“Extraschicht 2011 – Duisburg“; By Jens Pletsch (CC-Lizenz)
Während das Autorenteam des Kulturinfarkt nur im Konjunktiv darüber sprach, was denn wäre, wenn man der Hälfte der Kultureinrichtungen die finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand verweigern würde, sieht die Realität ganz anders aus. Der Stadt Duisburg fehlt das Geld, um die Opernehe mit Düsseldorf aufrecht zu erhalten. Zwar sind die 11 Mio. Euro, mit der Duisburg die Rheinoper unterstützt, als Schnäppchen zu bezeichnen, aber nachdem die Stadt in den nächsten zehn Jahren 80 Mio. Euro einsparen muss, wollen die Verantwortlichen auch Kunst und Kultur bei ihren Sparbemühungen nicht ausnehmen.
Grundsätzlich ist das nachvollziehbar, denn warum sollte ein Bereich gegenüber den anderen bevorzugt werden? Nur so ganz einfach ist es nicht, denn den meisten Kultureinrichtungen fehlt die finanzielle Manövriermasse. Die Personalkosten steigen regelmäßig, das Gesamtbudget muss aber gleich bleiben, da weder private Geldgeber noch die öffentliche Hand höhere Beträge bereitstellen wollen bzw. können. Das bedeutet, die Summen, mit denen “gearbeitet” werden kann, schrumpfen und sind irgendwann ganz verschwunden. Ab diesem Zeitpunkt kann ein Kulturbetrieb zwar noch seine MitarbeiterInnen bezahlen, aber es ist kein Geld für Inszenierungen, Ausstellungen, etc. da. Das wäre dann der Moment, wo man eigentlich zusperren muss und immer häufiger geht es um genau diesen Punkt.
Um diesem Dilemma zu entkommen, müsste man die Bedeutung von Kunst und Kultur hervorheben und herausarbeiten, warum diese bedien Bereiche von den Sparbemühungen auszunehmen sind. Wer als Fan von Kunst und Kultur gesehen hat, wie schnell öffentliches Geld in den Finanzsektor gepumpt werden kann, wird sich fragen, warum das nicht auch im Kunst- und Kulturbereich möglich ist, zumal es hier doch meist nur um ein paar Millionen geht?
Interessant ist die Begründung: Banken haben Geld bekommen, weil sie systemrelevant sind. Gleiches wird vom Kunst- und Kulturbereich behauptet, nur ist die Systemrelevanz wohl auf einer anderen Ebene angesiedelt. Wenn Kunst und Kultur gesellschaftsrelevant sind, dann muss das in der Gesellschaft auch akzeptiert werden. Das bedeutet nicht, dass diese Relevanz einmal beschlossen als unangreifbar gilt. Im Grunde genommen muss sie immer wieder neu ausverhandelt werden. Das heißt, es macht wenig Sinn, die für die Rheinoper benötigten Summen mit den Beträgen zu vergleichen, die in den Finanzsektor geflossen sind. Eigentlich geht es darum, die Relevanz von Kunst und Kultur herauszuarbeiten und einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen.
Davon sind wir aber leider weit entfernt, glaube ich. Wenn ich mir in der ZEIT die Kommentare auf den Artikel “Verwahrloste Finanzen” anschaue, dann wird da schnell deutlich, dass die Subventionierung von Kunst und Kultur von vielen vehement abgelehnt wird. Das ist das Recht von uns allen, erschreckend sind allerdings die Begründungen. Wenn es dort heißt, Oper sei “Bonzenkultur, da geht nur rein, wer einen Benz in der Garage hat”, dann stellt sich mir die Frage, ob diejenigen, die an die Systemrelevanz von Kunst und Kultur glauben, in der Vergangenheit nicht den Fehler begangen haben, die richtige Argumentation dafür zu finden.
Wenn in der Facebookgruppe “Für den Erhalt der Deutschen Oper am Rhein in Duisburg” Kritikern entgegnet wird:
“Nimm dir einfach mal ein Buch über Musikgeschichte und lies es, dann wirst du darauf kommen, dass es nicht von ungefähr kommt, dass es in Deutschland so eine vielfältige Orchesterlandschaft gibt und dass wir weltweit dafür bewundert werden und als Nation große Anerkennung bekommen”,
dann spricht daraus eine Haltung, die ich als arrogant und überheblich bezeichnen würde. Auf der Ebene könnte ich dem Verfasser obiger Zeilen raten, doch mal ein Buch über die Geschichte der Menschheit in die Hand zu nehmen, um zu erkennen, dass alles vergänglich sei, auch ein Opernhaus.
Ich finde es gut, dass es eine Online-Petition zur Rettung der Deutschen Oper gibt. Aber das ist nicht genug. Wenn es uns nicht gelingt, die KritikerInnen von Kunst und Kultur ernst zu nehmen, uns wirklich mit ihnen auseinander zu setzen und Argumente zu finden, die für den Erhalt von Theatern, Museen und Opernhäusern sprechen, dann wird es sie vermutlich bald nicht mehr geben. Und es ist unsere Schuld, denn jemand als Deppen zu bezeichnen, weil er meine Ansicht nicht teilt, war noch nie eine Strategie, die zum Erfolg geführt hat.
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