© Karin Jung; Pixelio
Während das Internet in seinen Anfängen vor allem dazu da war, uns Informationen zu liefern, geht es heute (auch) um etwas anderes: Beziehungen sind das wertvollste Gut, denn das Web 2.0 gibt uns Tools in die Hand, die uns Internetuser aus unserer passiven Rolle befreien. Wir konsumieren nicht nur einfach, was uns interessiert, sondern wir können die uns zur Verfügung gestellten Inhalte auch häppchenweise an andere weitergeben. Es ist vor allem dieser Multiplikatoreffekt, der die Sache so interessant macht.
Wir dürfen unsere passive Rolle verlassen und können Teil einer Bewegung werden, die die Welt verbessern möchte. Was für eine verlockende Aussicht. Wir müssen uns nur zusammenschließen und “kämpfen” dann gemeinsam für unsere Ziele. Partizipation heißt eines der Schlagworte, das in diesem Zusammenhang genannt wird. Vereinfacht gesagt geht es dabei um die Beteiligung oder Einbeziehung derer, die bis jetzt nur eine passive Rolle eingenommen haben. Das Web 2.0 bietet nun aber die Möglichkeit, dass jeder von uns aus der passive in eine aktive Rolle schlüpfen kann.
Natürlich klingt das höchst verlockend. Ich muss nur eine tolle Idee haben, die andere Menschen begeistert und schon werden mich alle unterstützen, so die Grundannahme. Web 2.0 eben, schließlich hat es Obama ja vorgemacht. Nur so ganz ist die Sache noch nicht in Schwung gekommen. Mal abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, ist es mit der Partizipation noch nicht weit her, auch im Web 2.0 noch nicht. Vor diesem Hintergrund stellt Hannes Jähnert im Rahmen der NPO-Blogparade auf seinem Blog die Frage, “wie mehr Menschen zur (politischen) Teilhabe über das Internet bewegt werden können“?
Mir ist zu dieser Frage die Publikation “Logging On; Culture, participation and the web” eingefallen, die John Holden vor zwei Jahren veröffentlicht hat (siehe dazu mein Blogpost “Partizipation im Kunst- und Kulturbereich: Brauchen wir dazu das Web?“). Die Entwicklung, die wir dank oder durch das Web 2.0 erleben, beschreibt Holden als
“a movement from passivity to engagement, from uni-directional flows to interactivity, and from the few to the many.”
Holden konzentriert sich, wie der Titel seiner Studie vermuten lässt, auf den Kulturbereich, aber natürlich lassen sich seine Aussagen auf andere Bereiche übertragen. Die im Rahmen der Publikation vorgestellten Projekte (Seite 68ff) zeigen, dass man nicht einfach nur hergegangen ist und die User dazu aufgefordert hat: nun macht mal. Hier ein Klick, dort mal kurz gevotet, das ist zu billig. So etwas durchschauen die Menschen sehr schnell.
Ich habe mich vor einiger Zeit in einem Blogpost mit der Frage beschäftigt, wie man das Publikum in die eigenen Projekte einbeziehen kann und dabei Jemma Bowman zitiert, die der Meinung ist, dass es beim Thema User generated Content nicht darum gehe, dass man etwas weitergebe, sondern dass die User Neues kreieren. Wenn man sich dann anschaut, auf wie dümmliche Art und Weise die User teilweise zum Mitmachen animiert werden, muss man sich nicht wundern, dass die Bereitschaft zum Engagement eher gering ist. Wie aber schafft man es, dass die Menschen Zeit und Ressourcen zur Verfügung stellen? Bowman zitiert in ihrem Beitrag Anna Rafferty, Digital Marketing Director bei Penguin books, die meint:
“that the key to their audience being willing to spend significant amounts of time and energy engaging with their products, their brands and their websites, is to give them control”.
Die Kontrolle aus der Hand zu geben ist nicht nur für Kultureinrichtungen eine große Herausforderung, sondern natürlich auch und gerade für den Bereich der Politik, um an Hannes Jähnerts Frage anzuschließen.
Und noch eine zweite Herausforderung stellt sich, wenn wir von Partizipation im Online-Bereich sprechen. Das Web 2.0 mit seinen Tools macht nicht automatisch aus passiven Usern aktive. Der vor zwei Jahren von Forresters veröffentlichte Report “Social Technographics” (siehe dazu das Blogpost von Charlene Li) weist darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Web 2.0-User trotz aller Möglichkeiten passiv bleibt.
Die Grafik (zur Vergrößerung bitte anklicken) bezieht sich zwar nur auf die Web 2.0-Aktivitäten, aber natürlich ist der Weg in Richtung Aktivitäten, die dann außerhalb des Webs stattfinden ähnlich weit. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein bereits drei Jahre alter Artikel von Ross Mayfield, der den Titel “Power Law of Participation” trägt und deutlich macht, wie klein die Gruppe derer ist, die sich durch ein qualitativ hochwertiges Engagement auszeichnen.
Wie können also Strategien aussehen, um die Menschen zum Mitmachen zu bewegen? Zum einen bedarf es qualitativ hochwertiger Angebote, die es den Usern gestatten, eigene Inhalte zu kreieren. Der damit einhergehende Kontrollverlust muss von denen, die früher die Kontrolle in Händen hielten, verkraftet werden. Dass es da mehr als des Einsatzes irgendwelcher Social Media-Tools bedarf, liegt auf der Hand. Gefragt ist ein fundamentaler Wandel in der Unternehmenskultur.
Gleichzeitig muss aber auch klar sein, dass der (Online)-Partizipation Grenzen gesetzt sind. Ein Großteil der Menschen, die auf die Web 2.0-Angebote stoßen, werden ihre passive Rolle nie verlassen, sondern sie so nutzen, wie sie das davor mit jeder normalen statischen Website auch gemacht haben. In diesem Spannungsfeld die richtige Mischung zu finden ist sicher eine Herausforderung. Gleichzeitig wird klar, dass es Partizipation im Web 2.0 nicht zum Nulltarif gibt. Eigentlich ist das wie im “richtigen” Leben. Auch dort muss man mühsam um jede einzelne Person kämpfen.
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