© Gerd Altmann ; Pixelio
Irgendwie ist es schon witzig. Da wird ein Netzwerk hochgejubelt und zum Synonym für Social Media und dann ist die Überraschung groß, wenn der Hype nachlässt. “Die Jugend verlässt Facebook wieder” titelte Focus vor ein paar Wochen, eine Social Media-Managerin schreibt einen Brief an Facebook, in dem sie das Ende ihrer Beziehung zu Facebook begründet und im Blog Karrierebibel fragt Christian Mueller: “Facebook ade: Brauchen KMUs das Netzwerk überhaupt?”
Wer den Zyklus eines Hypes kennt, musste damit rechnen, dass es irgendwann einmal abwärts geht. Aber nachdem wir das Netzwerk auf den höchsten Punkt der Hype-Kurve geschrieben haben, schreiben wir nun halt die Abwärtsbewegung herbei. Vermutlich werden wir, wie im Fall von Diaspora (erinnert sich noch jemand daran?) demnächst den Aufgang einer neuen Plattform erleben und auch entsprechend euphorisch begleiten. Und man muss kein großer Prophet sein, um schon jetzt zu wissen, dass auch hier irgendwann mal eine Abwärtsbewegung einsetzen wird.
Wäre ich bei Facebook in verantwortlicher Position, würden mir die Zahlen, die der Focus-Artikel zusammengetragen hat, zu denken geben. Ob ich als Kultureinrichtung in Panik verfallen muss, bezweifle ich aber, denn den wenigsten von ihnen ist es bis jetzt gelungen, die Zielgruppe der unter Zwanzigjährigen zu erreichen. Ob Museum, Theater oder Oper, der Blick in die Statistik der jeweiligen Facebookseite zeigt vermutlich, dass die Gruppe der 18 bis 24-Jährigen eine kleine Minderheit darstellt. Das heißt, sie wurden bis jetzt nicht erreicht und wenn sie irgendwann nicht mehr auf Facebook sein sollten, hat sich für die meisten Kulturbetriebe nichts geändert. :-) Sind Ihnen die jungen Menschen wichtig, wäre das jetzt ein Grund, es mal auf Twitter zu versuchen, nur dort sinkt das Medianalter der NutzerInnen nämlich. Eine andere Möglichkeit wäre es, den eigenen Ansatz zu hinterfragen.
Viele Kultureinrichtungen sind mit Facebook nie so richtig warm geworden, weil diese Plattform ursprünglich dazu diente, StudentInnen miteinander zu vernetzen. Diese Ursprungsidee merkt man ihr auch heute noch an, Facebook unterstützt uns wie keine andere Plattform dabei, unsere “realen” Netzwerke abzubilden. Nirgendwo stehen die persönlichen Beziehungen so im Vordergrund wie hier. Twitter, Google+, Quora, etc. bilden nicht so sehr den social graph, sondern eher den interest graph ab, was in meinen Augen erklärt, warum vielen von uns die Kommunikation auf Facebook so leicht und in anderen Netzwerken so schwer fällt.
Aber Facebook ist und bleibt ein Tool und ich finde es befremdlich, wenn eine Social Media Managerin ihre “Beziehung” zu Facebook beendet und sich unter anderem über die zunehmende Kommerzialität dieser Plattform beklagt. Wir haben es hier mit einer Infrastruktur zu tun, die uns die Möglichkeit gibt, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Im Unterschied etwa zum Telefon wird uns diese Infrastruktur unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Während ich bei meinem Telefonanbieter aber Kunde bin, kann davon auf Facebook nicht die Rede sein, dort bin ich das Produkt. Erst wenn ich mit bezahlten Postings oder Werbeeinschaltungen arbeite, werde ich zum Kunden, davor bin ich Teil eines Dreiecksgeschäftes und darf die Plattform im Tausch gegen meine Daten benutzen.
Sich darüber aufzuregen, wenn man Facebook privat nutzt, halte ich für legitim. Auch der Abschied von der Plattform ist eine nachvollziehbare Option, schließlich gab und gibt es Alternativen, auch wenn dort die Nutzerzahlen nicht so hoch sind. Wer Facebook beruflich nutzt und der Plattform vorwirft, dass sie käuflich sei, wie Katharina Antonia Heder das in ihrem “Abschiedsbrief” tut, blendet die Tatsache aus, dass hier jemand eine Art Marktplatz zur Verfügung stellt, ohne dafür Eintritt zu verlangen. Natürlich ist es auch in Ordnung, diesen Marktplatz, so er einem nicht gefällt, wieder zu verlassen. Aber wozu dieser Abschiedsbrief? Irgendwie erinnert er mich an das Twitter-Experiment. Mit lautem Getöse wurde damals die Verbindung gelöst, heute folgt dieser Account wieder fast der gleichen Anzahl an Twitterati.
Natürlich wurden wir nie darüber informiert, dass dieses Twitter-Experiment gescheitert ist. Ähnlich wird es wohl auch hier sein. Irgendwann ist der Facebook-Account dann wieder da und die Erde dreht sich weiter.
Ob sie sich mit oder ohne einen Facebookaccount dreht, das müssen wir letzten Endes selbst entscheiden. Die Frage von Christian Mueller, ob wir bzw. in seinem Artikel die KMU Facebook überhaupt brauchen, ist berechtigt und sollte auch beantwortet werden. Ich kann das natürlich nur für mich tun und sehe aus folgenden Gründen keinen Anlass, mich von Facebook zu verabschieden:
- Facebook als ein Baustein meiner Social Media-Aktivitäten: Ich habe nie ausschließlich auf Facebook gesetzt und würde das auch niemandem empfehlen. Facebook gehört für mich zu den “Großen“, an denen man aus verschiedenen Gründen nicht vorbei kommt. Für mich dient es wie alle anderen Netzwerke und Plattformen dazu, meine Blogaktivitäten zu unterstützen.
- Facebook dient der Vernetzung, nicht der Werbung: Viele Kultureinrichtungen nutzen ihre Facebookseite vor allem, um eigene Veranstaltungen anzukündigen. Sonst nichts, leider. Für mich dient das Netzwerk dazu, mich mit anderen Menschen auszutauschen, ihnen Fragen zu stellen, Termine zu vereinbaren oder Links zu verschicken. Das funktioniert mit einer großen Zahl von Menschen und macht die Sache recht bequem.
- Facebook als Wissens- und Lernplattform: Nicht missen möchte ich die vielen Gruppen, die im Laufe der Jahre auf Facebook entstanden sind. Ob es um Social Media im Museum oder im Theater geht, ob um Urheberrecht oder Crowdfunding, die Informationen und Diskussionen in den Gruppen sind von unschätzbarem Wert und kein noch so gut gefüllter RSS-Reader kann sie ersetzen. Oder anders ausgedrückt: Ich könnte mir es fachlich gar nicht leisten, auf diese Gruppen zu verzichten.
- Auf Facebook sind “alle”: Die ARD/ZDF Online-Studie zeigt, dass mittlerweile jeder Teil unserer Gesellschaft im Netz und ein Großteil auch auf Facebook vertreten ist. In Deutschland sind es aktuell 25 Millionen, d.h. wir haben kein anderes Medium, über das wir mit mehr Menschen auf direktem Weg kommunizieren und interagieren können.
- Facebook als Teeküche: Ich habe schon vor vielen Jahren, als Facebook noch unbekannt war, für Projekte, aber auch Lehrveranstaltungen, Foren eingerichtet. Das Anmelden war nicht einfach und viele Forenanbieter sind im Laufe der Jahre gekommen und wieder verschwunden. Heute nutze ich dafür geheime Facebookgruppen und reduziere so die Zahl der Emails, die normalerweise ein Projekt oder eine Lehrveranstaltung begleiten. In einer Facebookgruppe lässt sich über all die Dinge sprechen, die wichtig, aber nicht so wichtig sind.
Fazit: Für mich ist Facebook ein Tool, das mich in meiner Kommunikation unterstützt. Ich muss es weder lieben noch hassen, sondern einfach nur so gebrauchen, dass ich davon profitiere. Das tue ich, zumindest derzeit.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen