© Hans Peter Dehn ; Pixelio
Es ist schon eine Weile her, da bekam ich Post von einem Verlag, bei dem ich eine Zeitschrift abonniert hatte. Eigentlich hätte ich diesen Brief gar nicht bekommen dürfen, denn er richtete sich an potenzielle NeukundInnen und versprach ihnen nicht nur ein Einstandsgeschenk, sondern darüber hinaus ein verbilligtes Abo für das erste Jahr. Als jemand, der die Zeitschrift nun schon mehr als zehn Jahre abonniert hatte, kam ich mir etwas blöd vor. Ich bekam lediglich einmal pro Jahr eine Rechnung zugeschickt, von Belohnungen oder zumindest einem Dankeschön keine Spur.
So wie dieser Verlag vernachlässigen viele Unternehmen, aber auch Kultureinrichtungen ihre bestehenden KundInnen, obwohl es doch eine alte Marketingweisheit ist, dass es mehr kostet, neue KundInnen zu werben als bestehende zu halten. Auch Brian Solis sieht hier Handlungsbedarf. In seinem Blogpost “The First Mile: The Broken Link of Social Media Customer Service” kritisiert er, dass die meisten Unternehmen viel mehr Geld und Ressourcen in Marketing-Kampagnen als in den Kundensupport stecken. Und das, obwohl sie das Thema Kundenzufriedenheit fast alle ganz oben auf ihrer Liste haben.
Für ihn ist es unverständlich, dass die Unternehmen den direkten Kontakt zu den Unternehmen so vernachlässigen. Statt mit den Menschen zu sprechen, arbeite man an Webformularen und telefonischen Sprachsystemen. Ein Fehler sei das, so Solis, denn über die verschiedenen Social Media-Kanäle könne heute jeder direkt mit dem Unternehmen kommunizieren. Und nicht nur das, die UserInnen tauschen sich untereinander aus, erzählen von ihren Erfahrungen und beeinflussen so andere in ihren (Kauf)-Entscheidungen. Was es bedeutet, wenn man im Internet jede Menge negativer Postings und Berichte findet, wissen wir alle.
“If customer retention is the new acquisition, a shift in the balance of marketing and support is desperately required”,
fordert Solis und bringt in seinem Beitrag mit “customer-centricity” einen neuen Begriff ins Spiel, der sich selbst auf Wikipedia noch nicht etabliert hat.
Aber es gibt ein White Paper (“Das kundenzentrierte Unternehmen“) von Verint Systems Inc., einem “führenden Anbieter von Analysesoftware-Lösungen für Sicherheit und Business Intelligence”, wie sich das Unternehmen darin beschreibt. Damit “können Unternehmen die großen verfügbaren Mengen an Sprach- und Videodaten sowie sonstigen Daten auswerten und in verwertbare Informationen (Actionable Intelligence) umwandeln, auf deren Grundlage sie bessere Entscheidungen treffen und effektiver arbeiten können”.
Das White Paper zeigt recht schön, dass es bei der Kundenzentrierung darum geht, das gesamte Unternehmen auf die Kunden hin auszurichten und sie sehr viel ernster zu nehmen als das bis jetzt geschieht. Oft denken Unternehmen, sie würden schon sehr kundenorientiert arbeiten, liegen damit aber völlig daneben.
“(D)ie meisten Unternehmen (haben) eine Vorstellung davon, wie sie von den Kunden wahrgenommen werden, aber diese Vorstellung hat mit der Realität wenig zu tun. Die Unternehmen haben eine ‘von innennach- außen-Sichtweise’ entwickelt, die ihnen die ‘von-außen-nach-innen’-Perspektive verbaut” (S.5) , wird Brynn Palmer vom US-Kabelanbieter Charter Communications zitiert.
Das ist der Grund, warum viele Unternehmen an dieser Aufgabe scheitern, meint Fred Reichheld, der in seinem Buch „The Ultimate Question: Driving Good Profits and True Growth“ behauptet, “dass Unternehmen mit ihrer eindimensionalen Ausrichtung auf kurzfristige Umsatzsteigerung ihre loyalsten und besten Kunden unfreiwillig ‘bestrafen’”.
“Dieser Effekt kommt immer dann zum Tragen, wenn Neukunden mit besseren Konditionen gelockt werden, während Stammkunden über schlechtere Konditionen “gemolken” werden sollen. Reichheld nennt diesen zusätzlichen Profit einen „schlechten Profit“ und beschreibt diese Vorgehensweise als die ultimative Strategie, um das Geschäft zu zerstören”,
heißt es in dem White Paper weiter. Womit wir wieder bei meinem Beispiel wären, mit dem ich diesen Beitrag begonnen habe. ;-)
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