Natürlich achte ich darauf, wie viele Kontakte ich auf Twitter oder Facebook habe. Selbstverständlich sind mir auch die Zugriffszahlen meines Blogs wichtig. Und dann erzähle ich immer wieder, dass diese Zahlen gar nicht so wichtig seien und der Return on Investment eigentlich nichts bringe. Welche Zahlen sollten uns dann interessieren?
Jay Deragon warnt in seinem Blogpost “Misled By The Wrong ‘Social’ Numbers” davor, auf die falschen Zahlen zu setzen:
“The goal is a conversation which begets a relationship that can produce results. However, focusing on the results does not produce relationships,”
schreibt er darin und zeigt, was passieren kann, wenn man sich von der Zahl der Fans oder Follower beeinflussen lässt. Gut, aber warum sind diese Zahlen eigentlich so falsch? Viele Kontakte zu haben, die man mit Informationen versorgen konnte, war früher ein wichtiger Bestandteil einer jeden Marketingstrategie. Und heute soll das nicht mehr gelten?
Wissen und Beziehungen zählen heute als wichtigstes Guthaben
Warum ist das so? Was hat sich da verändert? Im Blog von Esko Kilpi habe ich heute einen Beitrag entdeckt, der für mich erklärt, was da um uns herum passiert. In “Social media and the change from information to formation” weist er darauf hin, dass die Entwicklung hin zur “creative economy” die Assets dieser “Industrie” verändert. Das industrielle Zeitalter setzte vor allem auf greifbare, auf sichtbare Werte. Heute werden hingegen Wissen und Beziehungen als das größte Guthaben gesehen. Aber Wissen könne nicht eingelagert, gemessen oder geteilt werden, schreibt Kilpi weiter, denn
“From a more modern point of view, knowledge creation is understood as an active process of communication between people. Knowledge cannot be stored but is all the time constructed and re-constructed in interaction. Knowledge cannot be shared but arises in action. Knowledge is the process of relating.”
Dieser Absatz hat mich an ein Gespräch erinnert, das ich vor wenigen Tagen geführt habe. In ihm bin ich eigentlich daran gescheitert zu erklären, was kuratieren heißt. Mein Gegenüber verstand darunter das Kopieren von bereits bestehenden Inhalten. Ich hingegen stehe auf dem Standpunkt, dass es dabei darum geht, durch das Herstellen von Bezügen einen Mehrwert zu schaffen.
Lernen als gemeinsamer Prozess
Wenn Kilpi schreibt, dass Wissen nicht geteilt werden könne, sondern nur in einem Beziehungsprozess, also einer Art Schwebezustand entstehe, dann greift er damit nicht nur unser statisches Verständnis von Kommunikation (Sender – Empfänger) an, sondern auch den dahinter stehenden Ansatz des Lernens. Der Vortragende teilt sein Wissen mit denen, die zuhören. Aber auf diese Weise lassen sich nur “Bytes” übertragen, wie Kilpi meint, nicht aber deren Bedeutung, denn wir alle werden die Inhalte unterschiedlich auslegen und so zu völlig verschiedenen Ergebnissen kommen.
Lernen ist für ihn daher nicht das Teilen von Wissen, sondern ein Prozess, an dem mehrere Menschen gleichzeitig teilhaben. Während im tradionellen Modell B einfach das Wissen von A übernimmt, wird in diesem Fall das Wissen von A durch das, was B einbringt, angereichert, was bedeutet, dass beide lernen.
Dieses Wissen wird in der Kommunikation sichtbar, “co-constructed in communication” schreibt Kilpi und macht damit klar, dass die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, entscheidend für die Entwicklung von Wissen ist.
“Supportive, energizing and enabling patterns of interaction are the most important ‘assets’ of a modern organization,”
gibt er sich überzeugt und schließt seinen Artikel mit dem schönen Satz:
“Communication is not about sharing information but a process of formation.”
Das heißt, Kommunikation ist – vor allem im Social Web – keine einseitige Angelegenheit, weil es sonst nicht gelingt, Wissen zu generieren. “Na und?” werden Sie sagen, was interessiert mich das als Kultureinrichtung?
wer nur über sich schreibt, langweilt die anderen
In zwei Beiträgen der letzten Zeit habe ich über die Notwendigkeit relevanter Inhalte geschrieben und darin behauptet, wer nur über sich schreibe, der langweile die anderen. Esko Kilpi liefert die Begründung dafür, denn wer nur über sich schreibt, wer im besten Fall Wissen teilt, folgt dem alten Modell, einem Modell, das auf anderen Kommunikationskanälen vielleicht noch seine Berechtigung haben mag. Nur im Social Web ist seine Zeit abgelaufen. Hier geht es darum, gemeinsam Wissen zu entwickeln, was für Kultureinrichtungen eine riesengroße Chance darstellt, sich die scheinbar verlorene Relevanz zurückzuholen.
Vor knapp vier Jahren erschien die von der American Association of Museums veröffentlichten Studie “Museums & Society 2034: trends and potential futures“, in der den Museen eine führende Rolle in Wissenscommunitys prophezeit wird (siehe dazu mein Blogpost “Die Zukunft der Museen“). Kultureinrichtungen müssen sich von alten Kommunikations- und Lernmodellen verabschieden. Sie müssen verstehen, dass es nicht darum geht, andere zu belehren, sondern gemeinsam neue Inhalte zu entwickeln. Wenn es aber das Ziel ist, gemeinsam Wissen zu entwickeln, dann lautet die Frage am Ende nicht, wie viele Fans oder Follower ich habe, sondern: was habe ich heute gelernt.
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay
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