Vor kurzem, genauer gesagt am 20. März, fand im Opernhaus von Sydney das “Grand Finale 2011” des YouTube Symphony Orchestra statt. Nicht ganz überraschend gibt es davon auf YouTube ein Video.
Dieses Video dauert mehr als zwei Stunden und hat seit seit dem 20. März fast 1,3 Mio. Zugriffe zu verzeichnen, was eine gewaltige Zahl ist angesichts der Tatsache, dass wir seit Jahren den Niedergang der klassischen Musik bedauern und uns bis heute eigentlich kein wirksames Gegenmittel eingefallen ist.
Natürlich wissen wir nicht, wieviele der UserInnen wirklich bis zum Ende durchgehalten haben, aber die hohen Zugriffszahlen lassen schon vermuten, dass hier irgendwo ein Interesse an dieser Form von Musik vorhanden sein muss.
“Die klassische Musik hat viel mehr Fans da draußen, als wir es alle ahnen. Dieses Projekt ist eine Chance, die musikalische Gemeinschaft zu vergrößern, in der klassische Musik wieder Teil des täglichen Lebens wird. Es hilft dabei, die Menschen durch das unendlich aufregende Labyrinth zu führen, zu dem klassische Musik werden kann. Und deshalb finde ich das Projekt so spannend”,
wird Michael Tilson Thomas, im “Hauptberuf” Dirigent des San Francisco Symphony Orchestra in einem Artikel auf Deutschlandradio Kultur zitiert. Den Erfolg des YouTube Symphony Orchestra und das Engagement der beteiligten MusikerInnen hat David Cutler zu einem sehr interessanten Blogbeitrag inspiriert. “What Professional Orchestras Should Learn from YouTube” ist er überschrieben und enthält einige bedenkenswerte und natürlich auch provokante Vorschläge, wie die professionellen Orchester seiner Ansicht nach auf das schwindende Interesse an klassischer Musik reagieren sollten.
Zwar möchte er das YouTube Symphony Orchestra nicht direkt mit den Profi-Orchestern vergleichen, aber, so denkt er, manche Ansätze seien seiner Meinung nach schon bedenkenswert. Zum Beispiel die Auswahl der MusikerInnen. Für das YouTube Symphony Orchestra mussten die MusikerInnen vorspielen, allerdings taten sie das bei sich und nahmen auf, was sie da präsentierten. Professionelle OrchestermusikerInnen übernahmen die Vorauswahl, dann waren die InternetuserInnen am Zug, die darüber abstimmen durften, wer Orchestermitglied werden sollte und wer nicht. Das heißt, nicht alleine die Beherrschung des Instruments war das Kriterium, sondern darüber hinaus mussten die KandidatInnen auch ihre Fans mobilisieren, um den Sprung ins Orchester zu schaffen.
Dieses Prozedere kann man kritisieren, denn
“Will people with better marketing and social media chops be more apt to advance, even if their playing isn’t quite as strong?”
fragt Cutler und spricht damit vermutlich vielen Menschen aus der Seele. In seinen Augen zählt dieses Argument allerdings nicht wirklich, denn
“(.) isn’t that exactly what orchestras need? More members actively advocating, cultivating a following, and motivating their own networks.”
Das bedeutet für ihn:
“The reason more people don’t patronize the local orchestra isn’t because they aren’t good enough. It is because they’re not relevant enough.”
Die enge und persönliche Beziehung der MusikerInnen zu ihren “Fans” betrachtet er als einen der wesentlichen Faktoren für den Erfolg des YouTube Symphony Orchestras. Der partizipative Ansatz dieses Projektes habe auch nicht dazu geführt, dass die Qualität des Programms darunter gelitten habe, schreibt Cutler weiter und verweist auf das anspruchsvolle Programm in Sydney.
David Cutler empfiehlt, den Erfolg des YouTube Symphony Orchestras genauestens zu analysieren, denn ob Technikeinsatz, Marketing oder eben die Auswahl der MusikerInnen, es lassen sich einige Anregungen finden. Seine Sichtweise
“We must face the obvious truth: It takes more than great art to thrive in today’s world.”
ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Erfolg des YouTube Symphony Orchestras spricht dafür.
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