Ein Ansatz, der ausschließlich auf Zahlen, und damit auch so etwas wie den ROI setzt, ist für ihn ungeeignet, um herauszufinden, ob sich Social Media lohnt. Damit hat er auch nicht ganz Unrecht, aber wie finde ich nun heraus, ob ich mir als großer oder kleiner Kulturbetrieb Social Media leisten kann? Wie überzeuge ich meinen Chef, dass Social Media wichtig ist?
Breitenbach betrachtet die Aktivitäten im Social Web als Investition in den Aufbau von Beziehungen. Deren Wert könne man nur durch Erleben erfahren, zahlenmässig lasse er sich aber nicht darstellen, schreibt er in seinem Blogpost. An diesem Punkt befinden sich, so denke ich, derzeit wohl viele Kulturbetriebe. Da werden Gespräche geführt, Beziehungen aufgebaut und es wird fleißig interagiert. Ob das was bringt, das merkt man dann schon. Irgendwann, hoffentlich…
Während der ROI dazu diene, eine Sicherheit zu konstruiere, die dazu beiträgt, “komplexe Zusammenhänge einzudampfen und Entscheidungen zu begründen”, gehe es im Social Web doch viel mehr darum, sich “als potenzieller Gesprächspartner, als Freund, als Ratgeber, als Mensch, als Kümmerer, als Händler, als Geschichtenerzähler oder als Entertainer” anzubieten und serviceorientiert zu agieren, lautet Breitenbachs Fazit.
Ich halte diesen Gegensatz für konstruiert, denn Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder die Telekom nutzen das Social Web in einer Art und Weise, die dem von Breitenbach geforderten serviceorientierten Zugang entspricht. Ob sie dabei so ganz ohne Kennzahlen auskommen und nur aus Freude am Gespräch mehr auf Social Media statt auf Call-Center setzen, wage ich dabei zu bezweifeln.
Ist es also wirklich so, dass wir mit Zahlen unsere Welt trivialisieren, wie Breitenbach schreibt? Zahlen können zwar dafür verwendet werden, gleichsam als Beruhigungsmittel, aber es sind nicht die Zahlen, die wir dafür zu kritisieren haben, sondern diejenigen, die Zahlen für ihre Zwecke einsetzen. So können Zahlen, so denke ich, auch dazu beitragen, die Welt zu entmystifizieren und/oder uns Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ob Mars-Expedition oder Social Web: Wir erhalten eine Unmenge an Daten, einerseits von einem uns noch fast völlig unbekannten Planeten, andererseits von GesprächspartnerInnen, von denen wir meist auch nicht sehr viel mehr wissen. “Die Daten der Kunden sind der wichtigste Rohstoff von Unternehmen geworden,” heißt es in dem Artikel “Im Meer der Daten”, der in der Samstagsausgabe der FAZ erschienen ist. Was aber machen wir mit diesen – häufig unstrukturierten – Daten?
Interessant werden diese Daten erst, wenn ich sie miteinander verknüpfe. Aus den Daten werden dann Informationen, wenn wir sie mit einer Bedeutung versehen und ihnen Relevanz zuschreiben. Bindet man die Informationen im nächsten Schritt in vorhandene Erfahrungsmuster ein, entsteht Wissen (siehe dazu mein Blogpost “Wissensmanagement: Weblogs in Projekten einsetzen“) und damit genau das, was Martin Otto-Hörbrand im oben erwähnten Interview als den Mehrwert von Social Media für sein Museum beschrieben hat.
Neben dieser inhaltlichen Ebene gibt es aber eben auch eine wirtschaftliche Ebene, auf der wir ebenfalls versuchen, das Datenmaterial zu veredeln und daraus Wissen werden zu lassen. In diesem Prozess kann der ROI eine wichtige Rolle spielen. Er ist kein Allheilmittel, sondern er ist Teil eines ziemlich umfangreichen Puzzles, das sich einem erst nach und nach erschließt. Auf dieser Ebene Wissen zu generieren kann kompliziert und zeitaufwendig sein. Trivial ist es aber ganz sicher nicht. Und ob das wirklich nur ein Feld für Immobilienmakler ist, sollte sich Christian Holst auch noch mal überlegen. ;-)
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