Bild: Skyline of Vienna” von reivax (CC BY-SA 2.0) auf Flickr
Vor etwas mehr als sechs Jahren habe ich in einem Blogbeitrag gefragt, wo Kultureinrichtungen ihre Veranstaltungen ankündigen. Die meisten Kultureinrichtungen setzten damals auf Facebook, die eigene Website und diverse Veranstaltungskalender (siehe auch dazu den Beitrag: “Fazit: Kulturveranstaltungen anzukündigen ist gar nicht so einfach“). Natürlich spielten damals auch noch die klassischen Werbekanäle wie Plakat, Flyer Einladungen oder Newsletter eine wichtige Rolle.
An diese kleine Umfrage erinnerte ich mich, als ich in den letzten Tagen zwei Artikel las, die nur indirekt etwas miteinander zu tun haben. Da wurden auf der Seite der Digital Marketing-Agentur Smart Insights die LeserInnen danach gefragt, welche Aspekte im gerade begonnenen Jahr unsere Digital Marketing-Aktivitäten beeinflussen werden? Heraus kamen “The 14 top rated digital marketing techniques for 2017 according to Smart Insights readers” und die Einsicht, dass Daten eine ganz wichtige Rolle spielen werden. Dass in diesem Ranking das Content Marketing ganz oben steht, überrascht nicht wirklich. Interessant sind aber mit Platz zwei und drei die Themen Big Data und Marketing Automation. Wir als UserInnen hinterlassen jede Menge Spuren, wenn wir uns im digitalen Raum bewegen. Die daraus resultierenden Daten werden immer häufiger genutzt, vor allem Marketing und Verkauf bekommen glänzende Augen, wenn sie mit diesen Daten und ihren Verknüpfungen arbeiten können. So interessant Apps für Ihre NutzerInnen sein mögen, für die Anbieter sind es vor allem die großen Datenmengen, an die sie auf diese Weise kommen. Wer mal genau hinschaut, welche Berechtigungen selbst die kleinste und unwichtigste App haben möchte, weiß, wovon ich spreche.
Auf diese Weise erhalten beispielsweise auch viele Kultureinrichtungen wertvolle Daten. Theoretisch, denn meist werden sie gar nicht genutzt. Aber nur so lassen sich beispielsweise die BesucherInnen der eigenen Website segmentieren. Schließlich sucht die UserIn, die tausende von Kilometern entfernt lebt, wahrscheinlich andere Informationen als die UserIn, die morgen die aktuelle Ausstellung oder Theaterproduktion zu besuchen beabsichtigt. Aus Marketingsicht geht es also darum, möglichst viele Daten zu sammeln, auf denen dann Marketing und Verkauf aufbauen.
Der zweite Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wie wir Städte wahrnehmen, “(w)enn Algorithmen uns führen.” Adrian Lobe konstatiert, dass das ziellose Flanieren allmählich aussterbe und wir stattdessen vor allem Google vertrauen. Das Prinzip ist ganz einfach:
“Reisende empfehlen Locations, die ihnen selbst von Algorithmen empfohlen wurden. Es ist eine ständige Rückkoppelungsschleife. So kanalisieren Applikationen immer mehr Besucherströme in urbanen Räumen.”
Wir kennen das bereits von den sozialen Netzwerken, in denen die Postings Andersdenkender und -meinender ausgeblendet und wir in Filterkammern eingeschlossen werden. Während wir uns beim Erkunden einer uns unbekannten Stadt früher auf glückliche Zufälle verlassen haben, vertrauen wir heute den Suchmaschinen beziehungsweise deren Algorithmen, basierend auf unseren (User)-Daten. Auf diese Weise sei, so Lobe, die Stadt als offenes, dynamisches und durchlässiges soziales System bedroht. Wir begeben uns nicht mehr auf Entdeckungsreise, sondern finden das, was wir suchen, mit Hilfe von Suchmaschinen oder Google Maps. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Google kein Tourismusverband ist, sondern ein Unternehmen, das mit Werbung sein Geld verdient. Für eine Suchmaschine spielt es keine Rolle, ob ganze Stadtteile unberücksichtigt bleiben, während das aus touristischer Perspektive ganz anders aussieht.
Nun sind die Echokammern nicht erst mit den sozialen Netzwerken entstanden. Auch der Kunst- und Kulturbereich besteht aus Echokammern und so wie wir dank Google in den Städten nur noch vorgeschlagen bekommen, was unsereins gefällt, nehmen nur diejenigen Theater, Konzert oder Ausstellungen wahr, die dem entsprechenden Segment zugerechnet werden können. Während es früher beispielsweise die Bildungsbürger waren, die kulturelle Angebote nutzten, wissen wir heute viel mehr über diese Zielgruppe und können sie noch weiter segmentieren. Am Prinzip ändert sich nichts.
Ich möchte an dieser Stelle Algorithmen weder als Allheilmittel anpreisen noch sie verteufeln. Natürlich erinnere ich mich an viele glückliche Zufälle, dank derer ich ein gutes Lokal, eine tolle Ausstellung oder eine mich fesselnde Theaterproduktion entdecken durfte. Auf der anderen Seite kann es hilfreich sein, mit Hilfe von Google Angebote zu finden, die man in Anspruch nimmt, weil sie von Menschen empfohlen wurden, die ähnlich ticken, wie man selbst. Noch mehr bin ich aus Marketingsicht an Daten interessiert, um so an die heranzukommen, die sich am ehesten für meine Angebote interessieren beziehungsweise um neue Zielgruppen anzusprechen.
Was mich interessiert ist die Frage, wie wir beispielsweise zukünftig unseren Theaterbesuch planen und wie das Theater mit Algorithmen und Echokammern umgeht? Theater befinden sich selbst meist in einer Blase, das heißt, ihre Angebote werden nur von ganz bestimmten Segmenten der Gesellschaft wahrgenommen. Was können Theater tun, um diese Segmentierung zu überwinden und inwieweit können/dürfen sie dabei auf Algorithmen setzen? Gelingt es ihnen, auf eine Metaebene zu springen, würden sie etwas schaffen, was uns in der Gesellschaft im Moment nicht gelingen zu scheint: über Echokammern hinweg miteinander ins Gespräch zu kommen.
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen