Ein häufig genanntes Argument gegen Social Media-Aktivitäten im Kunst- und Kulturbereich (und nicht nur da) sind die fehlenden Ressourcen und das (noch) nicht vorhandene Wissen. In diese Richtung geht ein Kommentar, der unter Christian Reinboths “Sieben Thesen zum ‘Museum 2.0’” zu finden ist, deren erste drei ich gestern vorgestellt habe.
Aber mal ganz ehrlich: welche Neuerung wurde in den letzten, sagen wir, hundert Jahren in Kulturbetrieben eingeführt, weil Geld und Zeit im Überfluss vorhanden waren und man gerade nichts anderes zu tun hatte? Wer etwa Zeit und Geld für das Thema Social Media in die Hand nimmt, investiert in etwas, was ihm einen Nutzen zu bringen verspricht. Wer an diesen Nutzen nicht glaubt, wird nicht investieren. Was dann auch sinn voll ist, denn Geld und Zeit dafür zu verwenden, um am Ende die Bestätigung zu erhalten, dass das Thema eh nur ein Hype ist und dem eigenen Haus nichts bringt, ist Ressourcenvergeudung.
Aber vielleicht trägt die Entwicklung ja dazu bei, die eigenen Ressourcen zu schonen? Christian Reinboth postuliert:
(4) Durch Digitalisate-Datenbanken werden museumsübergreifende Kollektionen ermöglicht.
Reinboth sieht in virtuellen Datenbanken, die die Bestände mehrerer Museen erfassen, eine Chance für die Museumslandschaft, die sich mehr und mehr nach inhaltlichen Themenbereichen verknüpft. So lassen sich Kunstobjekte verschiedener Häuser zum Vorteil der UserInnen online zusammenführen und erlauben Einblicke in Themen, die ein einzelnes Haus unter Umständen so gar nicht zu leisten vermag. Dies ermögliche, so Reinboth, eine ganz neue Museumserfahrung,
“in deren Zentrum nicht mehr isolierte Museen mit ihrer jeweiligen Sammlung stehen, sondern themenbezogen ganz neue Sammlungen auf Zeit zusammengestellt und wieder verworfen werden können”.
Vielleicht wird in diesem Zusammenhang ja auch Second Life wieder ein Thema, wo solche Datenbanksammlungen dann auch entsprechend in einen visuell interessanten Kontext gestellt werden können.
(5) Für Museen wird die Themenpräsenz im Internet zukünftig wichtiger sein, als die Präsenz unter eigenem Namen.
Das ist ein interessanter Punkt, denn schon vor ca. zwei Jahren ging es um die Frage, ob eine eigene Website überhaupt noch notwendig sei und wenn ja, wie sie aussehen müsse. Die Diskussion kreiste um die Frage, ob die Präsenz in den social networks eine eigene Homepage überflüssig macht. Für das DDR Museum ist die Antwort klar:
Ich weiß nicht, ob Christian Reinboth mit seiner These diese Frage wieder aufleben lassen wollte. Ich denke, ein Museum kann es sich schlichweg nicht leisten, keine Website zu haben, auf der die wichtigsten Informationen zu finden sind. Aber je kleiner und unbekannter ein Museum ist, desto größer die Gefahr, dass niemand auf es aufmerksam wird. Da lohnt es sich dann schon, im Social Web präsent zu sein.
Aber es geht noch um etwas anderes. Es ist ja keine große Leistung, bei Google aufzutauchen, wenn jemand den Namen des Museums eingibt. In so einem Fall auf Platz eins des Rankings zu erscheinen, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber wer so sucht, muss zumindest den Namen des Museums kennen, sonst hat er keine Chance. Es sei denn, jemand sucht nicht nach Namen, sondern nach Themen und stößt so auf das Museum. Reinboth spricht von der “thematischen Präsenz” und hat damit völlig Recht. Es geht nicht darum, über den Namen des Hauses gefunden zu werden, sondern über möglichst viele Schlagworte, die zu dem Museum und dessen Aktivitäten passen. Diese thematische Präsenz ist vor allem für Museen wichtig, deren Bekanntheitsgrad gering ist. Mit Hilfe von Schlagworten erhöhen sie ihre Chance, entdeckt zu werden. Ein Guggenheim Museum hat das nicht wirklich nötig, denn die meisten können mit diesem Namen etwas anfangen.
(6) Museen werden die Wissenskraft digitaler Communities besser nutzen lernen.
“Die Chancen, die sich aus dem Rückgriff auf das Wissen von Communities aus Laien oder Experten für Museen ergeben, werden aktuell erst in geringem Umfang erschlossen, mit der steigenden Interaktivität der Anwendungen dürfte aber auch eine Zunahme der Community-Bedeutung einhergehen.”
Diese Behauptung unterschreibe ich sofort, vor allem was die Bedeutung von Communitys betrifft. Kultureinrichtungen und die sogenannten Laien werden sich mehr und mehr auf Augenhöhe begegnen, zum Nutzen beider Seiten.
(7) Virtuelle Museumsbesuche werden das reale Besuchserlebnis – auch langfristig – nicht ersetzen können.
Die Sorge, dass jemand ein Museum nicht mehr besucht, weil er sich schon alles online angeschaut hat, halte ich für völlig unbegründet. Wobei: so etwas kann durchaus vorkommen, allerdings kann das verschiedene Ursachen haben. Ich könnte z.B. feststellen, dass meine Erwartungen hinsichtlich einer bestimmten Ausstellung völlig falsch sind und ich, so ich sie besucht hätte, maßlos enttäuscht gewesen wäre. Unter Umständen wäre ich deshalb nie wieder in dieses Haus gekommen, nur weil ich einmal ein negatives Erlebnis hatte. Habe ich mich davor online informiert, bleibt mir dieses Erlebnis erspart und die Chance auf einen Besuch erhalten.
Insofern würde ich nicht von “ersetzen” sprechen, sondern von “ergänzen”. Ich kann mit Hilfe verschiedener Online-Angebote Lust auf den Museumsbesuch machen und so das Internet dazu nützen, dass mehr BesucherInnen kommen. Für mich persönlich ist ja immer noch Second Life ein interessanter Weg, etwas über Museen zu erfahren. Nur leider sind viele SL-Präsenzen verwaist. Eigentlich schade, denn hier ließen sich spannende Dinge entwickeln, um Lust auf einen Ausstellungsbesuch zu machen. Aber nur Bilder anzuschauen, ist zu wenig. Ich habe mich, um obigen Screenshot zu erstellen, wieder mal etwas umgeschaut bei den SL-Präsenzen von Museen. Leider bin ich innerhalb von ca. 30 Minuten niemandem begegnet, was natürlich nicht sehr motivierend ist und unter Umständen Auswirkungen hat, wenn es um die Frage eines Museumsbesuches geht.
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