Die Sache mit den Raubkopien

Der illegale Download von Musik, Film und anderen Produkten, die sich digital weitergeben lassen, ist schon lange ein Thema. Die Betroffenen weisen immer wieder darauf hin, dass dadurch ihr Geschäftsmodell ausgehebelt wird und die jeweilige Branche gefährdet ist. Nun ließe sich ewig darüber diskutieren, ob diese Behauptung so stimmt oder nicht.

Wohl eher nicht, wenn man sich das Beispiel des Schriftstellers Paulo Coelho anschaut, auf das ich bei Christian Holst gestoßen bin. Man kann wirklich von ihm lernen, wie Christian schreibt. Warum? Nun, Paulo Coelho und sein Verlag haben sich fürchterlich darüber aufgeregt, als im Netz eine Raubkopie seines Buches „Der Alchimist“ in russischer Sprache auftauchte.

Aber siehe da: die Verkaufszahlen stiegen innerhalb zweier Jahre von 1.000 auf über 100.000 Exemplare. Während der Verlag sich über den Erfolg wunderte – Marketing hatte man nämlich keines in Russland betrieben -, führte Coelho den Erfolg auf die im Internet frei verfügbaren Raubkopien zurück.

Nun gab er zu, diese selbst ins Netz gestellt zu haben. Der Erfolg gibt ihm Recht, ein Jahr später überschritten die Verkaufszahlen die Millionengrenze, heißt es in der Story, die im Literatur-Café nachzulesen ist. Dort kann man übrigens auch Coelhos „Geständnis“ als Video anschauen.

Sein Resumeé: Die Leute laden sich Bücher aus dem Internet herunter, weil sie Sammler und Jäger sind. Aber:

„Wenn die Menschen lesen wollen, dann kaufen sie die Bücher“,

wird Coelho im Beitrag des Literatur-Café zitiert. Ist dies das neue Geschäftsmodell, auf das alle gewartet haben?. Als Fachbuchautor solle man das nicht versuchen, da man nicht solange Zeit habe, warnt Bernd Röthlingshöfer.

Ok, überlegen wir mal, wo das funktionieren könnte? Ziel ist es, den Bekanntheitsgrad meines Produktes zu steigern. Das wollen wohl alle. Im nächsten Schritt muss es aber darum gehen, dass sich die InteressentInnen dann dazu entschließen, mein Produkt zu kaufen. Im Falle vom Musiktiteln kann das nicht funktionieren, denn wenn ich mir den oder die Titel runtergeladen habe, gibt es keinen Grund mehr, das Produkt ein zweites Mal zu erwerben und dafür zu zahlen.

Was kann der Beweggrund sein, um für das Produkt zu zahlen? Ich vermute, es geht um das Umfeld dieses Produktes. Das heißt, ich bin dann bereit zu zahlen, wenn das Produkt durch den „Kauf“ quasi veredelt wird.

Beim Kauf eines Buches käme das haptische Vergnügen dazu. Ich kann mir mit dem Buch eine Rahmen, eine Atmosphäre schaffen, die ich mit einem PDF am Bildschirm oder dem Ausdruck nicht kreieren kann.

Auf die Musik bezogen würde das heißen, dass ich auch hier einen Mehrwert schaffen muss. Ob ich für die digitale Kopie eines Musiktitels zahle oder nicht, ist egal, es ändert sich nichts. Ein Mehrwert könnte entstehen, wenn ich den Titel mit einer bestimmten Atmosphäre verkaufen kann, zum Beispiel als Konzertangebot.

Das bedeutet: das „nackte“ Produkt verschenke ich über das Internet als Köder und mache auf diese Weise potenzielle KäuferInnen auf mein veredeltes Produkt aufmerksam, für das die dann (hoffentlich) bereit sind, Geld auszugeben.

Die Schlussfolgerung müsste dann sein, dass nur „veredelte“ Produkte Coelhos Strategieansatz wählen können. Und es muss genügend Zeit vorhanden sein, denn ob und wann der Motor anspringt, das weiß leider niemand. Bleibt die Frage, für welche Kunstsparten dieser Ansatz noch interessant sein könnte?


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Kommentare

7 Antworten zu „Die Sache mit den Raubkopien“

  1. Aber eine CD ist doch definitiv auch ein veredeltes Produkt und einem Ordner mit ein mp3-Dateien vorzuziehen.

    Sehen viele vielleicht nicht so. Aber mittlerweile sind ja viele Musiker pfiffig genug, ihr Geschäftsmodell zu ändern und zu sagen: anstatt meine Fans zu kriminalisieren, verschenke ich meine Musik und verdiene mein Geld mit Merchandising und Konzerten. Erlebnisse lassen sich nicht verlustfrei vervielfältigen wie digitale Dateien. Mir stellt sich deswegen die Frage, ob das nicht sehr viel zukunftsträchtiger und konstruktiver ist, als den hoffnungslosen Kampf gegen die Peer-to-peer-Windmühlen zu kämpfen und am Ende nicht nur gegen die Raubkopierer und Co. zu verlieren, sondern auch gegen die, die sich auf die neuen Gegebenheiten eingelassen haben.

  2. Christian, ja schon, aber halt nicht für soviele Menschen, dass sich mit den CDs ein Geschäft machen lässt. Wobei es da Musiksparten gibt, wo es sich anscheinend noch lohnt, CDs zu produzieren.

    Ich denke, Du hast völlig Recht: man sollte P2P für eigene Zwecke einsetzen und nicht versuchen, die Entwicklung zu stoppen. Das wird eh nicht gelingen.

  3. Das Beispiel von Coelho ist interessant, aber es reicht noch nicht für eine allgemeine Theorie: Paulo Coelho ist ein sehr bekannter Autor. Kann ich mir von ihm einen Text kostenlos aus dem Netz laden, greife ich vielleicht gerne zu. Was aber macht ein weniger bekannter Autor oder Musiker? Wer schert sich schon um dessen Werke, selbst wenn sie zum kostenlosen Download im Netz stehen? Die Antwort sehe ich darin, dass diese Personen sich erst eine Community aufbauen müssen (etwa über ein Blog).

    Dann kann der zweite Schritt kommen: Es gibt einige Inhalte zum kostenlosen Download. Wer mehr will („Mehrwert“), der kann dann zu den kostenpflichtigen Angeboten greifen.

    Interessant in diesem Zusammenhang finde ich, dass einzelne Künstler durchaus schon in diese Richtung denken, nicht aber die Musik- oder Literaturverlage. Diese müssten es aufgrund ihrer Bekanntheit und ihrem großen Repertoire eigentlich aber leichter schaffen, eine Online-Community aufzubauen, als dies der einzelne Künstler tun kann.

  4. Das sehe ich auch so: wenn ich noch nicht bekannt bin, muss ich mir erst einen Namen schaffen. Das geschieht über den Aufbau einer Community und über kostenlose „Kostproben“. Kommen diese Kostproben an, werden andere darauf aufmerksam (Mundpropaganda) und die Community wächst weiter.

    Coelho ist zwar bei uns relativ bekannt. Wie groß sein Bekanntheitsgrad in Russland war bzw. ist, weiß ich nicht. Es wäre aber interessant, das zu wissen.

  5. Ich denke auch, dass Coelhos Strategie nur funktioniert, solange es nur sehr wenige machen. Als allgemeine Marketingidee taugt es nicht, denn ab dem 4. Autor, der sich über Raubkopien seiner Werke aufregt, regt es niemanden sonst mehr auf.

  6. Interessante Frage: was ist, wenn das alle machen? Von Raubkopien kann man dann eh nicht mehr sprechen. Aber egal, das sind dann halt einfach die Appetizer, die es umsonst gibt.

    Vom Prinzip her müsste es eigentlich auch beim 4. Autor noch funktionieren. Allerdings muss der Ansatz ein anderer sein, auf sich aufmerksam zu machen. Also was ist der Aufreger bzw. welche Art von Aufreger brauchen wir als LeserInnen eigentlich?

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