Bild: Objects“; von UrbanWanderer (CC BY-SA 2.0) auf Flickr
Gut Ding braucht Weile und so habe ich erst jetzt das Gefühl, einen Blogbeitrag schreiben zu können, in dem ich erkläre, was ich unter einem digitalen Erlebnisraum verstehe. Allerdings ist das sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss, denn ich denke, wir haben es hier mit einem Entwicklungsprozess zu tun, der noch lange nicht beendet ist und deshalb spreche ich erst einmal ganz vorsichtig von einer Version 0.1.
Der digitale Erlebnisraum sorgt für eine bessere User Experience
Eine wichtige Frage vorweg: Warum brauchen wir so etwas wie digitale Erlebnisräume überhaupt, wo wir uns doch gerade an das Social Web gewöhnt haben und die meisten KünstlerInnen und Kultureinrichtungen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram oder YouTube nutzen? Durch das Aufkommen des mobilen Webs haben wir unser Nutzerverhalten geändert. Während die Computer früher stationär genutzt wurden, sind wir heute dank Smartphone und Tablet-PC mobil und können praktisch von überall auf das Internet zugreifen. Verstärkt wird diese Entwicklung durch frei zugängliche WLANs, die von Lokalen, Unternehmen, aber auch Kultureinrichtungen angeboten werden. Wer sich früher gedulden musste, um beispielsweise im Internet nach Informationen über ein Kunstobjekt zu suchen, macht das heute sofort. Aber natürlich suchen wir nicht nur nach Informationen, sondern können auch sofort kommunizieren, ob uns etwas gefällt oder nicht.
So ganz neu ist das zugegebenermaßen nicht, denn schließlich wurde das Smartphone nicht gestern erfunden, sondern existiert schon eine ganze Weile. Aber unter dem Stichwort Customer Experience werden die Anbieter mittlerweile auf ganz andere Weise in die Pflicht genommen. Es geht um positive Kundenerfahrungen, d.h. die Kunden sollen sich wohlfühlen, einerseits vor Ort, andererseits aber auch vor und nach dem Besuch dieses Ortes. Eine eigene Website, auf der die Basisinformationen zu finden sind, reicht da nicht. Verlangt werden (Zusatz)-Angebote, die den Besuch eines Ortes zu einem (emotionalen) Erlebnis machen. Der digitale Raum dient dabei als Ergänzung der Angebote vor Ort und wird meist in Form einer App angeboten.
Der digitale Erlebnisraum als Metaapp?
Hier kommt meist sofort der Einwand, dass es sich bei Apps um Silos handle und die Zeit der Apps eh schon bald vorbei sei. Ja und nein. Ich glaube auch, dass es keinen Sinn macht, dass jede einzelne Kultureinrichtung eine App entwickelt und darauf hofft, dass die UserInnen gerade ihre App immer und immer wieder aufruft. Meist ist es eher so, dass wir eine solche App herunterladen, anschauen, liegenlassen und nach einer gewissen Zeit löschen. Die Zeit solcher Apps ist vorbei, aber die App kann und wird sich weiter entwickeln. Paul Adams beschreibt in seinem Blogbeitrag “The End of Apps as we Know Them“, welche Entwicklungen er sich vorstellen kann:
“The idea of having a screen full of icons, representing independent apps, that need to be opened to experience them, is making less and less sense. The idea that these apps sit in the background, pushing content into a central experience, is making more and more sense. That central experience may be something that looks like a notification centre today, or something similar to Google Now, or something entirely new.”
Adams spricht von etwas, das ich als eine Art Metaapp bezeichnen würde. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Inhalte einer App mehr nach den Bedürfnissen der UserInnen auszurichten. Das heißt, sie enthält nicht nur die Informationen des Museums, in dem ich gerade bin, sondern zeigt mir auch an, welche Lokale ich anschließend besuchen kann. Außerdem hilft sie mir, den Weg zum Bahnhof zu finden und wenn ich möchte, kann ich aus der App heraus gleich das Ticket erwerben.
Alleine eine App zu entwickeln, macht oft keinen Sinn mehr
Eine solche App zu entwickeln bedeutet, die passenden Partner zu finden. Je besser es mir gelingt, die Wünsche der UserInnen zu befriedigen, desto erfolgreicher ist die App. Vermutlich bedarf es dazu einer kritischen Masse an (Service)-Angeboten und einer entsprechend großen Zahl von Kooperationspartnern, um eine attraktive App anbieten zu können. Zugegeben, der Koordinationsaufwand steigt dadurch, deshalb macht es vermutlich auch Sinn, wenn eine übergeordnete Instanz die führende Rolle übernimmt. Ideal sind zum Beispiel die Marketingeinrichtungen von Städten.
Aber nicht nur die App spielt eine wichtige Rolle, auch die klassischen Kommunikationskanäle sind und bleiben wichtig. Ob Newsletter, Website oder Magazin, alle diese Formate erreichen ihre Zielgruppe und sorgen dafür, über den Ort zu informieren und zu erzählen. Dieses Zusammenspiel hat Martin Oetting in seinem Blogbeitrag “Ein Überblick: Paid, Curated, Owned and Earned Media” recht anschaulich beschrieben (siehe dazu auch mein Blogpost “Wie wir die digitalen Medien nutzen können“). Earned Media, das ist wohl auch ein möglicher Ansatz, um der sinkenden Sichtbarkeit von Facebookseiten zu begegnen. Wenn meine Seite nicht mehr besucht wird, muss ich es schaffen, auf die Profilseiten der Facebook-UserInnen zu kommen, indem diese darüber berichten, was sie bei mir erlebt haben.
Warum sollten sie das tun? Das ist wohl die entscheidende Frage. Wie schaffe ich es, die Menschen so zu begeistern, dass sie über die sozialen Netzwerke Bilder, Videos und Texte teilen und so dazu beitragen, meine Sichtbarkeit und idealerweise auch meine Reputation zu steigern? Viele werden jetzt sagen: ganz einfach, man muss nur qualitativ hochwertigen Content generieren und die Leute damit begeistern. Stimmt, nur wie begeistere ich sie? Und zwar ganz konkret? So ähnlich habe ich schon vor ungefähr drei Jahren meinen Blogbeitrag “Marketing für Kulturbetriebe: vom Kunstobjekt zum sozialen Objekt” begonnen und die Frage gestellt, was uns eigentlich dazu bringt, eine Seite zu “liken” oder einen Tweet zu retweeten?
Soziale Objekte als die Zukunft des Marketings
Wenn man dem Marketingspezialisten Hugh MacLeod Glauben schenken darf, gelingt das nur mit Hilfe von sozialen Objekten. “Social Objects are the future of marketing” hat er ein Blogpost überschrieben und darin festgestellt, dass wir Menschen uns nicht nach dem Zufallsprinzip vernetzen, sondern nur dann, wenn uns etwas verbindet und das sind die sozialen Objekte:
“You’re either creating them or you’re not. And if you’re not, you will fail, end of story.”
MacLeod gibt sich da ganz kompromisslos und behauptet, erst müsse das soziale Objekt existieren und dann könne man um das soziale Objekt herum Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Oder mit seinen eigenen Worten
“If your product is not a Social Object, why are you in business?”
Ich glaube, ohne diese sozialen Objekte wird der digitale Erlebnisraum keinen Erfolg haben. Wobei das nicht nur für den digitalen Erlebnisraum gilt, sondern ganz grundsätzlich für die Kommunikation im Social Web. Warum sollte jemand über eine Veranstaltung reden? Es kann irgendein aktueller Bezug sein, wie wir ihn zum Beispiel gerade bei dem neuen Roman “Unterwerfung” von Michel Houellebecq erkennen können. Oder wir haben es mit einer prominenten Künstlerin oder einem Starregisseur zu tun. Hugh MacLeod listet in seinem Blogbeitrag noch einige Beispiele auf, um zu verdeutlichen, was ein soziales Objekt überhaupt ist. Ich denke, wer um einen Ort herum einen digitalen Erlebnisraum schaffen möchte, sollte zu Beginn die Frage beantworten, was denn das soziale Objekt sei.
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