“Ruhratlas Kulturelle Bildung”: Von der Quantität zur Qualität

Ruhratlas Kulturelle Bildung

Mit dem Themencluster “Kulturelle Bildung” möchte die Stiftung Mercator den Stellenwert kultureller Bildung in Deutschland erhöhen. Zwar nehme Bildung, so heißt es dort, eine wichtige Rolle ein, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten, der Wert kultureller Bildung werde aber häufig noch unterschätzt. Zwar wissen wir, dass Kunst und Kultur Motoren gesellschaftlicher Entwicklung sein können, aber erst so allmählich tauchen Studien auf, die nicht nur deren Relevanz bezeugen, sondern auch Weg aufzeigen, welches Entwicklungspotenzial in diesem Bereich steckt.

Die Anfang des Jahres vom Zentrum für Kulturforschung erstellte und von der Stiftung Mercator herausgegebene Studie “mapping//kulturelle bildung” (PDF, 17,5 MB) liefert eine Art Bestandsaufnahme, in dem sie erfasst, “welche Akteure an kulturellen Bildungsprozessen für Kinder und Jugendliche auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene beteiligt sind”, wobei sie sich aber auf die vier Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen konzentriert. Auf dieser Basis lassen sich nun datengestützte Aussagen über erfolgreiche Strukturmodelle machen, mit deren Hilfe es gelingen soll, Kunst und Kultur stärker im Bildungssystem zu verankern.

In der Zusammenfassung ist von “viele(n) weiße(n) Flecken auf der statistischen Landkarte” die Rede, genannt werden unter anderem die Kirchen und Rundfunkanstalten. Aber auch bei den öffentlich finanzierten kulturellen Bildungsangeboten fehle es häufig an Daten, was unter anderem mit dem ressortübergreifenden Charakter der Angebote zu tun hat, so die Studie. Aber auch die Frage, was überhaupt als kulturelles Bildungsangebot durchgeht und was nicht, lässt sich oft nicht beantworten, kritisiert wird in der Studie daher der fehlende “Mut zur Eingrenzung des Themenfelds Kulturelle Bildung für statistische Zwecke”.

Einige dieser Lücken zu schließen, das ist das Ziel des von Educult erstellten “Ruhratlas Kulturelle Bildung” (PDF, 1,4 MB), der ebenfalls und fast zeitgleich von der Stiftung Mercator herausgegeben worden ist. An Hand von zwölf Beispielen brechen die AutorInnen Tanja Nagel, Anke Schad und Michael Wimmer das Thema bis auf die lokale Ebene herunter. Ausgehend von den zwei Fragen, was Qualität im Zusammenhang mit kultureller Bildung überhaupt bedeute und welcher Rahmenbedingungen es bedarf, um diese Qualität zu erzeugen, arbeiten sie anhand der Beispiele das weite Feld der kulturellen Bildung ab.

Partizipation als Qualitätsmerkmal

Nicht ganz überraschend zeigt sich auch in dieser Studie, dass kulturelle Bildung dann besonders erfolgreich ist, “wenn die Kinder und Jugendlichen möglichst aktiv in alle Prozessphasen eingebunden sind” (S.76). Kunst und Kultur, daran nehmen viele Kinder und Jugendliche ihren eigenen Aussagen nach gar nicht teil. “Kultur ist wichtig, hat aber nichts mit meinem eigenen Leben zu tun”, bringt ein Zitat Birgit Mandels die Sichtweise dieser Zielgruppe wohl recht treffend auf den Punkt. Ein Ziel kultureller Bildungsaktivitäten sei es daher, heißt es in der Studie, die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen an kulturellen Angeboten zu erhöhen. Während also für viele das “Dabeisein” schon als Erfolg gilt, legen andere die Latte ungleich höher und fordern Partizipation als Qualitätsmerkmal für die kulturelle Bildung ein.

Die AutorInnen weisen darauf hin, dass es dabei unterschiedlich hohe Intensitätsgrade gibt und es natürlich auch von den Rahmenbedingungen abhängt, ob ein Austausch auf Augenhöhe möglich beziehungsweise erwünscht ist (siehe dazu auch mein Blogpost “Partizipation: wie das Publikum in das eigene Projekt einbinden“). Meist werden Formate gewählt, bei denen Interaktion nur eingeschränkt möglich ist, es ist den Kindern und Jugendlichen also nicht möglich, hier selbst Verantwortung zu übernehmen.

Wichtig sei es vor allem, Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt der jungen Leute zu finden, fordern die AutorInnen. “Nur wenn Kunst und Kultur auch mit ihnen etwas zu tun haben, kann kulturelle Bildung erfolgreich sein”, diese Aussage ist in meinen Augen von zentraler Bedeutung. Dabei geht es aber nicht darum, sich anzubiedern, sondern authentisch zu bleiben und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Schön, dass im Zusammenhang mit dem Begriff der Partizipation auch auf die Bedeutung der digitalen Medien verwiesen wird. Vor allem YouTube und Facebook, aber auch Blogs werden als Kommunikationskanäle genannt, die hier von großer Bedeutung sind. Die an dieser Stelle angeführten Beispiele zeigen, dass der Schritt zur politischen Partizipation dann nicht mehr weit ist, denn, so die Schlussfolgerung der AutorInnen, es gehe darum, “nicht Inhalte und Fertigkeiten vermittelt zu bekommen, sondern sich diese selbst zu eigen und für das eigene Leben nutzbar zu machen”.

So positiv kulturelle Bildung gesehen wird und so erfolgreich viele Beispiele auch sein mögen. Angesichts der demografischen Entwicklungen und des finanziellen Drucks sehen die AutorInnen in der Ruhr-Region die Gefahr, dass viele Angebote nicht erhalten werden können. In der Studie wird aber nicht nur warnend der Zeigefinger gehoben, sondern es werden konkrete Empfehlungen (S. 93ff) formuliert. Sich mit diesen zu beschäftigen, lohnt sich, auch über das Ruhrgebiet hinaus, denn für die VerfasserInnen dieser Studie ist klar, dass das Ruhrgebiet mit seinen Entwicklungen exemplarisch für andere Regionen steht.

Siehe dazu:


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