© Thorben Wengert ; Pixelio
Vor etwas mehr als einem Monat schrieb ich in einem Blogpost, der Return on Investment (ROI) helfe, den Erfolg der Social Media Aktivitäten zu bewerten. Stimmt nicht, entgegnete mir Stefan Parnreiter-Mathys auf Facebook und nachdem wir im ersten Anlauf auf keinen gemeinsamen Nenner kamen, lud ich ihn ein, einen Gastbeitrag zu diesem Thema zu schreiben. Stefan Parnreiter-Mathys lebt und arbeitet in Wien, war gut zehn Jahre als Kulturarbeiter tätig, studiert derzeit Unternehmensführung und beschäftigt sich in seiner Diplomarbeit mit dem Thema “strategisches Management in Kulturunternehmen”.
Unser gemeinsames Ziel ist es, etwas zu finden, mit dem sich der Erfolg von Social Media Aktivitäten messen lässt. Was nach diesem Artikel kommt, wissen wir beide noch nicht. Vielleicht gibt es noch ganz andere Ansichten dazu oder wir schreiben gemeinsam einen dritten Beitrag dazu. Jetzt möchte ich mich aber erst einmal bei Stefan für die Mühe bedanken, die er sich mit diesem Artikel gemacht hat.
Kann man über den ROI (Return On Investment) den Erfolg von Social Media Aktivitäten bewerten?
Ja, meint Christian Henner-Fehr, nein meint Stefan Parnreiter-Mathys.
Nicht zuletzt in Zeiten knapper Budgets müssen alle Kosten und Aufwendungen (ich spreche bewusst nicht von Investitionen) wohl überlegt sein, sprich Effektivitäts- und Effizienzziele unterstützen und in ihrer Höhe Drittvergleichen standhalten. Egal wie klein oder groß, professionell oder nicht, weitgehend privat oder öffentlich finanziert: Jeder Kulturbetrieb muss wissen, was er tut (Mission), was er in Zukunft tun will (Vision) und wie er das alles zahlen will (Rechnungswesen – und sei es in rudimentärster Form)!
Somit ist der Ansatz, den Erfolg von Social Media (monetär) zu bewerten absolut richtig und wichtig, ob jedoch der ROI die Kennzahl der Wahl ist, ist eine andere Frage.
Die Praxis bietet durchaus Beispiele für die Verwendung des ROI im Social Media Marketing Measurement, siehe z.B. die Altimeter Group Studie zu Social Media Zielen von Unternehmen (siehe dazu: “Study Reveals Top 6 Social Media Goals for 2011“).
Einem Manager Social Media über den ROI zu „verkaufen“ ist gefährlich, weil der Betriebswirt schon anhand des Wordings den Berater leicht aufs Glatteis führen kann und wird – indem er darstellt, dass der ROI eine trotz des richtigen Ansatzes für den vorliegenden Fall falsche Kennzahl ist!
Denn: Der Return On Investment ist eine Unternehmenskennzahl und beschreibt (in der Regel) die Rentabilität (= Verzinsung) des Gesamtkapitals im Unternehmen.
Der ROI dient u.a. dem Vergleich mit Alternativveranlagungen des Kapitals – also, salopp gesagt der Beantwortung der Frage, ob mir mein Unternehmen mehr bringt als das Sparbuch.
Eine Frage, die essentiell für die freie Wirtschaft ist, deren oberstes Ziel die Gewinnmaximierung darstellt. Der Kulturbereich verfolgt andere, meist meritorische Ziele, die Subventionierung nötig machen, womit ohnehin kein positiver ROI im Sinne der BWL zu erwirtschaften ist.
Wird der ROI modern und konkret investitionsbezogen interpretiert und gerechnet, gilt die einfache Formel ROI = Gewinn / Kosten. Es ist somit der Return der Investition darstellbar, wobei auf die Wahl der Betrachtungsperiode sowie die klare Abgrenzung der Erlöse, die eindeutig der Investition zuordenbar sein müssen, Wert gelegt werden muss. Somit ist ein investitionsbezogener ROI vor allem hinsichtlich seiner Aussagekraft bezogen auf Perioden und Erlöse kritisch zu betrachten. Schwierig ist auch die Interpretation des in perzentilen ausgedrückten ROI (unser Social Media Auftritt bewirkt einen ROI von 214%….), da er keine Auskunft über absolute Zahlen (Investitionsvolumen) oder Durchrechnungszeiträume gibt – und auch als Investitionskennzahl primär dem Vergleich mit Alternativveranlagungen dient.
Wie aber kann man praktikabel feststellen, ob Kosten und Aufwand für Social Media „Sinn machen“, wirtschaftlich sowie strategisch?
Ich stelle dazu folgende Abfolge von Entscheidungen und Werkzeugen zur Diskussion:
Strategische Sinnhaftigkeit:
Neben bzw. bereits vor den finanzwirtschaftlichen Fragen sind strategische Fragen zu klären. Fundamental umschrieben ist dies der Komplex: „Wo bin ich heute, wo will ich in Zukunft sein?“
Was einfach klingt ist hochkomplex, aber die absolut unverzichtbare Grundlage für jede Entscheidung. Ohne strategische Positionierung kann es keine (sinnvollen) Ziele geben, das heißt es kann keine Effektivität im Tun geben, ohne diese kann es aber auch keine Effizienz geben. Somit ist es ohne strategisches Ziel unsinnig, überhaupt über Investitionen oder die Definition von KPI (Key Performance Indicators) nachzudenken.
Gibt es strategische Ziele (und somit das zuvor geschaffene Bewusstsein über Märkte, Zielgruppen, Produkte, Positionierung usw.) kann geklärt werden, ob Social Media ein geeignetes Werkzeug zu deren Erreichung ist. Einzubeziehen sind in derartige Evaluierungen auf jeden Fall das Marketing und die Vermittlung, idealiter auch die künstlerische Leitung und Finanz wie Controlling.
Helfen Tools des Social Media Marketings die Ziele des Betriebes zu erreichen, ist der nächste Schritt die Prüfung der
Betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit:
Betrachtungsgrößen hierbei sind die anfallenden Investitionskosten (Erstellung der Social Media Auftritte, Einmalkosten zu Projektbeginn), die laufenden Kosten (Wartung) und der laufende Aufwand (die Pflege der Inhalte durch die Mitarbeiter). Für Entscheidungsträger in (Kultur)unternehmen bieten sich auf dieser Basis folgende (jeweils stark vereinfachte, weil u.a. Zinsen und Abschreibungen nicht berücksichtigende, aber für die gegebenen Ziele völlig ausreichende) Rechnungen an:
Amortisationsrechnung
Stellt die Frage nach dem Zeitpunkt der Abzahlung der Anschaffungskosten. Wann genau der Amortisationszeitpunkt erreicht wird, ist abhängig von den eindeutig identifizierbaren Erlösen, die aus den Social Media Auftritten resultieren. Eine schwere Übung, wie weiter unten (Erfolgsmessung) kurz dargelegt wird.
Die Formel zur Errechnung des Pay Off lautet:
Amortisationszeit = Anschaffungskosten / Gewinn
Reliabel ist diese Annahme nur, wenn es möglich ist, den Gewinn eindeutig zu identifizieren sowie die Fixkosten für Personal konstant zu halten, also keine neuen Mitarbeiter zur Betreuung der Social Media Aktivitäten einzustellen. Falls doch, sind diese den Anschaffungskosten zuzurechnen, die eindeutig zuordenbaren Gewinne haben dann aber umso größer auszufallen, um einen Pay Off zu ermöglichen – es stellen sich hier somit die selben Probleme wie bei der Berechnung des investitionsbezogenen ROI.
Sehr einfach und absolut seriös kann man zu einer Amortisationsdauer kommen, indem der Gewinn nicht als zusätzlicher Erlös, sondern als die Einsparung durch Social Media (im Vergleich zur klassischen PR) definiert wird. Ein gangbarer Weg, wenn Social Media Aktivitäten klassische Öffentlichkeitsarbeit nicht nur ergänzen, sondern (zum Teil) ersetzen.
„Gewinn“ ist zu erzielen aus der Einsparung bei variablen Kosten, also z.B. Inseraten, Flyern, Plakaten (Grafik, Fotorechte, Druck, Verteilung, Miete Plakatfläche…) – im Falle großer Einsparungen im klassischen Bereich sogar dann noch, wenn die Fixkosten steigen und eigenes Social Media Personal eingestellt wird!
Die Formel zur Errechnung des Pay Off lautet:
Amortisationszeit = Anschaffungskosten / (Kosten klassisch – Kosten Social Media)
wobei:
Kosten klassisch = alle laufenden PR Kosten der klassischen PR Arbeit
Kosten Social Media = alle laufenden PR Kosten unter Berücksichtigung nun geringerer Ausgaben für Druck, Verteilung, Inserate usw.
Im Unterschied zum relationalen ROI erhält man konkrete, absolute Ergebnisse, Entscheidungsträger können ohne weitere Erklärungen einfach ablesen, nach welcher Zeitspanne sich die Investition abbezahlt hat. Aussagen über „Gewinne“ sind nicht ableitbar.
Opportunitätskosten
Opportunitätskosten sind entgangene Gewinne, also stellt sich hier die Frage was es „kostet“ nicht auf Social Media zu setzen. In ganz genauen Zahlen ist dies nicht seriös quantifizierbar – aber Benchmarkingmethoden erlauben zumindest eine grobe Darstellung. Zum Kulturbereich im konkreten sind mir leider keine Forschungsarbeiten bekannt, hingewiesen sei aber auf Zahlen der Altimeter Group (vgl. dazu den folgenden Artikel) und von Ogilvy (vgl. die folgende Präsentation), die darlegen, dass Kunden, die mit Social Media in Kontakt stehen, bis zu 17% mehr Umsatz generieren. (Es sei gestattet, dies erst mal unreflektiert so stehen zu lassen.)
Oder, anders gesagt: Wer auf Social Media verzichtet, verzichtet u.U. auf Umsatzzuwächse im 2-stelligen Prozentbereich – eine deutlich weniger valide Aussage als z.B. der Amortisationszeitpunkt, aber als Selling Proposition in der Beratung von (Kultur)unternehmen sicherlich nicht zu vernachlässigen.
Nach erfolgreicher Investitionsplanung steht der letzte und wohl schwierigste Schritt an, die laufende
Erfolgsmessung:
Das Controlling, sofern vorhanden, zumindest jedoch Geschäftsführung und Buchhaltung, sollten betriebswirtschaftliche Daten im Auge behalten – wird der Amortisationszeitpunkt wie geplant erreicht? Wenn nein, wie muss man gegensteuern (zu hohe laufende Kosten?).
Und der Rückfluss aus der Investition? Diesen zu messen ist wohl der schwierigste Punkt von allen. Auch wenn es technische Lösungen geben sollte, die genaues Tracking z.B. von Ticketsales zu einer Social Media Landing Page erlauben, auch wenn sich am Ende der Periode quantifizieren lässt, wie viele Kunden in direkter Folge dieser Aktivitäten wie viel Umsatz generiert haben – dies sagt uns noch so gut wie gar nichts, außer dass Kunden online Tickets kaufen, getriggert von Social Media Auftritten.
Erst eine Erfassung der gewonnenen Neukunden und eine Gegenüberstellung der Ergebnisse mehrerer Perioden ohne und mit Social Media Auftritten könnte valide Daten zu den Erlösen, die direkt und ausschließlich auf Social Media zurückzuführen sind, liefern.
„Erfolg steht in engem Zusammenhang mit Offenheit – und diese wiederum spiegelt sich unter anderem im Einsatz von Social Media.“
Hier aber sind wir schon in Dimensionen des CRM und des Controllings, die in kleinen und mittleren Kulturbetrieben, oft auch in großen, nicht geleistet werden können. Also stellt sich die Sinnfrage: Warum überhaupt Social Media Strategien auf Erlösebene betriebswirtschaftlich argumentieren? Solange Kosten und Aufwände „im Rahmen“ bleiben bzw. durch Ressourcenverschiebung von „klassisch“ zu „2.0“ gar nicht erst steigen und somit das Kostenmanagement funktioniert, solange ist der Einsatz von Social Media „einfach“ eine schwer quantifizierbare strategische Entscheidung. Die aber eine Unmenge an positiven externen Effekten haben kann, die Spielwiese Web 2.0 muss ernst genommen werden, ohne aber scheinökonomische Argumentation ins Feld zu führen. Auf einer relativ abstrakten Ebene, unabhängig von konkreten Zahlen, stellt dies auch IBM in einer weltweit durchgeführten CEO Studie fest.
Da aber nicht zuletzt gegenüber den Fördergebern immer handfest argumentiert werden sollte, darf ich abschließend noch den Versuch unternehmen, doch einfach einige KPIs zu definieren:
- Anzahl der Freunde bzw. deren Steigerung pro Periode
- Anzahl der (positiven) Rückmeldungen und Testimonials
- Anzahl der „likes“ (Digital Affairs meint: „Seit der ComScore/Facebook Studie “The Power of Like 1” wissen wir bereits, dass die Friends of Fans für eine Marke oft mehr Potenzial für die Neukundengewinnung haben, als die Fans einer Brand Page.“)
- Anzahl der Clippings in klassischen Medien, die auf Social Media Aktivitäten zurückzuführen sind
… to be continued – eine wunderbare Aufstellung von Social Media Kennzahlen findet sich z.B. im Social Media Monitoring Blog.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Erfolgsmessung nicht ganz einfach ist, insbesondere wenn hart und auf Basis betriebswirtschaftlicher Kennzahlen gemessen werden soll. Nachzudenken gilt es, ob nicht durch Social Media Einsparungen im Bereich der variablen PR Kosten erzielt werden können, ob die Erfolgsmessung nicht weitgehend qualitativ erfolgen könnte bzw. welchen neuen, dem Medium angepassten KPIs definierbar sind.
Foto von Thorben Wengert auf Pixelio
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