Die Finanzkrise: das Ende der öffentlichen Kulturförderung?

Untergang
© Conny T.; Pixelio

Bis jetzt hieß es ja immer, die Finanzkrise würde bei uns keine Auswirkungen auf den Kunst- und Kulturbereich haben, weil es vor allem der Staat sei, der diesen Bereich finanziere und für den Erhalt und Fortbestand der Kulturbetriebe sorge. Klang das anfangs noch sehr zuversichtlich, ist der Grundtenor der Meldungen heute schon ein etwas anderer. In der Albertina werde es wegen der Finanzkrise weniger Ausstellungen geben, in den nächsten vier Jahren müsse das Museum 12 Mio. Euro einsparen, so z.B. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Und das Da Ponte Institut hat gleich ganz zusperren und Konkurs anmelden müssen. Das sind jetzt nur zwei Beispiele aus Wien, woanders wird es nicht besser aussehen, vermute ich. Wird es also das von Clay Shirky prophezeite Blutbad geben? Vielleicht liege ich gar nicht so falsch mit meiner Behauptung, dass das öffentliche Fördersystem obsolet werden könnte?

Zwei Beobachtungen: als ich diese Woche die erste SocialBar hier in Wien besucht habe, ging es unter anderem um das Thema Social Entrepreneur. Bei den NPO ruft das Thema Widerstände hervor, denn die Organisationen fürchten, dass sich mit dem Aufkommen der Social Entrepreneurs der Staat aus seiner Verantwortung zurückziehen könnte. Ich kann das Argument verstehen, allerdings hat der Staat die NPO schon ohne Social Entrepreneurs in den letzten Jahren mit immer weniger Geldmitteln ausgestattet. Kann man darauf also bauen?

Angesichts der enormen Geldsummen, die in verschiedene Wirtschaftsbranchen gepumpt werden, werden immer wieder mal Vergleiche angestellt, was man mit einem Bruchteil dieser Summen im NPO-Bereich (da schließe ich den Kunst- und Kulturbereich mit ein) alles bewirken könnte. Auch Educult-Geschäftsführer Michael Wimmer macht in einem Blogbeitrag einen Vorschlag, der in eben diese Richtung zielt, womit ich bei meinem zweiten Punkt bin. Er möchte 1% der Summe, die Österreich für seine beiden aktuellen Konjunkturpakete ausgibt, zusätzlich für den Kunst- und Kulturbereich haben. Bei 5,7 Mia. Euro wären das immerhin 57 Mio. Euro.

Diese Forderungen sind in meinen Augen unrealistisch, denn die bis jetzt vereinbarten Konjunkturpakete werden nicht die letzten sein. Zuviel ist in den letzten Jahrzehnten auf Sand gebaut worden und die Löcher, die es zu stopfen gilt, sind noch nicht einmal alle bekannt. Überspitzt formuliert wird sich das Rad noch so lange nach unten drehen, bis jedem Kredit ein realer Gegenwert gegenübersteht.

Die Frage ist nun, ob sich dieses System jemals wieder erholen kann? Fredmund Malik verneint dies. In einem Interview für die FAZ spricht er von der “größte(n) Systemtransformation der Geschichte”, einer Krise, die “mit herkömmlichen Methoden nicht zu lösen” ist. Auf die Frage, wie er die bisherigen und die geplanten Maßnahmen bewerte, antwortet er:

“Man gibt dem Alkoholiker Schnaps, damit sein Zittern aufhört.”

Ein Großteil der Unternehmen dürfte eigentlich unter Innovationsgesichtspunkten nicht gerettet werden. Autokonzerne wie Chrysler oder GM, aber auch etliche Unternehmen aus anderen Branchen sollte man eigentlich in den Konkurs schicken, damit etwas Neues entstehen kann. Ich wähle hier bewusst den Konjunktiv, denn die Innovationszyklen sind nicht das einzige Maß, das zählt. Die staatlichen Gelder werden in solche Unternehmen gesteckt, um den sozialen Frieden zu erhalten. Um den Wandel von der “Geld- zu einer Wissensgesellschaft”, wie Malik es nennt, halbwegs kontrolliert über die Bühne gehen zu lassen.

Um unser soziales System aufrecht zu erhalten, wird der Staat noch etliche Konjunkturpakete schnüren müssen, die nur dazu dienen, die Folgen zu lindern, aber noch nicht als Investition in die Zukunft zu verstehen sind. In dieser Phase, in der versucht wird, unser System am Leben zu erhalten, wird für Kunst und Kultur nicht mehr Geld zur Verfügung stehen, sondern eher weniger. Wenn es ungünstig läuft, sogar sehr viel weniger.

Das wird die Phase sein, in der etliche NPO verschwinden werden, so wie jetzt schon das Da Ponte Institut. Vielleicht ist das die Phase, wo Social oder Cultural Entrepreneurship ein Ansatz ist, damit diese Bereiche überleben können?  Wo steht geschrieben, dass das alte System der staatlichen Förderung auch zukünftig noch existieren wird? Wir wissen es nicht und ich möchte auch nicht behaupten, dass diese Entwicklung so stattfinden wird, wie ich es hier andeute. Fahrlässig wäre es in meinen Augen nur, den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu hoffen, dass schon alles gut werde.

Wenn Malik mit seinen Vorhersagen Recht hat, dann schaut die Zukunft gerade für den Kunst- und Kulturbereich nicht schlecht aus. Wie sagt Malik?

“Die neuen Realitäten sind hyperkomplexe, ultradynamische, vernetzte Systemkonfigurationen. Herkömmliche Denkweisen und Methoden sind gänzlich untauglich um solche Systeme zu verstehen und zu managen.”

Ich behaupte, KünstlerInnen bewegen sich schon lange in äußerst komplexen Strukturen und sind prädestiniert, eine Vorreiterrolle im Umgang mit Komplexitäten zu übernehmen. Nicht mehr das Geld steht im Vordergrund, sondern das Wissen. Das klingt schon fast nach der guten alten Zeit, in der die KünstlerInnen hochgeachtet waren. Hochachtung mag sein, aber in den Netzwerken der Zukunft werden wir trotzdem vermehrt auf uns selbstgestellt sein. Um dort bestehen zu können, ist so etwas wie Social oder Cultural Entrepreneurship genau der richtige Ansatz. Das heißt, Vorhersagen lassen sich nicht machen, was in komplexen Situationen aber eigentlich auch kein Wunder ist.


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Kommentare

4 Antworten zu „Die Finanzkrise: das Ende der öffentlichen Kulturförderung?“

  1. Hallo, wirklich interessanter Beitrag! Ich glaube wie so alles hat die Finanzkrise ihre guten und ihre schlechten Seiten. Schlecht ist auf jeden Fall, dass Mittel gekürzt oder gestrichen werden, selbst wenn es dafür eigentlich überhaupt keinen Anlass gibt. (quasi unter dem Deckmantel der Finanzkrise) Positives glaube ich in der Denke der Menschen zu finden. Wir überlegen wieder ernstlich, was wir anders machen könnten, wir sehen was nicht geklappt hat und schließen daraus, was noch klappen könnte und nicht zuletzt wurden wir vorerst vom Neoliberalismus befreit. ;-)
    Gruß foulder

  2. Sehr guter Beitrag, Christian! Ich möchte noch auf die Web-Site Lab For Culture (UK) hinweisen. Dort gibt es eine gute Analyse der Situation. Eine lesenswerte Ergänzung zu deinem Beitrag!

    http://www.labforculture.org/en/content/view/full/39830

  3. Grundsätzlich möchte ich dir recht geben, was deinen Optimismus bzgl. Künstler etc. angeht. Allerdings arbeiten, leben und denken gerade viele Künstler (zumindest der klassischen Künste) in extrem konservativen, festgefahrenen, ideologisierten Strukturen. Dass sie die von Malik propagierte systemisch-kybernetische Denkweise oftmals nicht beherrschen, zeigt allein schon die Tatsache, dass die allermeisten bereits mit dem Internet und Social Media wenig anzufangen wissen.
    Der Erfolg innovationsstarker Unternehmen hingegen in aller Regel gerade in ihrer kulturellen Kompetenz im weitesten Sinne, d.h. in ihren hervorragend ausgebildeten Antennen, Trends, Stimmungen und Entwicklungen aufzunehmen und entsprechend zu verstärken und in ihrem Sinne zu nutzen. Ich fürchte, momentan ist es noch so, dass Künstler eher von Unternehmern lernen können als umgekehrt. Aber sicher ist im Kunstbereich auch ein großes Potenzial vorhanden.

  4. @foulder: die Befürchtung habe ich auch, dass jetzt die Finanzkrise an allem Schuld ist.

    @David: danke für den Hinweis auf den Artikel! Er enthält einige interessante Anregungen. Einen Punkt möchte ich gerne hervorheben:

    “Developing a membership base that can be mobilised politically for advocacy purposes as well as economically for resource generation.”

    Die Fähigkeit, Menschen für sich zu gewinnen und an sich zu binden ist in meinen Augen im deutschsprachigen Raum bei den meisten Kulturbetrieben unterentwickelt.

    @Kulturblogger: Da kann ich Dir jetzt nicht widersprechen. Aber sehen wir das doch als Chance. ;-)

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