Die Frage, wie Kultureinrichtungen es schaffen, Menschen für ihre Arbeit zu interessieren und sie dazu zu bringen, dass sie als zahlendes Publikum dem Theater, Museum oder Orchester unter anderem das finanzielle Überleben ermöglichen, gewinnt vor dem Hintergrund leerer öffentlicher Kassen an Bedeutung. Die Zukunftsszenarien wirken immer bedrohlicher, selbst Schließungen werden mittlerweile in Betracht gezogen. Weniger öffentliche Mittel, sinkende Besucherzahlen, welche Möglichkeiten haben Kulturbetriebe eigentlich, um sich aus dieser Situation befreien zu können?
“Orchestra Audience Growth Initiative” nennt sich ein Projekt, das vom Beratungsunternehmen Oliver Wyman vor zwei Jahren gemeinsam mit amerikanischen Orchestern durchgeführt wurde und versucht hat, das Besucherverhalten im Konzertbereich zu analysieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Das Ergebnis ihrer Analyse war ziemlich ernüchternd, denn
- “90% of first-time concertgoers never return
- 60% of occasional concertgoers don’t purchase tickets the following season”,
heißt es auf der Website. Den neun renommierten Orchestern gelingt es zwar, dank ihrer Attraktivität eine Vielzahl neuer BesucherInnen zu gewinnen. Auf der anderen Seite gehen ihnen aber auch fast gleich viel BesucherInnen wieder verloren:
“While the orchestras were good at attracting newcomers to concerts, they were having trouble getting people to come back for a second concert or sign up for a multi-concert subscription. It is the same customer churn phenomenon that afflicts businesses dependent on repeat-purchases and subscriptions, such as mobile phone operators, cable TV companies, airlines, and banks, and fast food restaurants.”
Das bedeutet, der Versuch, etwas gegen den Zuschauerschwund zu tun, ist nur teilweise vom Erfolg gekrönt. Zwar lassen sich viele Menschen für einen ersten Konzertbesuch begeistern, aber es gelingt nicht, sie zu halten.
Im Rahmen des Projektes wurden 16 Faktoren herausgearbeitet, die Einfluss auf das Besucherverhalten nehmen.
Die Grafik (zum Vergrößern bitte anklicken) bietet einen guten Überblick über all die Aspekte, die bei BesucherInnen die Entscheidung, ein Konzert zu besuchen, beeinflussen. Interessant ist nun aber, dass das Stammpublikum die verschiedenen Faktoren ganz anders gewichtet als diejenigen, die selten oder erstmals ein Konzert besuchen, wie die folgende Grafik (zum Vergrößern bitte anklicken) zeigt:
Um die Rate derer, die den Orchestern als BesucherInnen rasch wieder verloren gehen, zu reduzieren, entstand als Antwort auf die Analyseergebnisse ein sogenanntes “Killerangebot”. Anreize, um nach dem Erstbesuch ein zweites Ticket zu kaufen sind:
- “Discount (especially 50% off)
- Music program (favorite composer)
- Day of the week (Saturday)”
“Secondary incentives include promotions (free drinks …), free exchanges, music information, seat upgrades, and select-your-own seats”,
heißt es in der Zusammenfassung.
Ich habe hier jetzt nur einen Punkt herausgegriffen, aber der Report bietet darüber hinaus eine Fülle weiterer Informationen und Anregungen, die sich aber wahrscheinlich nicht eins zu eins auf den deutschsprachigen Raum übertragen lassen. Interessant wäre es, ein solches Projekt auch bei uns zu starten bzw., so es ein solches Vorhaben bereits gibt oder gegeben hat, die Ergebnisse zu veröffentlichen und allen zugänglich zu machen, wie das in den USA üblich ist. Ich fürchte aber, dass entsprechende Reports bei uns nicht existieren. Unabhängig davon lohnt es sich aber auf alle Fälle, sich den “Churn Report”, dessen Analysen und Ergebnisse auf 61 Folien sehr übersichtlich dargestellt werden (“Audience Growth Initiative: Detailed findings and recommendations (PDF)“), aufmerksam anzuschauen.
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